45. Alte Bekannte

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Ein wenig einsam fahre ich über die Fläche und versuche dabei nicht hinzufallen, da spricht mich plötzlich jemand an.
"Hey Melody, was machst du denn hier?"
Überrascht drehe ich mich um und sehe Henry auf mich zufahren. Er lächelt mich freundlich an und bleibt vor mir stehen.
"Hi. Um ehrlich zu sein, ich versuche nicht hinzufallen. Und du?", antworte ich und erwidere sein Lächeln.
"Ich war nur in der Gegend und dachte mir ich könnte mal wieder Schlittschuh laufen. Und da habe ich dich gesehen, so ganz alleine, deswegen bin ich hier."
"Oh, das ist... cool. Ich bin nur nicht alleine, Jim ist bei mir. Zumindest war er das bis gerade eben."
"Warte, der Jim den du so toll fandest?"
"Ja, genau der Jim. Übrigens wir sind jetzt zusammen, seit über zwei Monaten."
Henry lächelt, aber in seinen Augen blitzt etwas auf was ich nicht deuten kann.
"Freut mich", sagt er und ich merke auch in seiner Stimme einen seltsamen Unterton. Kurz schaut er sich um, dann kommt er mir näher.
"Melody, du musst dich mit mir treffen."
Verwirrt schaue ich ihn an und weiche ein wenig zurück.
"Warum denn das?"
Unwillkürlich bekomme ich ein wenig Angst, denn Henry ist mir eindeutig zu nahe und irgendetwas in seiner Stimme warnt mich. Er wirkt gar nicht mehr wie der Henry den ich mal kannte, sondern irgendwie... komisch.
"Warum soll ich mich mit dir treffen?", frage ich nochmal nach da Henry mir nicht geantwortet hat.
"Melody, Jim ist gefährlich", sagt er eindringlich und ich runzele die Stirn.
"Was?"
"Hier."
Er drückt mir einen Zettel in die Hand und ich starre ihn verwirrt an.
"Ruf mich an."
Ich will ihn gerade fragen was zur Hölle mit ihm los ist, als plötzlich Jim wieder neben mir steht und fast schon besitzergreifend meine Hand nimmt. Es wirkt so als wolle er Henry klarmachen dass ich zu ihm gehöre und sich daran auch nichts ändern wird. Unauffällig stecke ich den Zettel in meine Jackentasche und schaue Jim an, der Henry misstrauisch mustert.
"Und was wollte Seb?", erkundige ich mich doch Jims Antwort fällt knapp aus.
"Wir reden später."
Henrys ehemalig freundliche Ausstrahlung ist nicht mehr zu spüren, stattdessen ist sein Blick fast schon feindselig und seine Stimme klingt eisig.
"Ich muss mich dann verabschieden. Euch beiden noch einen schönen Tag."
Damit fährt er weg, ohne sich noch einmal umzudrehen und ich wende mich Jim zu.
"Sag mal, was war das denn?"
Überrascht schaut er mich an und das Ernste in seinem Gesicht verschwindet.
"Was meinst du?"
Mit hochgezogenen Augenbrauen schaue ich ihn an und kann es kaum glauben. So ein schlechtes Kurzzeitgedächnis?
"Ähm, das mit Henry gerade? Du hast ihn angesehen als hätte er versucht mich dir auszuspannen."
Da huscht ein Lächeln über sein Gesicht und er senkt einen Moment den Blick.
"Er war dir sehr nahe, und er sieht gut aus... da wird man schonmal ein wenig eifersüchtig", antwortet er schließlich, aber ich spüre dass da noch mehr hintersteckt. Noch viel mehr.
"Als ob es nur das ist. Du weißt dass ich dich liebe, wieso sollte ich dich verlassen? Und dann auch noch wegen Henry?"
Ich kann ein Lachen nicht mehr zurückhalten und bemerke nur aus dem Augenwinkel Jims Blick, der irgendwie schuldig aussieht.
Doch plötzlich erstirbt mein Lachen als ich mich erinnere was Henry mir über Jim sagte und ich werde still.
"Ist was?", erkundigt Jim sich und bringt mich vorsichtig dazu, dass wir weiterfahren. Er hält noch immer meine Hand und eigentlich ist mir warm genug, doch plötzlich wird mir kalt.
"Naja, ich musste nur daran denken was Henry mir gesagt hat... über dich."
Ich schlucke und schaue ihn an. Sein Blick ist unmöglich zu deuten, aber er wirkt unwillkürlich besorgt, ja fast ängstlich.
"Was hat er gesagt?", fragt er leise.
"Er meinte du seist... gefährlich. Und irgendwie habe ich das Gefühl dass er recht hat, aber irgendwie... auch nicht. Was meint er damit?"
Jims Blick huscht zwischen meinen Augen hin und her und er holt tief Luft.
"Er hat recht. Ich bin gefährlich."
Irgendwo in mir beginnt eine Alarmglocke zu schrillen, etwas was seit Monaten nicht passiert ist.
"Ich bin gefährlich für diejenigen, die dir etwas antun wollen, für diejenigen, die dir etwas angetan haben und für diejenigen, die es auch nur versuchen", fährt er fort und ich fühle unwillkürlich Erleichterung in mir aufsteigen. Gleichzeitig spüre ich aber ein weiteres Mal dass Jim mir etwas verschweigt. Und es ist etwas wichtiges.
"Okay", antworte ich jedoch und lächle leicht. Jim erwidert das Lächeln, doch dann wandert sein Blick zu etwas, was hinter mir passiert und das Lächeln verschwindet. Sein Griff um meine Hand wird fester und er wirkt plötzlich sehr aufmerksam.
"Wir müssen weg", sagt er nüchtern und ich drehe mich herum. Drei Männer fallen mir ins Auge, zwei von ihnen kommen mir bekannt vor, der Dritte jedoch ist mir fremd.
"Das sind die Männer die mich in meiner Wohnung überfallen haben", sage ich leise und fühle Angst in mir aufsteigen.
"Und ihr Boss", murmelt Jim.
Die Männer schauen uns direkt an und mein Freund zieht mich energisch mit sich zum Ausgang.
"Warum sind die hier?", frage ich, doch ich bekomme keine Antwort. Stattdessen ziehen wir uns unsere Schuhe wieder an, geben die Schlittschuhe ab und eilen so schnell es geht weg von der Eisfläche.
"Jim?"
Noch immer gibt er mir keine Antwort, aber sein Gesicht ist grimmig und er quetscht meine Hand beinahe. Mittlerweile ist es schon dunkler geworden und alles bekommt einen bläulichen Schimmer.
An Jims Auto lässt er mich endlich los und kramt nach seinem Autoschlüssel, da kommt Sebastian plötzlich zu uns.
"Sie haben ein Auto und sind jederzeit bereit euch zu folgen", sagt er ernst zu Jim und der hält inne. Sein Blick huscht zu mir, aber dann schaut er seinen Bodyguard an.
"Du nimmst das Auto und führst sie auf eine falsche Fährte, währenddessen nehmen Melody und ich den Bus."
Verwirrt und irgendwie hilflos stehe ich daneben und versuche nicht in Panik auszubrechen. Okay, die Männer wollen uns etwas antun, aber warum zur Hölle sagt Jim mir nichts?
"In Ordnung", bestätigt Sebastian und nimmt den Autoschlüssel von Jim entgegen. Er steigt ein und startet den Motor, da packt Jim mich am Arm und zieht mich mit sich bis ich von alleine weiterlaufe.
"Jim, was genau ist hier eigentlich los?", frage ich während ich versuche mit seinen Schritten mitzuhalten. Wir eilen durch Gassen und Straßen auf denen niemand zu sehen ist in irgendeine Richtung und unsere Schritte sind laut und deutlich zu hören.
"Die Männer sind wegen uns hier", antwortet Jim knapp und ich könnte schreien vor Wut. Das Gefühl nichts zu wissen ist nervtötend.
"Das war mir auch schon klar, aber warum?", hake ich weiter nach und dieses Mal scheint er meinen aggressiven Unterton zu bemerken.
"Vermutlich wollen sie uns töten."
"Töten? Warum sollte das einer tun?"
Daraufhin schaut Jim mich nur seltsam an, doch er antwortet nicht. Und danach ist das auch nicht mehr möglich, denn wir treten urplötzlich auf eine helle, belebte Straße und Jim führt uns zur nächsten Bushaltestelle. Schnell überfliegt er den Plan und schaut auf die Uhr, dann hellt sich seine Miene auf.
"Wir haben Glück, in zwei Minuten kommt ein Bus, der bei dir in der Nähe hält."
"Ist ja toll", murmele ich und Jim nimmt behutsam meine Hand.
"Tut mir leid."
Er sagt nicht was ihm leidtut oder warum, aber allein diese Worte von ihm zu hören erleichtert mich irgendwie. Denn jetzt ist er wieder mein Jim, und nicht der ernste, seltsame von geradeeben.
"Manchmal bist du wirklich gruselig", sage ich leise und lehne meinen Kopf gegen seine Schulter.
"Ich weiß", antwortet er ebenso leise, da kommt unser Bus und wir steigen ein. Jim bezahlt für sich, ich habe eine Busfahrkarte, dann setzen wir uns auf zwei freie Plätze. Im Bus ist es warm und laut, und Jim schaut missmutig drein.
"Ich hasse Bus fahren", murmelt er und ich stupse ihn in die Seite.
"So schlimm ist es doch gar nicht."
Und genau in diesem Moment beginnt ein Baby lauthals zu schreien.

~~~

Etwas mehr als eine halbe Stunde später sitzen wir bei mir zu Hause und Jim schreibt mit Seb.
"Er hat die Kerle abgehängt, die dürften uns nicht mehr in die Quere kommen", informiert er mich und ich lächle kurz während ich mich an Jim kuschele.
"Gut."
Er legt einen Arm um mich und seufzt leise.
"Und was machen wir jetzt?"
"Wir schauen einen Film", bestimme ich und greife nach der Fernbedienung. Nach kurzem Suchen habe ich etwas auf einem der Kanäle gefunden mit dem Jim auch einverstanden ist und wir beide schauen den Film. Er sitzt seitlich auf dem Sofa, ich zwischen seinen Beinen, und ich lehne mich gegen ihn, den Kopf auf seiner Brust. Seine Arme liegen auf meinem Bauch und ich streiche über seinen Handrücken.
"Ach ja, das mit dem Schlittschuhfahren... das hat mir sehr gefallen. Trotz der Typen da und Henry", sage ich nach einer Weile Schweigen und drehe den Kopf um Jim anzusehen, was aber nicht so gut klappt. Er lächelt und gibt mir einen Kuss auf die Schläfe, dann antwortet er:
"Gern geschehen. Mir hat es auch Spaß gemacht."
Danach schweigen wir wieder und schauen den Film, bis mir irgendwann die Augen zufallen und ich einfach einschlafe. Auf dem Sofa, angelehnt an Jims Brust.

***


Halli-hallo, da bin ich wieder :3 Riesen Dankeschön an euch
Knackt ihr einfach mal die 2K reads XD Ich bin stolz auf euch :)
Hoffentlich gefällt euch dieses Kapitel genauso gut wie mir ^^

See you ♡

Moriarty In Love Donde viven las historias. Descúbrelo ahora