16. Aufregung

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Die Woche kann für mich gar nicht schnell genug vorbei gehen und ich fiebere fast schon dieser Veranstaltung entgegen, obwohl ich ja eigentlich nicht so der gesellige Typ bin. Doch die Möglichkeit mit Jim einen Abend zu verbringen, als seine Begleitung, löst in mir etwas aus, was ich nur einmal in meinem Leben zuvor gespürt habe. Und das war als Teenager.
Doch schließlich ist Samstag da und ich überlege, ob das wirklich eine gute Idee ist. Ein wenig Zweifel kommen mir ja doch, wenn ich so an volle Räume, fremde Menschen und vorallem fremde Männer denke.
Doch drei Stunden bevor er mich abholen will ruft Jim an.
"Hey, Mel."
"Hi Jim."
Meine Stimme hört sich klein und unsicher an.
"Ist alles okay?", fragt er überrascht.
"Mhm."
"Ist es wegen heute Abend?"
Ich nicke, bis mir einfällt dass Jim mich ja gar nicht sehen kann.
"Ja. Ich... ich bin ein bisschen nervös wegen der ganzen fremden Leute..."
Ich verschweige ihm dass es mir dabei eher um die männlichen Vertreter geht, aber er scheint es zu spüren.
"Ich verspreche dir, dass dir dort nichts geschehen wird", sagt er und seine Stimme klingt dabei todernst.
"Okay."
"Ausserdem kannst du dich da ein bisschen trainieren und du wirst merken, dass nur die wenigsten Männer so sind wie die, die du kennengelernt hast."
"Okay. Danke Jim."
"Gern geschehen. Ich kann doch nicht mit dir dahin fahren wenn du gar nicht willst!"
"Mh, das stimmt. Weshalb wolltest du eigentlich anrufen?"
"Oh, das. Ich wollte mich nur erkundigen ob das noch steht. Denn ich hatte schon Begleitungen, die in letzter Sekunde noch abgesagt haben."
"Das werde ich nicht, versprochen", sage ich grinsend und Jim lacht leise.
"Da bin ich mir absolut sicher. Also dann, bis in drei Stunden!"
"Okay, bis dahin."
Er legt auf und auch ich lasse das Handy sinken.
Die Stunden vergehen schneller als gedacht und schon bald mache ich mich für den Abend fertig. Schließlich stehe ich frisch geduscht und geföhnt vor meinem Kleiderschrank und öffne ihn. Ich besitze nur ein Kleid was für diese Veranstaltung in frage käme, und ich hatte es noch nie an. Ausserdem hadere ich noch mit mir selbst wegen eines Kleides.
Doch endlich nehme ich es aus dem Schrank und ziehe mich an. Das Kleid ist dunkelblau, mit einem Rock der über die Knie geht und keinem zu großen Ausschnitt. Es ist einfach, aber schön und passt mir perfekt.
Gerade bin ich fertig mit meiner Frisur, eine Flechtfrisur, da klingelt es an der Tür. Schnell schaue ich auf die Uhr, es sind noch zehn Minuten bis Jim mich abholen will. Vorsichtig gehe ich zur Tür und öffne sie langsam.
Vor mir steht Jim, in einem schwarzen Anzug mit dunkelblauer Krawatte, was ihm verboten gut steht. Seine Haare sind nicht so fluffig wie sonst, sondern mit etwas Gel nach hinten gemacht, was aber trotzdem sehr gut aussieht.
"Oh, ich dachte du kommst etwas später..."
Jim schaut mich an, da er vorher den Gang beobachtet hat und erstarrt.
"Ähm, j-ja, das hatte ich vor, a-aber - Wow Melody, du siehst... atemberaubend schön aus."
Verlegen senke ich den Kopf und zupfe mit der rechten Hand am Stoff des Rocks.
"Danke", murmele ich und fühle, wie mir das Blut in die Wangen steigt.
"Du aber auch."
Dann trete ich zur Seite sodass Jim hereinkommen kann und er folgt mir. Neugierig schaut er sich um, aber sein Blick huscht immer mal wieder kurz zu mir. Während ich im Spiegel nochmal meine Frisur richte, bemerke ich dass Jim mich anschaut, und zwar lange.
"Du weißt schon, dass ich dich im Spiegel sehen kann?", frage ich und schaue ihm über den Spiegel in die Augen. Er zuckt peinlich berührt zusammen und streicht sich mit einer Hand einmal durch die Haare.
"Ähm..."
Kopfschüttelnd schlüpfe ich in meine Schuhe, nehme meinen Mantel, in dem ich meine Sachen verstaut habe, und öffne die Tür wieder.
"So, wir können!"
Jim beeilt sich aus der Wohnung herauszukommen, dann schließe ich ab und wir gehen gemeinsam nach draußen. Irgendwie ist es seltsam, dass wir beide, so gekleidet, durch ein solches Haus gehen. Es ist sowieso seltsam, dass Jim, der reiche, gutaussehende Jim mit mir befreundet ist. Ich bezweifle nicht, dass ich hübsch bin, aber es gibt doch gewiss Freunde, die besser für Jim sind.
"Hast du irgendetwas?", erkundigt sich dieser nun bei mir und fängt meinen Blick auf.
"Nö", antworte ich und grinse ihn unschuldig an.
"Ich bin nur etwas aufgeregt, sonst nichts."
Wir laufen gerade die Treppe herunter und treten aus der Tür heraus, als ich den Wagen entdecke, mit dem Jim gekommen ist. Es ist ein dunkler, eleganter Wagen mit getönten Scheiben, der allein vom Aussehen her sehr teuer aussieht.
