21. Jobsuche

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Als erstes fährt Jim mich und meinen Koffer zu sich nach Hause und ich darf mich im Gästezimmer einrichten. Es fühlt sich sehr seltsam und auch irgendwie falsch an bei ihm zu wohnen, aber ich habe keine Wahl. Und ich finde es irgendwie auch gut.
"Und es macht dir wirklich nichts aus dass ich bei dir wohne?", frage ich Jim zum dritten Mal und er grinst.
"Ja, es ist absolut in Ordnung, Mel. Ich bestehe sogar darauf dass du hier bleibst", antwortet er lachend und stupst mich in die Seite.
"Nimm es doch einfach hin."
"Na gut", meine ich und muss schmunzeln.

* * *

Es ist gar nicht so schwer mit Jim zusammenzuleben. Er ist den halben Tag nicht da, bei der Arbeit, und ich bin unterwegs und erledige die Kündigung meines Jobs, den Verkauf meiner Wohnung und erkundige mich nach offenen Arbeitsstellen. Damit ich nicht warten muss bis er wiederkommt, hat Jim mir den Schlüssel zu seinem Haus gegeben, auch wenn ich erst protestiert habe.
Wenn Jim am Abend wieder zurückkommt zieht er sich als erstes sein Anzugjackett aus und lockert die Krawatte.
Obwohl es mir manchmal durch den Kopf geht sprechen wir nicht mehr über die Auftragskiller, oder warum man mich töten will. Und da auch nichts in der Richtung mehr passiert ist das Thema schnell vergessen.

* * *

Zwei Tage nachdem ich bei ihm vorübergehend eingezogen bin kommt er nach Hause während ich auf dem Sofa sitze, ein Prospekt mit Jobangeboten und einem Block auf dem Schoß und kommt zu mir. Von hinten schaut er mir über die Schulter und stützt sich mit den Armen auf der Lehne hinter mir ab.
"Wow, du hast ja schon viel aufgeschrieben", stichelt er und ich verdrehe die Augen. Mein Blockblatt ist noch komplett leer und ich kaue auf dem Bleistift herum.
"Ich weiß."
Er greift nach dem Prospekt und schaut es sich an.
"Dein Ernst? 'Kleine Jobs mit großem Potential'?"
Ich seufze.
"Mit meinem Lebenslauf nimmt mich doch sonst keine Firma."
"Das sagst du. Versuch es doch mal."
Er gibt mir das Prospekt wieder und ich schaue ihn an. So mit weißem Hemd und lockerer Krawatte sieht er immernoch sehr gut aus. Seine sonst morgens gegelten Haare sind nun etwas strubbeliger, aber das passt zu ihm.
"Wie meinst du das?"
"Such dir den Job raus den du wirklich machen willst, wo du sagst, das ist dein Traumjob. Und dann bewirb dich."
Er lächelt und legt den Kopf schief.
"Mag sein dass das bei dir funktioniert, aber bei mir..."
Ich lasse den Rest des Satzes in der Luft hängen und mache eine unbestimmte Handbewegung. Da zuckt er mit den Schultern.
"Das wird dich schon nicht umbringen wenn du eine Absage bekommst", meint er nur und verschwindet in Richtung Küche.
Manchmal, aber nur manchmal, könnte ich ihn schütteln. So lange bis er aufhört seltsam zu sein.
Seufzend lege ich Block und Stift neben mich und gehe mit dem Prospekt in der Hand in die Küche. Mit einer Sache hat er ja recht.
Ich lasse das Prospekt in den Müll fallen und Jim schaut mich grinsend an. Er lehnt an der Anrichte und trinkt gerade ein Glas Wasser.
"Sag mal, ist irgendwas? Du wirkst ein wenig... mürrisch."
"Nein, es ist alles okay. Es wird nur mit dem Verkauf der Wohnung etwas komplizierter, denn der Vermieter will dass ich innerhalb von einem Monat raus bin. Ich brauche aber noch ein bisschen um überhaupt einen Job zu bekommen."
Jim stellt das Glas weg.
"Wenn du so suchst wie bisher dann ja."
Er geht aus der Küche und läuft die Treppe nach oben ohne noch ein Wort zu sagen. Ich nehme eine Tasse und beginne mir Tee zu kochen. Denn den Tee habe ich selbst mitgebracht und deshalb keine Skrupel ihn zu benutzen.
Kurze Zeit später kommt Jim wieder runter und zwar mit seinem Laptop. Überrascht schaue ich ihn an und er stellt den silbernen Laptop auf den Tisch.
"Was wird das?", frage ich ihn als er ihn anmacht und irgendetwas eingibt.
"Du brauchst Zugang zum Internet, und du besitzt keinen Computer. Und sag nicht du könntest das auch so schaffen, das glaube ich dir nämlich nicht."
Er gibt etwas ein und wartet dann. Ich verschränke die Arme vor der Brust und schaue ihm zu.
Warum tut er so viel für mich? Und das ohne eine Gegenleistung zu verlangen?
Schließlich richtet Jim sich wieder auf und deutet auf den Laptop.
"Ich habe dir ein Konto eingerichtet auf das du ohne Passwort zugreifen kannst."
Ich schüttele den Kopf und setze mich widerspruchslos auf den Stuhl vor den Laptop. Wenn Jim so drauf ist dann kann ihn nichts auf der Welt umstimmen.
Ich öffne den Browser und beginne zu suchen.

~~~

Drei Stunden später mache ich den Laptop aus und klappe ihn zu, ein wohliges Gefühl im Bauch. Denn ich habe drei Jobs gefunden die mich interessieren würden und habe schon angefangen ein Bewerbungsschreiben zu verfassen. Ich lasse den Laptop auf dem Tisch liegen und gehe ins Wohnzimmer.
Da kommt Jim die Treppe runter und zu mir ins Wohnzimmer.
"Na, was gefunden?", fragt er, als ich ihn plötzlich umarme. Überrascht erwidert er diese Umarmung nach kurzer Zeit und lacht.
"Was ist denn mit dir los?"
"Nichts", antworte ich und lasse ihn los.
"Ich wollte mich nur bedanken."
Er lächelt und fährt sich mit einer Hand durch die schwarzen Haare.
"Das ist doch selbstverständlich", meint er, leicht verlegen und räuspert sich.
"Du müsstest mal wieder zum Friseur", bemerke ich und er zieht an einer Haarsträhne um sie sich anzusehen.
"Joa, vielleicht nächste Woche."
Er schaut mich an und hebt die Augenbrauen.
"Also hast du tatsächlich etwas gefunden?"
Ich nicke eifrig und erzähle ihm von meinem Erfolg. Jim freut sich aufrichtig für mich und neckt mich damit, dass ich das mit dem Prospekt niemals hinbekommen hätte.

~~~

Am nächsten Tag mache ich mich daran die Bewerbungsschreiben zu verfassen und meinen Lebenslauf zu erstellen. Dann fahre ich los um mich nochmal mit meinem Vermieter zu treffen und das mit der Wohnung zu regeln.
Als ich wieder zu Jim nach Hause laufe komme ich mir etwas seltsam vor durch diese vornehme Gegend zu laufen, mit all den teuren Häusern. Doch an Jims Haus angekommen verfliegt dieses Gefühl und ich schließe die Tür auf.
"Ich bin wieder da!", rufe ich und hänge meinen Mantel zu Jims Jacke an den Haken, dann ziehe ich mir die Schuhe aus.
"Jim?"
Ich laufe die Treppen hoch, da tritt Jim aus der linken Tür zu seinem Arbeitszimmer. Überrascht stelle ich fest dass er noch seinen Anzug trägt.
"Hi Melody", begrüßt er mich, aber er wirkt ernst.
"Ähm, ich brauche noch etwas, also könntest du mich für die nächste dreiviertel Stunde bitte nicht stören?"
Er wartet gar nicht meine Antwort ab sondern verschwindet wieder im Zimmer. Erstaunt bleibe ich auf dem Absatz stehen und starre auf die geschlossene Tür. So ist er noch nie gewesen.
Leicht befangen gehe ich ganz leise wieder runter und setze mich in die Küche. Ich weiß nicht genau was ich machen soll, deswegen checke ich mit dem Konto was Jim mir eingerichtet hat meine Emails. Doch ich habe nur eine von Katie, und zwar mit einem Video. Ich schaue es mir an und muss schmunzeln. Sie und Dave blödeln vor der Kamera herum und wünschen mir alles Gute zum Geburtstag. Warte, Geburtstag? Ich schaue auf das Datum der Email. Heute. Ach ja, da war ja was...
Heute werde ich 24, und ich habe es vergessen. Ich habe meinen eigenen Geburtstag vergessen! Kein Wunder bei all den verrückten Dingen die mir in letzter Zeit passiert sind.
In dem Video erwähnt Katie auch dass sie mir etwas geschickt hat. Ich schaue auf die Uhr. Aufgrund meines Umzugs habe ich veranlasst dass all meine Post in der Poststelle gelagert wird und ich per SMS benachrichtigt werde falls etwas kommt. Aber jetzt hat diese Stelle bereits geschlossen.
Ich schreibe Katie stattdessen eine Email zurück und beschließe ihr von den Geschehnissen zu erzählen, denn sie hat mich ausdrücklich in dem Video darum gebeten.
Ich habe die Mail gerade abgeschickt, da kommt Jim in die Küche, nun etwas entspannter gekleidet. Statt seinem Anzug trägt er eine Jeans und ein Hemd, sowie ein graues Jackett darüber. Er stellt sich neben mich und sein Blick fällt auf die geöffnete Mail von Katie. Im Betreff steht "Happy Birthday :D"
"Du hast Geburtstag?", fragt er mehr als überrascht und ich schaue ihn vorsichtig an, da ich nicht weiß ob er noch so seltsam ist.
"Ja", antworte ich und er setzt sich zu mir an den Küchentisch.
"Warum hast du denn nichts gesagt?"
Ich zucke mit den Schultern.
"Ich habe es vergessen."
Da lacht er.
"Den eigenen Geburtstag vergessen, oh mann."
Ich spüre wie ich rot werde.
"Ich weiß, ziemlich dämlich."
Da steht Jim auf.
"Komm, noch ist es nicht zu spät."
Er geht aus der Küche und ich höre wie er den Autoschlüssel nimmt.
"Wozu?", frage ich und folge ihm in den Flur.
"Zum feiern."
Er gibt mir meinen Mantel und grinst.
"Ich kenne da ein perfektes Plätzchen."
"Kann man das auch essen?"
"Was? Ach so..."
Lachend schüttelt er den Kopf und öffnet die Haustür.
"Nein, kein Keks."
Seltsam, jetzt ist er so wie immer. Doch ich mache mir keine Gedanken darum und ziehe mir den Mantel an während ich ihm zum Auto folge.

Moriarty In Love Where stories live. Discover now