Kapitel 40

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"Oma, bitte", flehte ich sie schon zum hundertsten Mal an.

"Aria, ich kann dich nicht alleine dahin schicken", meinte sie und verschränkte die Arme vor die Brust.

"Mir passiert schon nichts. Schau mich Mal an, mir gehts gerade super!", versuchte ich es, doch sie blickte mich nur durch strenge Augen an, weshalb ich frustriert schnaubte.

Ich versuchte gerade meine Oma dazu zu überreden mich nach Phoenix gehen zulassen, denn morgen war der Todestag meines Vaters und somit wollte mir Ace endlich sagen, wer für seinen Tod verantwortlich war. Er hatte mir eine Nachricht geschrieben und gemeint, dass ich es in unserem alten Haus in Phoenix erfahren würde. Vertrauen tat ich ihm kein bisschen, aber ich hatte nichts mehr zu verlieren und wollte nur noch die Wahrheit erfahren.

"Oma, mir wird wirklich nichts passieren. Im Flughafen wird Daniel auf mich warten und ich werde bei ihm für zwei Tage übernachten. Danach werde ich auch mit ihm wieder zurückfliegen und er wird einige Tage bei uns hier bleiben", erklärte ich und es war teilweise die Wahrheit, denn ich würde natürlich bei Daniel übernachten, der auch schon davon Bescheid wusste.

"Warum kommt er nicht gleich hierher?", fragte sie misstrauisch und ich musste für einen Moment nachdenken.

"W-Weil er noch in die Schule gehen muss und erst danach kann er kommen", antwortete ich, was nicht wirklich überzeugend klang, jedoch würde Daniel wirklich für mich die Schule schwänzen.

"Okay, dann kannst du zwei Tage warten bis er kommt", meinte sie und ich sah sie ungläubig an bis mein Blick ernster wurde.

"Oma, ich werde gehen. Ich bin schon alt genug und kann für mich selbst entscheiden", sagte ich, worauf ihr Blick besorgt wurde.

"Aria, ich habe nur Angst", versuchte sie mich umzustimmen.

"Ich auch", flüsterte ich traurig und ging auf mein Zimmer hoch.

Mein Flugticket hatte ich schon längst besorgt, denn ich hatte es mir in den Kopf gesetzt nach Phoenix zu fliegen. Vielleicht war es eine falsche Entscheidung und sehr naiv von mir, aber ich konnte einfach nicht anders. Außerdem, was sollte er mir schon antun? Er selbst wusste über meine Krankheit und war sich im klaren, dass ich nicht mehr lange leben würde. Auch, wenn ich Ace nicht mochte, machte er auf einer Weise etwas gutes und ich hoffte er spielte keine Spielchen mit mir.

Gedankenverloren setzte ich mich auf meine Sitzecke und blickte nach draußen, dabei wanderten meine Augen automatisch zu Liam's Fenster. Gestern Abend war nicht mehr viel passiert. Wir waren still nach Hause gefahren und hatten kein Wort mehr geredet. Ich wusste nicht so genau wie es zwischen uns jetzt war, aber im Moment konnte ich mich nicht damit beschäftigen. Liam machte es mir nicht einfach, aber ich genauso für ihn nicht. Eigentlich wollte ich von ihm fernbleiben, aber meine Gefühle ihm gegenüber waren einfach viel zu stark. Ich konnte mich nicht mehr kontrollieren und das war schlecht.

Automatisch griff ich nach der Halskette und schloss meine Augen, dabei begann ich leicht zu lächeln. Die Engelskette, die er mir geschenkt hatte, nahm ich nie ab, denn sie bedeutete mir viel. Manchmal fragte ich mich, ob es ihn nicht traurig machte, wenn er die Kette an meinem Hals sah, denn es musste ihn doch jedes Mal an seine Mutter erinnern. Darüber hatten wir nie gesprochen, aber noch immer nahm mich dieser Vorfall mit. Es war schlimm, sogar sehr und ich konnte nun verstehen, warum Liam so war.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als es plötzlich an meiner Zimmertür klopfte. Anschließend wurde sie von Hope geöffnet, die lächelnd herein kam und sich vor mich setzte. Mal wieder hatte sie sich die Haare gefärbt, die in einem hellen grün waren. Die Farbe passte perfekt in mein Zimmer, was mich zum Schmunzeln brachte.