"Darin bist du gekommen?", frage ich unsicher und hoffe unwillkürlich, dass es nicht so ist. Da lacht Jim neben mir über meinen Gesichtsausdruck und stupst mich in die Seite.
"Ach komm, ich habe dir doch gesagt dass auch ich ein paar solcher Autos besitze."
Er öffnet die Tür vor mir und ich steige mit einem etwas mulmigen Gefühl ein. Die Sitze sind aus hellem, weichen Leder und ich muss unwillkürlich daran denken, was Jim noch gesagt hatte: "Zum Eindruck machen."
Eine Scheibe trennt uns von unserem Fahrer und Jim kommt zu mir in den Wagen. Er setzt sich mir gegenüber hin und der Wagen fährt weiter, kaum dass die Tür verschlossen ist. Das leise Summen des Motors und die sanften Bewegungen des Autos auf der Straße sind kaum zu spüren und ich spüre, wie ich nervös werde. Unsicher schaue ich im Wagen umher, aus dem Fenster und auf meine Hände. Ich bin mir bewusst dass man mir meine Nervosität ansehen kann, aber ich schaffe es nicht mich zu beruhigen.
"Ganz ruhig Mel, wir gehen uns nur amüsieren", meint Jim lachend und ich schaue ihn an.
"Für dich mag das ja normal sein, aber für mich ist es... in vieler Hinsicht eine Premiere."
"In welcher Hinsicht?"
"Ich gehe das erste Mal auf so eine Veranstaltung, ich tue es das erste Mal mit einem Mann, ich trage das erste Mal wieder ein Kleid, ich sitze das erste Mal in so einem Wagen, ich habe das erste Mal-"
"Ja, okay, ich glaube ich habe es verstanden", stoppt er mich grinsend und ich lächle leicht.
"Aber Premieren sind toll", murmele ich noch, doch ich glaube nicht, dass Jim mich gehört hat.
"Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, wegen der ganzen fremden Menschen meine ich. Die meisten meiner Freunde sind sehr nett, oder zumindest nett. Ausserdem werde ich dich von den weniger netten Leuten fernhalten, okay?"
Ich nicke.
"Okay. Aber was ist, wenn du alleine sein möchtest?"
"Wie meinst du das denn jetzt?", hakt Jim verwirrt nach und runzelt die Stirn.
"Na, was ist wenn du jemanden kennenlernst, da störe ich doch nur", erkläre ich und Jims Gesicht hellt sich auf.
"Oh, ach das... he, ich glaube nicht dass das passiert."
"Ach so."
Schweigend fahren wir eine Weile lang weiter und ich beruhige mich allmählich.
"Mel?"
"Ja?"
"Wir können auch gehen wenn du das möchtest. Es ist nämlich so, dass ich solche Veranstaltungen selbst nicht so gerne mag, aber sie sind manchmal notwendig für mich. Also wenn du keinen Bock mehr hast, dann sag einfach Bescheid."
"Ich weiß."
"Oh, praktisch."
Er mustert mich wieder eingehend und runzelt die Stirn.
"Woher hast du eigentlich das Kleid? Ich kann es irgendwie keiner Marke zuordnen."
Da grinse ich.
"Das ist auch nicht möglich, es ist von der Marke Grand. Meine Mutter und ich haben das selbst gemacht, allerdings ein kleines bisschen zu groß, weshalb es mir auch jetzt noch passt."
Ich streiche mit der Hand über den Stoff und erinnere mich daran, wie meine Mutter und ich dieses Kleid genäht haben. Damals war das eine wunderschöne Zeit.
"Es ist trotzdem sehr schön und damit auch einzigartig. Das Design gefällt mir. Deine Mutter war bestimmt eine tolle Frau und du hast sie sehr gemocht", meint Jim und ich nicke.
"Sie war die tollste Person, abgesehen von Katie, die ich je kannte. Und abgesehen von dir", füge ich lachend hinzu, er lächelt und führt dann das Gespräch fort, sodass ich keine Gelegenheit mehr habe um nervös zu werden oder über den bevorstehenden Abend nachzudenken. Es fühlt sich fast so an wie immer, wenn wir reden und Jim bringt mich immer wieder zum lachen.
So bemerke ich es fast gar nicht, dass der Wagen anhält und der Motor ausgeht.
"Wir sind da", informiert Jim mich schließlich und öffnet die Autotür. Wir stehen in der Auffahrt eines großen, protzigen Hauses, was einer Villa sehr nahe kommt. Die Fenster strahlen in hellem Licht und einige Stufen führen hinauf zum Eingang.
Nervös schaue ich dorthin und schlucke.
"Oh", mache ich nur, bewege mich aber nicht.
Da steigt Jim aus und reicht mir seine Hand. Schüchtern ergreife ich sie und lasse mir von Jim aus dem Wagen helfen.
"Danke", murmele ich, nun doch wieder aufgeregt.
"Gern geschehen. Darf ich dir den Mantel abnehmen?"
"Mhm."
Ich gebe ihm den Mantel und er legt ihn sich über den rechten Arm, dann bietet er mir seinen anderen an. Ich hake mich bei ihm unter und er schaut mich aufmunternd an.
"Ich bin bei dir, okay?"
"Ja. Ganz Gentleman, was?"
Er grinst.
"Bin ich das nicht immer?"
Ich überlege und ziehe gespielt kritisch die Augenbrauen zusammen.
"Hm, wenn ich so darüber nachdenke, doch eigentlich schon."
"Dann ist ja gut."
Wir setzen uns langsam in Bewegung und gehen auf den Eingang zu.

Moriarty In Love Where stories live. Discover now