10. Eingebildete Störung

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Nachdem ich diese Puppe besiegt hatte, musste ich Kai noch die verschiedensten Techniken zeigen. Querbeet nannte er mir welche, die ich sofort ausführen und oft nebenbei auch erklären musste.

Nun stelle ich mich keuchend hin und warte auf den nächsten Befehl von ihm, der urplötzlich grinsend in die Hände klatscht. Irritiert ziehe ich die Augenbrauen zusammen.

„Bestanden."

Ungläubig hebe ich eine Augenbraue und ziehe den Kopf leicht nach hinten.

„Wo ist der Haken?", frage ich verwirrt.

„Es gibt keinen."

„Dann habe ich den Aufnahmetest also wirklich bestanden?"

„Jup."

Obwohl es ein Moment der Freude sein könnte, empfinde ich nichts. Da ist nichts außer diese gähnende Leere, durch die sich immer wieder dieser unerträgliche Schmerz und schleicht. Ich darf sowieso kein Glück oder Freude empfinden. Das ist Dominik, Justin und Sam einfach zu ungerecht gegenüber. Immer wieder tauchen sie in meinen Gedanken auf und auch jetzt stelle ich mir wieder ihre Stimmen vor, wie sie mich dafür niedermachen, dass ich Schuld an ihrem Tod trage und auch einfach sterben sollte.

Wie fühlte es sich überhaupt an glücklich zu sein? Die Tage, die von Liebe und Freude geprägt waren, scheinen plötzlich eine Ewigkeit zurückzuliegen und nichts weiter als eine Halluzination meiner selbst zu sein.

Aber ich sollte auch nicht glücklich darüber sein, weil ich sowieso keine andere Option als diese erwartet hätte. Was hätte mein Leben sonst noch für einen Sinn gehabt, wenn ich bereits hier versagt hätte?

„Da du den Test bestanden hast, musst du ab morgen auf jeden Fall auch beim Unterricht teilnehmen, heißt, du kannst dich also nicht mehr drücken", sagt Kai mit einem matten Lächeln und entlässt mich.

Ich verlasse die Trainingshalle und kneife mir leicht in den Arm. Ist das gerade wirklich passiert? Ich meine, ich bin meinem Ziel zwar nun ein Stückchen näher gekommen, doch irgendetwas ist hier faul. Das war zu einfach.

Ich schüttle leicht den Kopf. Das ist jetzt völlig egal, es zählt nur, dass meine Rache mehr in Reichweite gerutscht ist, also sollte ich mir nicht über solch belanglose Dinge den Kopf zerbrechen.

Der Körper schwer wie Blei, betrete ich das Zimmer in dem ich nun wohne und lasse meinen Blick durch jenes schweifen. Mein Zimmer zu Hause ist viel schöner... Mit all den vertrauten Dingen, den Bildern von mir und meinen Freunden und meiner Familie.

Nein!

Ich haue mir mit der Hand gegen den Kopf, als könne ich die Erinnerungen nach hinten schubsen. Ich darf daran nicht denken, ich muss das alles in einer Schublade verschließen. Wenn ich mir das so oft wie möglich einrede, dann wird das schon irgendwann klappen, schließlich ist das menschliche Gehirn leicht zu manipulieren. Ich muss nach vorn blicken, immerhin kann ich bald Vampire töten. Jene Vampire, die mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt haben und mir alles nahmen und dafür brauche ich keine Gefühle oder Erinnerungen. Sie stünden mir nur im Weg. Passt nur auf ihr Vampire, euer größter Albtraum wird euch bald ereilen.

***

„Hey. Ich bin Max und soll dich rumführen", sagt ein braunhaariger Junge, der soeben an meine Zimmertür geklopft hat, und lächelt mich freundlich an. Kleine Lachfältchen an den Augenwinkeln und winzige Grübchen lassen ihn sympathisch wirken. Zudem stelle ich fest, dass er die schwarz gelbe Kampfuniform und nicht die Schuluniform trägt. Wann bekomme ich eigentlich meine? Naja, wird mir schon jemand bringen und wenn nicht, frage ich später mal nach.

Keryno - Die verborgenen VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt