15. Erneut auftauchende Qual

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Total verschlafen setze ich mich im Bett und reibe mir den Schlaf aus den Augen. Verwirrt schaue ich mich um, als mir die Erkenntnis wie Schuppen vor die Augen fällt und die Last wie ein riesiger Steinbrocken auf meine Schultern knallt.

Ich bin nicht Zuhause.

Stöhnend schäle ich mich aus der Schuluniform und stelle mich unter die Dusche. Viele Minuten stehe ich einfach nur da, den Blick auf die weißen Fließen vor mir gerichtet und genieße das warme, sanft auf mich einprasselnde Wasser. Meine Gedanken sind vollständig eingenommen von dem Angriff der Vampire.

Ich habe Vampire getötet!

Diese Tatsache müsste mich freuen, aber irgendwie fühle ich... Gar nichts. Nichts als gähnende Leere. Leere, die meine Freunde hinterließen als sie starben. Jetzt, wo ich einige dieser Monster umgebracht habe, müsste ich mich doch besser fühlen. Noch im selben Moment kommen der Schmerz und die tiefe Trauer zurück, nehmen mein Herz gänzlich ein und scheinen niemals enden zu wollen. Schon wieder treten mir die Tränen in die Augen und Wunsch, einfach zu sterben, kracht wie eine Rakete in meinen Kopf. Was habe ich gefühlt, während ich diese Blutsauger, einen nach dem Anderen, getötet habe?

Ich habe wie ein verdammter Psycho auf diesen B-Vampir eingestochen... Wie mag das wohl für die Anderen ausgesehen haben? Ob Kaja jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben will?

Vorsichtig fahre ich mit der rechten Hand zu meinem rechten Auge. Warum waren meine Augen plötzlich in diesem merkwürdigen Gold gefärbt?

Meine Gedanken schweifen zu dem Schwert, das einfach so aus dem Nichts in einem Lichtschimmer erschienen ist, als wäre es aus der Sonne selbst entschlüpft oder als habe es sich aus den Strahlen der Sonne manifestiert. Mein Blick richtet sich auf meine rechte Hand.

Was ist nur los mit mir?!

Ohne jegliche Motivation, wie eine leblose Puppe, bloß mit tausenden Rissen in der Seele und im Herz, die wohl niemals heilen werden, ziehe ich mich wieder an. Mein Körper fühlt sich wie Blei an, unendlich schwer und jeder einzelne Schritt ist ein schwerer Kampf.

Dieses Gift, das sich in meinem Inneren festgesetzt hat, kann durch kein Gegenmittel der Welt behandelt werden. Und genau das ist das Schlimme daran.

Am liebsten würde ich mich einfach ins Bett schmeißen und ohne Pause weinen, denn es kommt mir so vor, als wäre das der einzige Weg diesen furchtbaren Schmerz wenigstens ein bisschen loszuwerden.

Verdammt, ich hatte doch gesagt, ich will diese nutzlosen Gefühle vorerst wegsperren! Ich brauche sie nicht. Augenblicklich verwandelt sich die Trauer in Wut.

Wut über mich selbst.

Darüber, dass ich schon wieder die Gefühle an mich herangelassen habe, schon wieder den Trauerkloß gespielt habe. Dass ich hier untätig und nutzlos rumstehe, anstatt dafür zu sorgen, endlich ein verdammter Keryno zu werden, damit ich noch viel mehr Vampire töten kann, vor allem Darian Gwadi und Liam Dirks.

Die letzten Tränen aus dem Gesicht streichend, werfe ich mich wieder in die Schuluniform und gehe zur Mensa. Auf dem Weg dorthin begegne ich Kaja, die mir stürmisch um den Hals fällt und immer wieder beteuert, wie unglaublich ich war und was für furchtbare Sorgen sie sich um mich gemacht hat.

Glücklicherweise fragt sie mich nicht nach dem Schwert und nach den goldenen Augen, da ich ihr sowieso keine Antwort darauf geben könnte. Ich verstehe es ja nicht einmal selbst. Dennoch fällt mir ein kleiner Stein vom Herzen, denn sie scheint keine Angst vor mir zu haben. Nicht, dass es für mich eine Rolle spielen würde. Warum mache ich mir über so etwas banales überhaupt Gedanken?

Aber egal wo wir sind, im Flur, in der großen Empfangshalle oder im Speisesaal – überall starren mich Schüler von allen Seiten an und tuscheln hinter vorgehaltener Hand. Unbehagen breitet sich in mir aus. Still essen wir und ich versuche so gut wie möglich die stechenden Blicke der Anderen zu ignorieren, als sich ein Schatten auf mich legt.

Keryno - Die verborgenen VampireWhere stories live. Discover now