4. Graue Gewitterwolken

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„Sam, geht es dir nicht gut?", sage ich und mustere sie stirnrunzelnd.

Eine schwere Kette legt sich um mein Herz, als wolle sie es tief in den Boden ziehen. Eine Antwort bleibt aus, stattdessen geht Sam einfach weiter, ohne sich noch einmal zu mir umzudrehen, wie sie es sonst immer tut. Seufzend gehe auch ich nach Hause, begrüße Mama mit einem Kuss auf die Wange und gehe direkt in mein Zimmer. Mit einem Ächzen schmeiße ich mich auf mein Bett.

Ich kann absolut nicht verstehen, was mit Sam los ist. Sie hört gar nicht mehr zu, redet nicht mit uns, sondern steht einfach nur wie eine Statue neben uns und starrt ins Leere. Ihre Augen sehen erschreckend leblos aus. Dabei habe ich immer wieder ihre Lieblingsserien, die Models, die sie so heiß findet, und andere Lieblingsthemen von ihr angesprochen. Auch gemeinsame Insider, aber nie gab es eine Reaktion. Sie ist wie eine komplett andere Person. Was soll ich nur tun? Ich kann es nicht ertragen, meine beste Freundin so zu erleben, das macht mich selbst total fertig. Als hätte man einen engen Gürtel um meinen Brustkorb gebunden, der mir zunehmend die Luft abschnürt. Mein Herz schmerzt, als würde es jemand zusammendrücken.

Mit einem schweren Seufzen schnappe ich mir meine Tasche. Wenn ich hier einfach liegen bleibe und mir den Kopf über Sam zerbreche... Das halte ich nicht aus.

Am Wochenende hat meine Computermaus nach vielen Jahren treuer Dienste den Geist aufgegeben, also brauche ich eine neue und das ist doch die perfekte Gelegenheit mich abzulenken. Ich stampfe die Treppe wie ein Elefant hinunter, binde meine Haare nebenbei zusammen und überspringe die letzten drei Stufen. Draußen stoße ich auf Papa, der gerade aus dem Auto steigt.

„Hallo Papa", begrüße ich ihn mit einem Lächeln und drücke ihm einen Kuss auf die Wange. Prompt breitet er ebenfalls mit einem breiten Lächeln die Arme aus.

„Na Sienchen? Wo geht's hin?", fragt er mich, nachdem er einen Blick auf meine Tasche geworfen hat.

„Am Wochenende ist meine Maus kaputt gegangen und jetzt wollte ich mir schnell eine neue kaufen gehen."

„Du solltest echt weniger zocken", erwidert er mit gehobener Augenbraue.

„Ach Papperlapapp", entgegne ich und verdrehe grinsend die Augen. Papa gibt mir einen Kuss auf die Wange und verabschiedet sich dann von mir.

„Schwimm nicht zu weit raus, sonst fressen dich noch die Haie."

„Ja ja."

„Du weißt was ‚Ja ja' bedeutet", schmunzelnd er, wird dann aber plötzlich ernst. „Sei zurück bevor es dunkel wird."

„Solange werde ich sowieso auf keinen Fall draußen sein. Bin in spätestens einer Stunde wieder da."

Um zu den Technikgeschäften zu kommen, muss ich an der Kreuzung vorbei, die Sam und mich immer auf dem Heimweg trennt. Kurz bleibe ich an jener stehen, fische mein Handy aus meiner Tasche und schaue zu Sams Wohnblock, schüttle jedoch seufzend den Kopf und gehe weiter. Lieber nicht.

Während ich meine Lieblingsmusik höre und mein Handy wieder sperren möchte, komme ich ausversehen mit dem Finger auf die News von Lane, bei denen mir ein rot umrandetes Feld mit der Überschrift ‚Serienmörder noch immer nicht geschnappt' ins Auge springt. Sofort tippe ich auf die Anzeige und was mich dann überrumpelt, geht mir durch Mark und Bein.

Am 24. Januar fand man das erste Opfer einer noch andauernden Mordserie, die bisher über siebzig Opfer zu verzeichnen hat. Die Einwohner Lanes sind erschüttert.

Zeugenberichten zufolge wurden einige Opfer blutleer aufgefunden und mit Verletzungen, von einem Tierangriff stammen könnten. Der Polizeioberkommissar ließ verlauten, dass er dies zum jetzigen Zeitpunkt ausschließt und bittet die Einwohner sich nach Einbruch der Dunkelheit nur noch in Gruppen draußen aufzuhalten. Wir werden weiter für Sie berichten und hoffen, dass diese Mordserie schnell ein Ende findet, sodass die Bewohner Lanes ihr Leben friedlich fortführen können.

Keryno - Die verborgenen VampireOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz