20. Probleme

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Zwei Stunden später werden die beiden Männer in zwei Krankenwagen geladen und ein Polizist befragt mich und Jim. Wir stehen vor dem Haus und ich verlagere mein Gewicht nervös von einem Fuß auf den anderen.
"Kann ich denn jetzt in meine Wohnung zurück?", erkundige ich mich bei dem jungen Polizisten und der schaut unsicher auf zu einem Mann hinüber, der nun auf uns zukommt.
"Guten Tag, mein Name ist Greg Lestrade, ich bin der verantwortliche Inspector für diesen Fall."
Er reicht mir und Jim jeweils kurz die Hand und wendet sich dann an mich. Seine kurzen Haare sind schon etwas grau, aber er wirkt dennoch recht jung, so um die Mitte Dreißig.
"Misses Grand, ich fürchte sie können nicht zurück in ihre Wohnung. Diese zwei Herren, die sie so wirksam ausser Gefecht gesetzt haben, sind gesuchte Auftragskiller. Wir vermuten, dass irgendjemand ihren Tod will und sie deshalb bei sich zu Hause nicht sicher sind."
"Oh. Heißt das, ich sollte am besten umziehen?"
"Ja, das wäre das beste. Falls sie Unterstützung finanzieller Art benötigen wird ihnen der Staat helfen."
"Mhm, danke."
Der Staat hat mir noch nie geholfen. Der Inspector nickt kurz und wendet sich dann ab, seine Arbeit ist getan. Seltsamerweise bin ich nicht wirklich geschockt darüber dass mich jemand töten will, sondern ich überlege was ich jetzt tun soll. Ich habe keine Freundin bei der ich für die Zeit, in der ich noch keine Wohnung habe, unterschlüpfen kann und ein Hotelzimmer ist zu teuer für mich. Dann wäre da noch der Umzug und die damit verbundenen Kosten.
"Ich werde mir einen neuen Job suchen müssen", murmele ich abwesend.
"Und ich brauche eine neue Wohnung. Gott, wie soll ich das alles denn schaffen?"
Verzweifelt vergrabe ich mein Gesicht in den Händen und atme tief durch.
"Ähm, Mel?"
Jim stupst mich an und ich hebe den Kopf wieder.
"Unter normalen Umständen würde ich dir anbieten, dass du vielleicht bei mir wohnen könntest, aber ich glaube, das ist noch zu viel für dich."
Ausdruckslos starre ich ihn an. Ich habe mit ihm noch nicht über das gesprochen was geschehen ist. Über seine Art wie er mit den Männern gesprochen hat, wieso sie ihn kennen sollten. Über seine Augen und wie er so gut kämpfen kann.
"Aber du könntest, bis du eine eigene Wohnung hast, bei mir wohnen, also wirklich nicht lange."
Er hebt fragend eine Augenbraue und wartet offensichtlich auf eine Antwort von mir. Irgendwie bin ich gerade nicht wirklich fähig zu denken, seine Worte dringen nicht ganz zu mir durch und ich höre mein eigenes Atmen überdeutlich. Gedämpft bekomme ich mit, wie die Wagen der Polizei abfahren, wie Jim meinen Namen sagt und mich sacht rüttelt. Ich versuche zu sprechen, doch da wird mir schwindelig und ich wanke. Energisch schüttele ich den Kopf, doch die Welt dreht sich weiter im mich herum und ich höre Jim wie aus weiter Ferne. Ein nervtötendes Piepsen setzt sich in meinen Ohren fest und ich kneife die Augen zusammen. Ich will nicht in Ohnmacht fallen, auf gar keinen Fall will ich das. Nicht vor Jim.
Mit tiefen Atemzügen versuche ich mich wieder zu beruhigen, bis das Piepsen verschwindet und auch der Schwindel verfliegt.
"Jim, ich muss mich hinsetzen", murmele ich und Jim kann gerade noch verhindern dass ich einfach in mich zusammenfalle, dann sitze ich auch schon auf dem rauen, kalten Steinboden und Jim kniet neben mir.
"Hey, ganz ruhig, das ist normal. Ganz tief und ruhig atmen, kein Stress."
Sein beruhigender Tonfall zeigt tatsächlich Wirkung, ich befolge seine Anweisungen und bald geht es mir besser. Doch dann erinnere ich mich intensiv an den Kampf, an die Männer und dass sie mich gesucht haben. Ausgerechnet mich.
Plötzlich flammt Wut in mir auf. Ich will nicht schwach sein, will mich nicht von solchen Männern einschüchtern lassen. Nicht schon wieder.
"Warum immer ich?", frage ich wütend, und bemerke die Schwäche meiner Stimme. Das stachelt mich nur noch mehr an und ich balle eine Hand zur Faust.
"Warum immer ich!?", frage ich nun lauter, ziehe die Knie an die Brust und mache mich ganz klein. Tränen der Wut laufen mir über die Wangen und ich beginne zu zittern vor Anspannung. Jim versucht mich zu beruhigen.
"Melody, ganz ruhig-"
"Nein! Warum muss immer dann wenn es mir gut geht, das Leben so ein Arschloch sein und mir alles kaputt machen?! Warum?!"
Nun schreie ich, springe auf und renne ins Haus und die Treppen hoch. Ich stürme in meine Wohnung und von da aus in mein Zimmer. Wütend reiße ich die Schranktür auf, hole meinen Koffer heraus und schmeiße ihn aufs Bett. Da bemerke ich den Schmerz in meiner Seite und zucke zusammen. Ich lasse mich auf mein Bett sinken und halte mir keuchend die Seite. Meine Wut verraucht so schnell wie sie gekommen ist und lässt mich alleine, enttäuscht und ernüchtert zurück. Anscheinend hat das Schicksal, falls es so etwas gibt, für mich vorgesehen dass mir immer alles kaputtgemacht wird.
Dumpfe Kälte breitet sich in mir aus und ich werde ganz ruhig, berechnend. Wut hilft mir nicht weiter, genauso wenig wie Panik oder verzweifelt auf dem Bett sitzen.
Langsam klären sich meine Gedanken wieder und ich kann endlich wieder sehen, was ich tun muss. Erstmal alles packen. Jim hat mir angeboten bei ihm für eine Weile zu wohnen, falls das Angebot noch steht werde ich es annehmen. Solange ich es aushalte. Dann werde ich mich nach einem neuen, besseren Job umschauen, wenn ich den gefunden habe, werde ich den alten kündigen, Kredit aufnehmen und in eine neue Wohnung ziehen. Dann kann ich weitersehen.
Ich nehme einen tiefen Atemzug, stehe vorsichtig auf und gehe zum Schrank.
Ich bin gerade dabei zu packen, als ich die Haustüre, die ich nicht geschlossen habe, höre und wie jemand hereinkommt.
"Melody?", ruft Jim und geht langsam durch den Flur. Ich lege das, was ich gerade in der Hand habe, in den Koffer und trete dann auf den Flur.
"Ach da bist du", meint er als er mich sieht und lächelt kurz, dann runzelt er die Stirn.
"Wie geht es dir?"
Ich zucke mit den Schultern.
"Den Umständen entsprechend", antworte ich und schaue ihn bewusst nicht an. Unwillkürlich erinnere ich mich an den Kampf und wie eiskalt Jim da war. Ich will ihn unbedingt fragen was das sollte, aber ich glaube nicht dass ich darauf eine Antwort bekommen werde.
"Entschuldigung dass ich dich so angeschrien habe."
"Kein Problem. Jeder hat irgendwann einmal das Bedürfnis zu schreien."
Er kommt näher, versucht meinen Blick aufzufangen.
"Sicher dass alles okay ist?", hakt er nach, da schaue ich ihm in die Augen. Das, was er sieht, scheint ihm deutlich zu machen wie es mir tatsächlich geht.
"Mein ganzes Leben ist zerstört, schon wieder. Das dritte, nein, das vierte Mal. Ich habe dich getroffen, habe etwas getan was ich nie für möglich gehalten hätte, ich habe mich mit dir angefreundet und in dir den besten Freund gefunden den ich haben kann. Ich war glücklich, habe seit Jahren wieder mich sorglos gefühlt. Und dann kommen diese... Männer und machen alles zunichte. Ich muss umziehen, das Leben, was ich jetzt habe, wieder umkrempeln und nochmal von vorne anfangen. Dabei verhindern dass ich wieder Drogenabhängig werde oder wieder Panik vor Männern bekomme, echt, super. Man müsste meinen, ich wäre sowas inzwischen doch gewohnt. Und zu allem Überfluss will irgendjemand, von dem ich absolut keine Ahnung habe wer das ist oder warum er mich töten will, mir an den Kragen und ich habe keine Chance. Mir geht es echt genial, Jim."
Ich schnaube und gebe ein ersticktes, unechtes Lachen von mir. Jim schaut ernst und kommt noch näher auf mich zu.
"Lass mich dir helfen", sagt er leise und streckt seine Hand nach mir aus.
"Das versuche ich", erwidere ich, ergreife nach kurzem Zögern seine Hand und lasse mich zu ihm ziehen. Für einen Moment sieht es so aus, als wolle Jim sich zu mir hinunterbeugen und mich küssen, doch dann hält er sich zurück und tarnt es als eine Umarmung. Ich sage nichts dazu sondern erwidere nur die Umarmung, obwohl mein Herz für einen Moment lang gehüpft ist vor Freude. Doch andererseits bin ich auch froh dass nichts derartiges passiert ist, denn in meiner jetzigen Situation fühle ich mich nicht mehr zurechnungsfähig.
"Ich danke dir Jim. Du weißt gar nicht wie dankbar ich dir bin."
"Doch ich denke schon."
Da lache ich leise und löse mich von ihm. Es tut gut ihn um mich zu haben.
"Als ob. Komm, du kannst mir helfen."
Ich gehe wieder in mein Zimmer und packe meinen Koffer weiter, mit der Hilfe meines Freundes. Denn das ist Jim, mein Freund.

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So, das dritte und letzte Kapitel für heute xD Es geht mir schon besser, und nach heute geht es normal weiter :3 Viel Spaß beim lesen.

Moriarty In Love Where stories live. Discover now