Kapitel 22

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Vor dem Badezimmer Spiegel stand ich schon seit Minuten und starrte mich selbst an. Meine Augen strahlten keine Emotionen aus, denn ich fühlte irgendwie gar nichts mehr. Dieses Wissen, das ich vielleicht nicht mehr lange leben könnte, brachte mich durcheinander. Ich wusste nicht, ob ich Angst hatte zu sterben, aber die Menschen, die ich liebte, wollte ich nicht verlassen. Das traurige war, dass ich nichts dagegen unternehmen konnte, denn es lag nicht in meiner Hand, ob ich leben oder sterben würde.

Solange kein Spender gefunden war, musste ich Tabletten nehmen, die mich besser fühlen lassen sollten, jedoch wirkte es irgendwie nicht. Trotzdem fühlte ich mich müde und schwach. Auch die Tests wurden an meine Oma, Tante Amber und Jack ausgeführt, falls die Blutstammzellen von ihnen übereinstimmen könnten. Es lag aber nicht mal bei zu 50% das es passen könnte, doch der Arzt meinte, dass wir nicht die Hoffnung aufgeben sollten.

Meine Blick blieb an meiner Narbe hängen, die über meiner rechten Augenbraue war. Es war nicht all zu auffällig, jedoch war sie auch nicht zu übersehen. Vielleicht würde sie anderen Menschen stören, jedoch konnte ich nur lächeln, denn diese Narbe erinnerte mich an meinen Vater.

Ich schätze, dass ich ungefähr zehn Jahre alt war und an einem Tag war ich in der Küche mit meinem Vater. Zusammen hatten wir gekocht und dabei bei der Musik mitgesungen. So wie ich war, hatte ich das ganze Speiseöl verschüttet und war auch noch darauf ausgerutscht. Somit hatte ich mir den Kopf an der Küchentheke angehauen. Mein Vater war direkt zu mir gerannt und hatte mich mit voller Eile ins Krankenhaus gefahren. Mir war noch immer in der Erinnerung geblieben wie sehr ich geweint hatte und mein Vater wusste genau wie er mich zum lächeln bringen konnte. Nachdem ich behandelt war, wollte ich noch immer nicht aufhören zu weinen, weshalb er mir einen Paradiesapfel gekauft hatte. Das waren meine Lieblingsäpfel, denn der rote Zucker am Apfel rum hatte ich immer geliebt und das war das einzige, was mich glücklich machen konnte.

Bei dieser Erinnerung begann ich leise zu weinen und dabei konnte ich spüren wie die Wunde an meinen Vater aufging. Es begann zu bluten, sodass ich mich wie ein kleines und hilfloses Mädchen fühlte. Ich wollte nämlich wieder meinen Vater bei mir haben, ich wollte, dass er jetzt mit einem Paradiesapfel in der Hand kam und meine Tränen wegwischte, ich wollte einfach meinen Vater jetzt haben.

"Warum kannst du nicht wieder kommen?", fragte ich verzweifelt in die Luft und weinte nur noch mehr.

"Ich brauche dich so sehr", flüsterte ich schwach.

Da heute Sonntag war, blieb ich nur in einer Jogginghose und einem Pullover. Nach langer Zeit rief ich mal meinen besten Freund wieder an, denn er selbst meldete sich irgendwie gar nicht und das war so typisch für Daniel, denn er hasste es zu telefonieren, aber wegen mir hatte er sich teilweise daran gewöhnt. Eigentlich hätte ich ihn jetzt gerne bei mir, denn seine Nähe war immer beruhigend und er wusste einfach genau wie er meine Laune ändern konnte. Ich wusste noch nicht einmal, ob ich ihm über meine Krankheit etwas erzählen sollte, denn ich wollte ihm keine Angst machen und so gut wie ich Daniel kannte, würde er seine Sachen packen und hierher zu mir kommen.

Am Ende hörte ich schließlich auf nachzudenken und rief ihn einfach an. Innerlich freute ich mich, aber die andere Hälfte in mir war verzweifelt. Ich verdrehte die Augen als der Idiot noch immer nicht abnahm und genau, wo ich auflegen wollte, ging er noch rechtzeitig dran.

"Wo bist du verdammt?", war ich genervt.

"Ich hatte zuerst keine Lust, aber dann habe ich gesehen, dass du es bist und erst da bin ich ran gegangen", erklärte er, worauf ich erneut die Augen rollte.

"Ich hab dich vermisst", kam es plötzlich über meine Lippen, da ich es wirklich tat.

Ich brauchte meinen besten Freund.

Die AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt