1.: Wanner×Vidovic

1.6K 35 6
                                    

Genre: Drama, cute
Tw: Selbstverletzung, Selbsthass

Für NicoleTre5

Pov. Paul:

Frustriert schlug ich die Wohnungstür zu und pfefferte meine Trainingstasche wütend in die nächst beste Ecke. Man, war das heute ein Scheiß. Das heutige Training war wohl das Schlimmste, das ich jemals hatte. Es lief nichts, aber auch gar nichts, wie ich wollte. Alle zwei Minuten hatte mich der Trainer zurecht gewiesen und ich hatte mich auf Äußerste blamiert. So würde ich es doch niemals zu den ganz Großen schaffen, meinen allergrößten Traum erfüllen.
So nimmt mich niemand ernst. Kein Wunder, ich benahm mich wie die letzte Lusche und brach bei dem kleinsten Druck von Seiten des Vereins, der Öffentlichkeit oder der Presse zusammen; es wurde mir immer zu viel und das obwohl ich als junger Nachwuchsspieler noch nicht mal halb so viel Druck ab wie die wirklichen Profis, die auf Topniveau spielten und viel mehr in der Öffentlichkeit standen als ich es tat.
Ich konnte damit einfach nicht umgehen. Es war mir alles zu viel.
Das Schlmste war, dass ich hier niemanden hatte, mit dem ich wirklich reden konnte; Gabriel war immerhin nicht hier und außerdem wollte ich ihm keine Sorgen machen. Klar, hatte ich hier auch noch Freunde, mit denen ich mich wirklich gut verstand, aber trotzdem konnte ich mich ihnen nicht wirklich anvertrauen.
"Fuck", schrie ich meinen Frust so laut ich konnte heraus, während ich spüren konnte, wie die brennenden Tränen in meinen Augen aufstiegen und sich langsam ihren Weg über meinen Wangen bahnten. Nein, jetzt bloß nicht schon wieder heulen.
Wie ferngesteuert trugen meine Beine mich ins Badezimmer, wo ich sofort ohne auch nur eine Sekunde zu zögern in mein kleines Versteck hinter dem Regal mit den Handtüchern und zog dort eine Schachtel mit Rasierklingen hervor. Meine kleinen Helferchen.
Es mag komisch klingen, aber ich begann sofort zu lächeln und fühlte mich schon bei ihrem Anblick ein ganzes Stück befreiter.
Doch das allein reichte mir noch nicht. Ich wollte; ich musste diesen Schmerz spüren. Schon seit Wochen versuchte ich meinen Stress und den Druck auf diese Art und Weise zu kompensieren; tatsächlich funktionierte dies auch erstaunlich gut. Am Anfang hatte ich es nur hin und wieder mal gemacht, doch inzwischen konnte ich nicht mehr ohne. Es war wie eine Sucht, die mich immer und immer wieder in ihren Bann zog und mich solange nicht losließ, bis ich mich ihr voll und ganz hingegeben hatte.
Ich konnte nicht anders; wurde praktisch von ihr angezogen wie ein Magnet Eisen anzieht.
Fast schon erleichtert atmete ich aus, als ich den ersten Schnitt setzte und neben dem angenehm stechenden Schmerz schon das erste Blut begann aus der Wunder auszutreten. Es glich einem Befreiungsschlag; fühlte sich so gut an, dass ich mein Lächeln nicht mehr verbergen konnte. Mit jedem Schnitt wurde es breiter; mit jedem Schnitt fühlte ich mich ein kleines Stückchen besser, auch wenn mir inzwischen langsam schwindelig wurde. Das war eigentlich nichts Neues; ich hatte das öfter, wenn ich begann mich selbst zu verletzen, doch als meine Sicht benebelt und trüb wurde und schwarze Punkte vor meinen Augen tanzten, wurde mir klar, dass ich es diesmal wohl doch etwas übertrieben hatte. Leise stöhnend ließ ich mich an der Wand zu Boden hinuntergleiten, ließ meine Arme langsam sinken und lehnte meinen Kopf erschöpft an den kühlen Fliesen an. Ich wurde immer benommener; nahm nichts mehr wirklich wahr. Die aufkommende und immer größer werdende Müdigkeit schien mich immer weiter einzuhüllen, bis ich ihr nicht mehr standhalten konnte und müde meine Augen schloss.
Gerade als ich fast komplett in ihr versunken war, hörte ich plötzlich eine laute und trotzdem weit entfernte Stimme auf mich einreden.
"Paul? Hey Paul? Was machst du hier?"
Nun begann der Besitzer dieser Stimme, die mir irgendwie bekannt vorkam, auch noch an mir zu rütteln.
Genervt verzog ich das Gesicht und versuchte ihn abzuschütteln, doch es gelang mir nicht. Warum konnte ich nicht einfach mal meine Ruhe haben? Ich fühlte mich gerade so gut.
"Schatz, hey... mach die Augen auf."
"Mhh", brummte ich, bevor ich vorsichtig die Augen öffnete und direkt in Gabriels besorgtes Gesicht blickte.
Eigentlich sollte ich mich fragen, warum er hier war und nicht in den Niederlanden, aber dazu war ich gerade einfach nicht in der Lage.
"Was hast du gemacht?", wollte der Ältere geschockt wissen, doch ich zuckte nur mit den Schultern.
Keine Ahnung, ob es daran lag, dass es mir unendlich unangenehm war oder weil ich schlicht und ergreifend viel zu müde war, um ihm eine vernünftige Antwort zu geben.
"Wir müssen sofort ins Krankenhaus", redete er hysterisch weiter," Du hast total viel Blut verloren."
Fast schon panisch schüttelte ich den Kopf. "Nein, nicht ins Krankenhaus, bitte"; flehte ich schwach.
"Paul, das ist voll gefährlich; du könntest irgendeine Ader verletzt haben oder so", gab mein Freund eindringlich zurück," Das muss einmal durchgecheckt werden."
"Aber..."
"Keine Widerrede, ich fahre dich jetzt in die Klinik", wurde mein Einwurf sofort niedergestampft.
Gabriel nutzte meine Schwäche aus und trug mich, ohne dass ich Widerstand leisten konnte, sofort aus dem Bad in sein Auto. Dort gab ich mich wieder der Müdigkeit, aus der Gabriel mich vorhin gerissen hatte, hin und schloss wieder träge meine Augen.

