52. Schwarzer Nebel

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Angepisst steige ich aus dem Auto aus, das Gesicht verzogen, als habe ich in eine Zitrone gebissen. Lachend hält Levi mich am Ellenbogen fest.

„Ach komm schon, das war doch nur Spaß."

Bei seinem Lachen hämmert mein Herz prompt schneller gegen meine Brust und ein Teil von mir wünscht sich, dass er meinen Ellenbogen nie wieder loslässt. Schmetterlinge tanzen in meinem Bauch Samba und ohne etwas dagegen tun zu können, steigt mir das Blut in die Wangen.

Dennoch drehe ich mich von ihm weg. „Ich fand das jetzt nicht so lecker, dass du auf mein Sandwich Zahnpasta geschmiert hast", erwidere ich und drehe mich mit verschränkten Armen weg. „Ach ja, und dass ich dann statt Zahnpasta Käse aus der Tube im Mund hatte, fand ich auch nicht geil. Wie auch immer du das Etikett so perfekt von der Zahnpasta drauf bekommen hast."

„Selbst Schuld, wenn du nicht darauf achtest."

Mit einer übertrieben hohen Stimme äffe ich ihn nach. „Ich hab mich beeilt."

Nun ist es Levi, der mich nachäfft. „Mimimi."

„Dein Gesichtsausdruck war's auf jeden Fall wert", schiebt er noch mit einem spitzbübischen Grinsen hinterher.

„Ha Ha Ha. Pass auf, das kriegst du zurück."

Mit einem letzten teuflischen Grinsen drehe ich mich von ihm weg und marschiere auf das riesige Schulgebäude zu.

„Weißt du noch? Letzte Woche, als ich ihr ganz viel Salz statt Zucker in ihren Tee gemacht habe, hat sie meine Schuhe von innen mit Sprühsahne vollgeschmiert", wirft Finn ein. Bei der Erinnerung muss ich laut auflachen.

„Oh man, das war echt lustig", schließt sich Jonas mir an.

„Huh? Willst von mir auch noch was abkriegen?", warnt Finn teuflisch.

Plötzlich springt mich jemand von hinten an und legt seine Arme um mich.

„Hallo Sienna!"

Breit lächelnd drehe ich mich um. „Hallo Laria! Was machst du denn hier?"

„Ich wollte dich fragen, ob wir nachher zusammen essen?"

„Na klar!", stimme ich begeistert mit einem breiten Lächeln zu.

„Okay, dann bis später! Ich hole dich ab!"

Winkend sprintet sie davon, zu ihrem eigenen Raum. Schmunzelnd setze ich mich auf meinen Platz und schaue aus dem Fenster.

Aber das Lächeln bleibt nicht lange.

Es ist der kurze Moment der Ruhe, der mir zum Verhängnis wird. Ohne, dass ich etwas dagegen tun kann, schweifen meine Gedanken ab. Schon wieder.

Warum hab ich diese Kraft?

Wie stark ist sie?

Was bin ich?

Wer bin ich?

Wer oder was sind meine Eltern?

Wie gefährlich bin ich?

Wie kann ich diese Kraft kontrollieren?

Kann ich das überhaupt?

Was, wenn es mir nicht gelingt?

Warum zur Hölle hätte ich sie nicht damals, als Dominik und Justin genau vor meinen Augen getötet wurden, nutzen können? Warum jetzt erst?!

Unfähig.

Schwach.

Nutzlos.

Seufzend schüttle ich leicht den Kopf, als könne ich so die Gedanken loswerden. Raus da. Ich will nicht darüber nachdenken. Nicht in diesen endlosen Strudel der Verzweiflung rutschen oder mit dieser Dunkelheit in Kontakt kommen, die sich seit geraumer Zeit wie schwarzer Nebel in meinem Inneren tummelt. Seit dem Gespräch gestern kann ich an nichts anderes mehr denken. Ständig schweifen meine Gedanken in diese Richtung ab. Ich weiß einfach nicht, was ich denken soll. Einerseits bin ich froh, dass ich diese Kraft habe, denn mit ihr kann ich stärker werden. Ich wäre nicht länger so auf die Anderen angewiesen. Andererseits habe ich so unfassbare Angst vor ihr.

Keryno - Die verborgenen VampireWhere stories live. Discover now