"Ich habe da etwas gehört", begann sie und ich hörte ihr aufmerksam zu.

"Du fliegst anscheinend nach Phoenix", redete sie zu Ende und ich blieb für einen Moment still.

"Woher weißt du das?", fragte ich.

"Deine Oma", antwortete sie und ich nickte nur.

"Warum willst du dahin?", wollte sie schließlich wissen und ich dachte nach.

Sollte ich es ihr erzählen?

"Aria?", wurde sie nun ungeduldig und ich seufzte.

"Ich habe meinen besten Freund vermisst", beantwortete ich ihre Frage und blickte ihr normal in die Augen.

"Du lügst", stellte sie fest und ich verstand nicht, woher sie das bemerkte.

"Sag es mir doch einfach", meinte sie.

"Ich lüge nicht", log ich weiter, aber sie verengte nur nachdenklich die Augen.

"Gut, dann fliege ich mit", bestimmte sie plötzlich.

"Was?", fragte ich leicht verwirrt.

"Somit bist du nicht alleine und ich kann deinen besten Freund kennenlernen", erklärte sie und irgendwie konnte ich eine leichte Eifersucht heraushören.

"Bist du eifersüchtig?", stellte ich ihr amüsiert die Frage.

"Ich und eifersüchtig? Ganz bestimmt nicht", widersprach sie direkt.

"Natürlich", murmelte ich und sie verdrehte die Augen.

Am nächsten Tag saß ich mit Hope schon im Flugzeug und war nervös. Ich hatte heute nicht wirklich eine gute Laune, denn es lag an dem Todestag meines Vaters und vor der Wahrheit. Hope wusste davon nichts und ich wollte ihr auch nichts erzählen. Daniel wusste genauso nichts, denn er dachte, dass ich ihn nur besuchen kam. Ich wollte da alleine durch und wollte keine traurigen Blicke oder das sie sich Sorgen um mich machten.

Meine Augen blieben an meinem Handy hängen und ich überlegte, ob ich Liam eine Nachricht schreiben sollte oder nicht. Er wusste nicht, dass ich nach Phoenix gerade flog. Als ich aus dem Haus gegangen war, stand sein Auto noch in der Einfahrt, aber von ihm war nichts zusehen. Ich schüttelte leicht den Kopf und legte mein Handy wieder weg, denn ich musste ihm nichts erklären wie er es bei mir nie machte.

"Aria, wir stürzen nicht ab oder?", fragte mich plötzlich Hope und ich bemerkte erst jetzt ihre Nervosität.

"Hast du etwa Angst?", wollte ich wissen.

"Was? Nein!", log sie und atmete unregelmäßig.

"Also ich würde Mal sagen, dass du dich für alles bereit machen solltest", flüsterte ich und sie riss erschrocken ihre Augen auf.

"Aria!", schrie sie schon fast ängstlich und krallte sich in den Sitz.

"Vielleicht ist es heute unser letzter Tag", murmelte ich und ich hätte beinahe gedacht, dass sie gleich zum Weinen beginnt, denn ihr Gesichtsausdruck war einfach einmalig.

"Ich bin doch noch so jung", wurde sie verzweifelt und ich blickte sie amüsiert von der Seite an.

"Hope, ich verarsch dich nur", lachte ich leicht und sie sah mich entsetzt an.

"Ich hasse dich!", sagte sie wütend, doch ihre Nervosität verschwand trotzdem nicht.

"Ich hab dich auch lieb", lächelte ich und lehnte mich zurück.

Mein Lächeln verschwand aber schlagartig, denn mir kam wieder in den Kopf, warum ich in diesem Flugzeug saß. Ich spannte mich an, dabei beschleunigte sich mein Herzschlag und mich packte eine große Nervosität, die man aber nicht mit Hope ihrer vergleichen konnte. In nur wenigen Stunden würde ich nämlich den Mörder meines Vater's erfahren.

Die AugenWhere stories live. Discover now