Als ich wieder aufwachte, hatte sich mein Umfeld komplett geändert. Ich lag in einem ungemütlichen Bett, war mit einer warmen Decke zugedeckt und in meinem Handgelenk steckte ein Schlauch; wahrscheinlich von einer Infusion. Meine Ohren begannen auch wieder ihren Dienst und nahmen leises, regelmäßiges Piepen war, während ich neben mir auf einem Stuhl eine Person sitzen sah; Gabriel.
Mit einem Schlag fiel mir alles wieder ein. Fuck. Er hatte alles herausgefunden.Alles, was er nie hätte herausfinden sollen. Dass es mir so schlecht ging, dass ich aus meiner Not heraus angefangen hatte, mich selbst zu verletzten, dass ich total schwach war, einfach alles. Alles, alles.
Am liebst würde ich im Erdboden versinken; jetzt müsste ich ihm alles erklären.
"Schatz? Paul?", sprach er mich sofort an, bevor er besorgt eine Hand an meine Wangen legte;"Wie fühlst du dich?"
Meine Antwort war lediglich ein unsicherer Blick zu meinem Arm, welcher in einen dicken Verband eingewickelt war.
Mein Freund schien zu verstehen, denn er sprach gleich weiter. "Es wurde genäht. Du hast ziemlich tief geschnitten und viel Blut verloren. Deshalb bekommst du auch die Infusion mit irgendwelchen Medikamenten."
Mit halb geschlossenen Augen nickte ich; hoffte innerlich, dass er mich nun in Ruhe lassen würde.
"Warum hast du das getan?" Mit dieser Frage machte der Ältere meine Hoffnung direkt wieder zunichte. Ich schwieg. Keine Ahnung, wie ich ihm das jetzt erklären soll; oder ob ich es ihm alles erklären soll. "Du machst das schon länger oder?", fuhr er fort. Sofort schüttelte ich den Kopf.
"Das war das erste Mal"; krächzte ich leise; blickte weiterhin starr auf die Bettdecke.
"Lüg mich nicht an", wurde er nun etwas schroffer," Ich habe die Narben an deinen Oberarmen gesehen. Du machst das schon seit Wochen.... oder Monaten."
Ich schwieg einfach weiter. Warum fragte er mich sowas überhaupt, wenn er die Antwort doch eh schon kannte?
"Erklär mir warum", forderte Gabriel schließlich," Warum verletzt du dich selbst?"
Nun hielt ich es nicht mehr aus. Schnell fuhr mein Blick zu ihm herüber und fixierte den seinen.
"Man was willst du denn hören?", brach es aus mir heraus," Dass ich schwach bin und diesem ganzen Druck nicht mehr standhalten kann? Oder dass ich so kaputt bin, dass ich mich ritze und es ohne nicht mehr aushalten kann?" Wütend und zugleich den Tränen nahe sah ich ihn an; wartete auf eine Antwort, doch Gabriel saß nur perplex vor mir und starrte mich an.
"Ich wollte nie, dass du es herausfindest, weil ich genau diese Situation vermeiden wollte."
"Aber warum?", wollte er verständnislos wissen," Ich wäre doch für dich da gewesen... und jetzt finde ich es nur durch Zufall heraus, weil ich dich mit meinem Besuch überraschen möchte. Vertraust du mir nicht oder was?"
"Nein, das ist es nicht", stritt ich sofort ab," Ich liebe dich über alles und vertrauen tue ich dir auch, aber...." Fieberhaft versuchte ich, die passenden Worte zu finden. "Ich wollte dich damit nicht belasten Es... ich... du hast doch auch deine Probleme und ich wollte dir nicht meine auch noch antun."
"Meine Probleme vertraue ich dir aber an", erwiderte er und gestikulierte dabei wild mit den Händen. Anscheinend konnte er mich wirklich kein bisschen verstehen.
"Aber das ist was anderes." "Warum?"
Ja, warum eigentlich? Ehrlich gesagt wusste ich darauf auch keine Antwort. Es war nichts anderes. Ich suchte nur eine Ausrede.
"Merkst du selber, oder?"
Wieder wandte ich meinen Blick auf und starrte eisern auf meinen Arm, während ich mit aller Kraft versuchte, mir die Tränen zu verdrücken.
"Warum lässt du dir nicht helfen?"
Sarkastisch lachte ich auf. "Wie denn?"
"Jetzt tu doch nicht so. Du weißt genauso gut wie ich, dass es unzählige Möglichkeiten gibt. Erstmal hätte es gereicht, wenn du einfach mal mit mir geredet hättest. Oder mit dem Trainer oder mit deinen Kollegen oder mit den Vereinspsychologen oder, noch viel besser, mit den Medientrainern. Die sind extra für sowas ausgebildet."
Schwer schluckte ich. Er hatte sowas von recht.
"Aber nein. Du bist zu stolz und schädigst dich lieber selbst bis du im Krankenhaus landet, anstatt einfach mal zuzugeben, dass Hilfe brauchst und dir mal welche holst."
"Es tut mir leid", hauchte ich, bevor ich seine Hand griff und diese fest drückte. "Ich wollte das doch nicht. Ich wollte nie, dass es soweit kommt. Am Anfang hatte ich noch alles unter Kontrolle, aber irgendwann..... habe ich sie einfach verloren." Ängstlich sah ich ihn an; hatte Angst vor der Antwort auf die Frage, die ich ihm gleich stellen werde. "Verlässt du mich jetzt?"
Leicht lächelnd schüttelte ich den Kopf und küsste sachte meine Hand. "Du bist zwar ein riesen Idiot, aber ich liebe dich und lasse dich in so einer Situation doch nicht alleine. Das kannst du sowas von vergessen."
"Wirklich?"
"Wirklich." Zuversichtlich lächelte er mich an, ehe er sich etwas vorbeugte und meine Stirn küsste. "Ich liebe dich. Wir schaffen das schon zusammen."
"Danke, dass du da bist."
"Ich werde immer für dich da sein", versprach der Ältere mir und ich wusste sofort, dass er dieses Versprechen halten würde.

Fußball Oneshots boyxboy  Pt. ||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt