42. Frühstück zu zweit

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Mit geschlossenen Augen und einem Lächeln auf den Lippen liege ich am nächsten Morgen in meinem warmen Bett. Um mich herum ist es hell und ruhig, und eben diese Ruhe ist auch in mir. Der Geruch meiner eigenen Wohnung ist mir vertraut, auch wenn man merkt dass eine Woche lang niemand hier war. Glücklich drehe ich mich auf den Rücken und öffne die Augen. Einen Moment bleibe ich noch liegen, dann stehe ich auf und mache mich langsam fertig.
Nachdem ich geduscht und mich angezogen habe, lüfte ich kurz in der ganzen Wohnung und packe danach meinen Koffer aus. In meinem Badezimmer habe ich seit neuestem eine Waschmaschine und die kommt jetzt besonders zum Einsatz.
Schließlich bin ich fertig mit dem Auspacken, aber nun habe ich Hunger. Zu blöd dass heute Sonntag ist, denn ich habe natürlich nichts zu essen hier. Nur ungeöffnete Marmeladen und andere lang haltbare Brotaufstriche. Aber kein Brot.
Plötzlich klingelt mein Handy und ich hole es aus der Tasche meiner Jacke. Während ich es ans Ladekabel schließe, lese ich die Nachricht von Jim.

Jim: Hey :D Soll ich vielleicht irgendetwas mitbringen? Bin gerade an einer Bäckerei ^^

Da muss ich grinsen. Als hätte er meine Gedanken gelesen oder einen Blick in meinen leeren Kühlschrank geworfen.

Me: Sag mal, warst du bei mir zu Hause? O.o Genau das was ich brauche xD Am besten Brötchen oder so etwas, vielleicht auch Käse, falls die so etwas haben. Es sei denn du willst nur Marmelade essen :3

Jim: Ich schau mal was ich machen kann ;)

Mit einem leisen Lachen lege ich mein Handy weg, gehe ins Wohnzimmer und mache mir Musik an. Gut gelaunt beginne ich Sachen für ein spätes Frühstück vorzubereiten, dann schaue ich bei Jenny und Tom vorbei um mich bei den Beiden zu bedanken.
"Seit wann bist du denn wieder da?", erkundigt sich Tom an der Tür.
"Seit gestern Abend", antworte ich und bemerke seinen besorgten Gesichtsausdruck.
"Okay. Weil vor zwei Tagen jemand bei dir eingebrochen ist. Soweit wir das beurteilen können ist nichts gestohlen worden und die Polizei konnte nichts feststellen. Der Inspector meinte das seien Profis gewesen, und er hat dir seine Visitenkarte in den Briefkasten geworfen, falls doch etwas weg sein sollte."
Geschockt schaue ich ihn an und schlucke.
"Oh. Danke. Dann schaue ich am besten gleich mal nach."
"Mach das. Bis demnächst."
"Tschüß."
Tom schließt die Tür und ich gehe nachdenklich die Treppen hinunter zum Briefkasten. Profis sind bei mir eingebrochen... aber haben nichts gestohlen. Also waren sie hinter etwas bestimmten her, oder einer Person. Hinter mir.
Bei dem Gedanken läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter und meine Hände beginnen leicht zu zittern.
In meinem Briefkasten liegen recht wenige Briefe, hauptsächlich Werbung, aber auch ein Kuvert vom Scotland Yard. 
Schnell gehe ich wieder nach oben und schließe die Wohnungstür hinter mir. Die Musik, die aus dem Wohnzimmer dringt, beruhigt mich ein wenig, aber unwillkürlich schaue ich ob ich etwas Auffälliges entdecke. Doch alles wirkt normal.
Halbwegs erleichtert schaue ich die Briefe durch und entsorge die Unwichtigen. Übrig bleibt nur der Brief vom Scotland Yard. Ich lese ihn kurz durch, es sind hauptsächlich die Informationen die Tom mir schon gegeben hat, zusätzlich zu den Ergebnissen der Polizei. Im Umschlag steckt auch noch die besagte Visitenkarte:
Detective Inspector Greg Lestrade.
Darunter steht eine Telefonnummer, und wie bei jeder Nummer, die ich bekomme, speichere ich sie sofort in mein Handy ein. Mittlerweile konnte ich mich dazu durchringen die irrelevanten Nummern zu löschen, sodass nur die Nummern von Jim, Katie, neuerdings auch Sebastian, Clary, Steffi, Kenia, und nun Inspector Lestrade übrig bleiben. War das nicht der Inspector, der mich befragt hat nachdem diese Männer in meine Wohnung eingedrungen sind? Weswegen ich umziehen musste? Vielleicht hängen beide Vorfälle ja zusammen...
Energisch schiebe ich diese Überlegungen weg, lege den Brief auf Seite und beginne mir einen Tee zu machen. Tee habe ich vermisst, guten, alten, britischen Tee, und nicht die komische Brühe in Amerika. Zumindest habe ich keinen guten Tee in der einen Woche gefunden.
Leise seufzend genieße ich den Geruch der getrockneten Blätter in der Dose und stelle meinen alten Wasserkocher auf den Herd.
Gerade gieße ich das heiße Wasser in die Teekanne, als es an der Tür klingelt. Mein Herz macht einen freudigen Sprung und ich gehe um aufzudrücken. Kurz horche ich ins Treppenhaus auf die Schritte, dann gehe ich wieder in die Küche um den Tee fertig zu machen.
Kurze Zeit später öffnet sich die angelehnte Wohnungstür ganz und jemand kommt herein.
"Hey Jim", mache ich auf mich aufmerksam und mein Freund kommt in die Küche.
"Ui, Frühstück", meint er und ich schaue grinsend zu ihm. Anscheinend hat er seine schwarzen Haare heute nur ein bisschen gekämmt, aber bei ihm sieht das immernoch gut aus.
Er stellt eine kleine Tüte auf die Ablage und zieht sich seine Jacke aus. Darunter trägt er einen dunkelblauen Pulli, statt wie sonst ein Hemd oder sowas.
"Hi", begrüßt er mich, legt mir von hinten seine Hände an meine Taille und gibt mir einen Kuss auf die Wange. Ich lächle glücklich als ich seinen vertrauten Geruch rieche und die Wärme seines Körpers hinter mir spüre. Gleichzeitig bekomme ich auch eine Gänsehaut, so schön ist das Gefühl, und bin in diesem Moment froh dass ich ein langärmeliges Sweatshirt trage.
"Ich hoffe du magst Marmelade", meine ich lachend und drehe mich zu ihm herum. Jim schaut auf den Tisch und lacht auch. Fünf verschiedene Marmeladen stehen da und ich weiß nicht einmal wo ich die her habe.
Doch dann sieht er mich wieder an und grinst. Wir sind uns ganz nah und er hat noch immer seine Hände an meiner Taille, aber das stört mich nicht im Geringsten. Unwillkürlich halte ich den Atem an als Jim näher kommt und unsere Lippen sich schließlich berühren. Ich werde mich nie daran gewöhnen.
Vorsichtig lege ich meine Arme um seinen Hals und erwidere den Kuss.
Nach einer gefühlten Ewigkeit lösen wir uns wieder und ich atme wieder ungehindert durch. Hatte fast vergessen dass man das muss.
"Das wollte ich schon sehr lange machen", murmelt Jim schmunzelnd und schaut mich warm an.
"Zu dir kommen und dich einfach küssen."
Ich lache und lege ihm eine Hand an seinen Hinterkopf.
"Ach tatsächlich?"
"Jap."
Da ziehe ich ihn wieder zu mir und küsse ihn erneut, doch dieses Mal vergrabe ich meine Hand in seinen Haaren und streiche hindurch.
"Und das wollte ich schon sehr lange machen", sage ich grinsend und er lacht.
"Jetzt habe ich aber Hunger, genug gekuschelt", entscheide ich und zwinkere ihm zu, dann gehe ich zu der Tüte. Darin befinden sich ein paar Brötchen, sowie Käse, Salami und Schinken. Butter habe ich zum Glück noch.
Während ich die Sachen auspacke, entdecke ich eine Zeitung, und das Titelblatt fängt meinen Blick sofort ein. Langsam hole ich sie heraus und falte sie auseinander. Geschockt starre ich auf das Titelblatt:
'Pfarrer brutal ermordet - Täter unbekannt'
"Die Leiche des 67-Jährigen wurde im Hinterzimmer seiner eigenen Kirche gefunden. Der übel zugerichtete Körper gehört zu dem Pfarrer, der bereits in mehreren sexuellen Übergriffen gegen junge Mädchen verdächtigt wurde. Sachdienliche Hinweise sind sofort an die Behörden weiterzuleiten", lese ich murmelnd den kurzen Text. Im Innern der Zeitung ist ein detaillierterer Artikel, aber das Foto unter der Schlagzeile reicht mir vollkommen: ein Foto des Mannes, bevor er ermordet wurde. Erleichterung, Freude, Genugtuung aber auch Erinnerungen überschwemmen mich und ich spüre wie mir Tränen in die Augen steigen. Ob es Freuden- oder Schmerztränen sind kann ich nicht sagen.
"Melody?", fragt Jim mich mit Sorge in der Stimme, gemischt mit noch etwas anderem. Er kommt zu mir und sein Blick fällt auf die Zeitung. Und im selben Moment begreift er es.
"Das ist er... hab ich recht?", fragt er leise und ruhig, aber ich höre die Wut in seiner Stimme.
Ich nicke, zu mehr bin ich nicht fähig. Doch dann muss ich lächeln und erschrecke. Das ist doch nicht richtig, oder? Ich sollte mich nicht freuen, immerhin wurde ein Mensch ermordet. Und doch freue ich mich.
"Hey, Mel. Alles ist okay. Er hat es nicht besser verdient, denk nur daran was er... was er dir angetan hat, und auch noch anderen. Es ist in Ordnung sich zu freuen", beruhigt Jim mich und berührt mich sanft am Arm.
Irgendwas in seiner Stimme überzeugt mich von der Richtigkeit seiner Worte.
"Du hast Recht. Es ist nur... ich frage mich wer das getan hat. Wahrscheinlich würde ich ihm - oder ihr - danken."
Ich wische mir die Tränen aus den Augen und lege die Zeitung weg. Dann schneide ich die Brötchen auf und wir setzen uns zum Frühstück hin. Jim hat sich einen Kaffee mitgebracht, während ich meinen Tee trinke.
"Warum magst du eigentlich keinen Kaffee?", erkundigt er sich und ich zucke mit den Schultern.
"Keine Ahnung, ich mag ihn einfach nicht."
"Wie kann man nur keinen Kaffee mögen..."
Fassungslos starrt Jim auf seinen Pappbecher und nimmt noch einen Schluck.
"Ohne Kaffee wäre ich schon oft und lange am Ende."
Ich lache.
"Kannst es ja mal mit Energy-Drinks versuchen", schlage ich vor und er schüttelt hektisch den Kopf.
"Das musste ich mal, nie wieder! Ich aufgedreht und hyperaktiv bis zum Geht-Nicht-Mehr, drei Tage lang! Sebastian verflucht dieses Zeug noch immer. Außerdem habe ich an den drei Tagen so viele schwachsinnige Entscheidungen getroffen, es hat Wochen gebraucht um das wieder hinzubekommen..."
"Das hätte ich nur zu gerne gesehen", meine ich lachend und Jim grinst.
"Lieber nicht. Meine damalige... Freundin hat sich tagelang beschwert."
Er trinkt seinen Kaffee aus und als wir mit frühstücken fertig sind hilft er mir beim aufräumen.
Ich habe schon ganz vergessen dass die Musik im Wohnzimmer noch immer läuft, aber nun gehen wir dahin und Jim beginnt plötzlich zu dem ChaCha zu tanzen. Grinsend nimmt er meine Hand.
"Na komm, mach mit!"
Schmunzelnd folge ich seinen Schritten und verdränge den Zeitungsartikel aus meinen Gedanken. Ich glaube genau das will Jim damit bewirken. 

Moriarty In Love Where stories live. Discover now