Die Maske

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Lucy verbrachte tatsächlich die restlichen Wochen der Sommerferien bei Snape, was sie niemals gedacht hätte. Aber dort war sie am sichersten. Dort würde sie niemand vermuten. Sie verstand nun seine Hintergründe. Snape war zwar auf der dunklen Seite, allerdings nur um Rache auszuüben und um Voldemort endgültig auszuschalten. Sie durfte jedoch niemandem etwas davon erzählen. Sie war in der Lage ihre Gedanken zu verbergen, ihr Bruder hingegen jedoch nicht. Er durfte auf keinen Fall etwas davon wissen, solange Voldemort lebte. Lucy war bewusst, dass Harry Snape vermutlich hasste und zutiefst verabscheute, doch das musste sie in Kauf nehmen.
Snape war viel außer Haus. Lucy wusste nun warum. Er war bei sämtlichen Todesser-Versammlung im Haus der Malfoys. Es war groß genug, sodass sie dort regelmäßig ihre Treffen und Besprechungen durchführen konnten. Lucy mochte sich nicht ausmalen, wie es den Malfoys und besonders Draco dabei ging. Sie erinnerte sich an diese Angst in seinen Augen in der Nacht, als Dumbledore starb.
Sie wollte ihm irgendwie helfen, wollte ihn dort herausholen, wusste aber nicht wie. Solange Voldemort ihn und seine Familie bedrohte, würde er vermutlich alles tun, was er verlangte. Wie gern wäre sie bei ihm, würde ihn umarmen, ihm sagen, dass alles gut gehen würde. Aber sie konnte nicht. Sie befanden sich in einem Krieg. Draco war auf der dunklen Seite und Lucy auf der Gegenseite. Es wäre dumm, sich auf ihre Beziehung zu konzentrieren. Ihr einziger Trost war derzeit Duncan. Er war ihr treuer Begleiter geworden. Sie durfte ihn zum Glück mit in die Schule nehmen, dadurch fühlte sie sich gleich etwas sicherer.
„Du weißt hoffentlich, dass Hogwarts von Voldemort gesteuert wird. Er hat zwei Todesser als Lehrer eingesetzt und nun ja, mich als Schulleiter." erklärte Snape. Einerseits freute sich Lucy für ihn, andererseits waren die Umstände, weshalb er Schulleiter wurde, nicht gerade ein Grund zu Freude.
„Todesser als Lehrer? Na super.." erwiderte Lucy.
„Du hast immer noch die Wahl dich zu verstecken."
„Ich verstecke mich nicht vor diesen Backpfeifengesichtern. Ich stehe zu meiner Person. Außerdem müssten sie dann wissen, dass ich mit Harry und seinem Verschwinden nichts zu tun habe. Ich weiß nun mal nicht, wo er sich befindet. Und das ist nicht gelogen. Ich hätte mitgehen können, bin ich jedoch nicht. Ich möchte meinen Abschluss schaffen. Die können mir gar nichts!" sagte Lucy entschlossen.
„Versuche dich jedoch in der Schule etwas.. zurückzuhalten. Am besten ist es, wenn du nicht auffällst. Der dunkle Lord hat das Hauptinteresse an deinem Bruder. Es wäre zu dumm, wenn er es auf dich lenken würde, weil du gegen den Strom schwimmst. Halt dich an die Schulregeln, behandle jeden deiner Lehrer respektvoll, egal ob Todesser oder nicht und fall bitte nicht aus dem Rahmen! Ich kann nicht immer über all sein und auf dich achten." erklärte Snape ihr.
„Ich gebe mir Mühe, Severus." antwortete Lucy. Sie musste ihren Kopf unten halten und versuchen sich in der Schule zu beherrschen, auch wenn sie die Todesser hasste.
„Gut." erwiderte er.
Lucy packte ihren Koffer. Außerdem packte sie viele Snacks für Duncan ein. Bevor sie das Haus verließ, um zum Bahnhof zu gehen, betrachtete sie ein letztes Mal ihr Zimmer. Wer weiß, ob sie es jemals wiedersehen würde. Sie verließ danach das Haus und machte sich auf zum Bahnhof. Duncan saß auf ihrer Schulter. Ein wenig tat ihre Schulter mit der Zeit weh.
„Ich hab dich wohl ziemlich verwöhnt in den letzten Tagen." sagte Lucy zu Duncan, der eingeschnappt miaute.
Sie betrat das Gleis 9 3/4 ein letztes Mal. Sie erinnerte sich an das erste Mal vor sechs Jahren. Sie war aufgeregt und noch so hoffnungsvoll. Nun wusste sie, dass ein dunkler Schleier über der Schule lag und sie überlegte ein letztes Mal, ob sie tatsächlich gehen sollte. Schlussendlich entschied sie sich doch dafür. Sie wollte ihren Abschluss machen, sie wollte ihre Freunde schützen und sie wollte Harry unterstützen, so gut es ginge, auch wenn sie nichts von ihm wusste oder hören konnte. Kontakt über Eulen konnten sie nicht mehr halten, da jede Eule abgefangen und strengstens überprüft wurde. Sogar sämtliche Flohflammen-Netzwerke wurden überprüft. Das Ministerium lag nun in der Hand Voldemorts. Lucy musste nun eine Maske aufsetzen und ihre Rolle perfekt spielen, genauso wie Snape.
Als sie den Hogwarts-Express betrat, sah sie sofort, wie leer er war. Das lag daran, dass sämtlichen muggelstämmigen Hexen und Zauberer der Besuch der Schule verboten wurde oder dass Halbblüter von ihren Eltern aus der Schule genommen wurden. Alle hatten Angst. Bis auf einige Slytherins, deren Eltern selbst Todesser waren. Lucy war sich unsicher, ob sie sich zu ihnen setzen sollte.
„Hey, Lucy. Komm doch zu uns." lachte Goyle. Sein Vater und Crabbes Vater waren ebenfalls Todesser. Dies wusste Lucy von Harry.
Vielleicht war es jedoch eine gute Möglichkeit, sich bei ihnen weiterhin beliebt zu machen und so über mögliche Vorgänge der Todesser herauszufinden.
Es widerte Lucy an die stolzen Gesichter der Slytherins zu sehen. Sie setzte jedoch ihre Maske auf.
„Hey, Jungs. Alles gut bei euch?" fragte Lucy und setzte sich zu ihnen. Duncan saß immer noch auf ihrer Schulter und fauchte Crabbe und Goyle an.
Lucy wusste, dass er ihre schlechten Persönlichkeiten witterte.
„Keine Sorge, er ist nur skeptisch bei Fremden." sagte Lucy und kraulte Duncan, um ihn zu beruhigen. Die beiden Jungs sahen eingeschüchtert aus. Kniesel konnten durchaus gefährlich werden, auch wenn sie nicht so aussehen. Crabbe und Goyle ignorierten Duncan und sprachen weiter.
„Endlich hat Hogwarts einen richtigen Schulleiter. Ich habe sogar gehört, dass sie uns nun die unverzeihlichen Flüche beibringen. Ist das nicht cool?!" fragte Crabbe und lachte fröhlich. Lucy hätte brechen können.
„Oh wirklich? Sehr cool." erwiderte sie nur. Sie sah Draco das Abteil betreten. Sie sahen sich in die Augen und er blieb kurz erschrocken stehen.
„Malfoy. Wie ist es so das Haus so voll zu haben?" fragte Goyle.
„Gut. Endlich läuft Hogwarts in die richtige Richtung." antwortete Draco. Er sah jedoch nicht glücklich dabei aus. Er hatte sicherlich auch nur eine Maske auf. Draco setzte sich schräg gegenüber von Lucy. Er wirkte nervös. Ebenso wie Lucy. Sie hatte ihn seit dem Vorfall auf dem Astronomieturm nicht mehr gesehen und er wusste nicht einmal, dass sie überhaupt da war. Duncan sprang von Lucys Schulter auf den Boden und lief schnurrend um Dracos Beine herum. Lucy kicherte als sie Dracos verwirrten Gesichtsausdruck sah.
„Er mag dich." sagte Lucy und lächelte Draco an. Er lächelte zurück und die beiden sahen sich intensiv in die Augen.
Goyle, der neben Lucy lag, legte plötzlich seinen Arm um sie und sagte „Sag mal, Luce, wo ist eigentlich dein Bruder? Er wird vermisst." Er und Crabbe lachten sich ins Fäustchen.
„Wenn du nicht sofort deinen Arm von mir entfernst, dann hast du ein ganz anderes Problem, als meinen verschollenen Bruder." sagte Lucy knurrig. Goyle nahm schweigend seinen Arm weg.
„Wie dem auch sei. Das letzte Schuljahr wird wohl das Beste sein, jetzt wo der alte Sack endlich tot ist und sie uns nun die richtig wichtigen Zauber und Flüche lehren." sagte Goyle.
Duncan lag die restliche Zugfahrt in Lucys Schoß. Sie kraulte ihn und sah verträumt aus dem Fenster. Sie hörte nicht mehr zu, was die Jungs beredeten. Sie feierten sich und die Todesser. Offensichtlich begriffen ihre Erbsenhirne nicht, dass tagtäglich Zauberer, Hexen und ihre Familie sterben. Das ist sicherlich kein Grund zu lachen. Lucy dachte darüber nach, wo Harry gerade wohl war. Vielleicht in Sirius Haus? Vielleicht wieder zurück im Fuchsbau? Oder ganz woanders?
Lucys Blick wanderte vom Fenster zu Dracos Gesicht schräg gegenüber. Sie verlor sich in seinen Augen. Sie wusste, dass er kein Todesser vom Herzen war sondern, um seine Familie zu retten. Das fand sie mutig von ihm. Sie hätte das gleiche für Harry getan. Draco erwiderte Lucys Blick. Ihr Bauch kribbelte. Er war einer von ihnen und doch liebte sie ihn.

Und doch liebt sie ihnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt