55. Rache

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Stunden später bin ich wieder alleine in meiner Zelle und weine still vor mich hin. Der Mann, dessen Namen ich noch immer nicht weiß, hat seine Drohung wahr gemacht: meine Nase blutet, ich habe eine Platzwunde kurz überm Auge und mindestens zwei Zähne in meinem Mund sind locker. Ich fühle mich wie damals, als meine Schulkameraden mich verprügelt haben, nur schlimmer, weil es dieses Mal darum geht dass ich jemanden verraten soll den ich liebe.
Trotz der Schläge habe ich nichts gesagt, weder ob ich etwas weiß, noch dass ich eigentlich nichts weiß. Jim hat ja alles vor mir geheim gehalten, genaugenommen weiß ich also gar nichts von dem was der Mann wissen will. Aber das lasse ich ihn nicht wissen, denn das wäre mein Tod. Jedoch hat er gedroht andere Methoden aufzufahren als rohe Gewalt, und das macht mir Angst. Verdammt, er kennt meine Vergangenheit, er weiß wovor ich am meisten Angst habe. Ich will das nicht nochmal durchmachen.
Plötzlich geht hinter mir die Tür auf und ich zucke zusammen als die Schritte um mich herum gehen. Ängstlich kneife ich die Augen zusammen und erwarte schon wieder die Stimme des Mannes zu hören, der sich nun anscheinend vor mich hinkniet.
"Ich tu dir nichts Melody", sagt da eine sanfte Stimme und ich reiße die Augen auf.
"Henry?"
Der blonde Mann schaut mich mitfühlend an und nickt.
"Ja, ich bins."
Fassungslos starre ich ihn an, dann werde ich wütend und traurig zugleich.
"Du gehörst also zu denen?", frage ich mit einem bitteren Beigeschmack. Der könnte aber auch von den Verletzungen meiner Unterlippe stammen.
"Ja, aber ich habe dich nicht entführt."
"Genau, du hast nur versucht mich umzubringen."
"Falsch, ich habe versucht dich von Jim zu trennen, und als das nicht funktionierte musste ich dich töten. Und da ich auch da versagt habe bist du jetzt hier und sollst uns Informationen geben", berichtigt er mich hart  und ich zucke zurück.
"Ich sage aber nichts."
Da berührt Henry mich sanft am Bein und sein Blick wird weicher.
"Du liebst ihn wirklich, nicht wahr?"
Ich nicke und Henry seufzt.
"Melody, es tut mir leid dir das sagen zu müssen, aber er liebt dich nicht. Seit du hier bist hat er sich nicht gemeldet, obwohl wir ihm eine Nachricht hinterlassen haben."
Seine Worte verletzen mich, da ich weiß dass er recht hat. Gleichzeitig brennt mir aber eine Frage auf der Zunge.
"Wer sind 'wir'?"
"Mein Boss und seine Leute, zu denen auch ich gehöre. Wir sind ein Verband von Auftragskillern und Kriminellen, und arbeiten für den Boss. Er ist übrigens der weißhaarige Kerl und er tut alles um James Moriarty zu verletzen und schließlich zu töten."
"Und da soll ich ihm bei helfen?", frage ich ihn und kann ein Schnauben nicht zurückhalten.
"Das hat keiner gesagt", antwortet Henry und seufzt.
"Sag uns doch einfach was du über Jim weißt, dann lassen wir dich gehen und du siehst uns nie wieder."
"Weißt du wie du dich anhörst? Wie Gollum! Und ich glaube dir nicht, ihr tötet mich doch sowieso, egal was ich sage."
"Mag sein. Allerdings will ich dich vor dem bewahren was mein Boss mit dir vorhat falls du weiterhin schweigst."
"Ach, jetzt willst du mir auf einmal helfen, nachdem du erst versucht hast mich umzubringen? Wenn ich gefesselt auf einem Stuhl sitze, gefoltert wurde und wahrscheinlich sowieso sterbe? Nein danke, ich brauche deine Hilfe nicht!", zische ich wütend.
"Warum bist du eigentlich so geworden? Wieso hast du entschieden Leute zu ermorden sei besser als sie am Leben zu lassen?"
"Weil man mir keine andere Wahl ließ", gibt Henry kalt zurück und steht auf.
"Es gibt immer eine Wahl, Henry. Du kannst immer das richtige tun, nur ob es das leichteste ist, weiß man nicht. Aber solange du das nicht einsiehst will ich deine Hilfe nicht."
"Dann halt nicht. Auf Wiedersehen Melody."
Mit diesen Worten geht er wieder aus dem Raum und lässt mich ganz alleine hier. Er schaltet auch noch das Licht aus und nun sitze ich, gefesselt, in dieser kalten, dunklen Zelle.

~~~

Ich weiß nicht wie lange ich gewartet habe bis die Männer wiederkommen, aber ich habe immer mal wieder geschlafen. Allerdings setzt die Kälte mir ganz schön zu und ich fühle förmlich wie sie mir die Kräfte entzieht. Allzu lange warte ich aber nicht, denn Hunger bekomme ich zwar schon, aber er wird nicht so stark.
Irgendwann kommen tatsächlich einige Leute zu mir, aber bevor ich etwas sagen kann, knebeln sie mich mit einem Tuch und lösen meine Fesseln. Ich bin viel zu schwach und ausgekühlt um mich zu wehren als sie mir die Hände auf den Rücken binden und mich grob auf die Füße zwingen. Stolpernd laufe ich hinter einem Mann her, durch dunkle, kalte Gänge und werde immer mal wieder geschubst wenn ich zu langsam bin. Ich trage nur Socken und spüre meine Füße kaum noch, da kommen wir in einen anderen Raum. Dort wartet bereits der weißhaarige Mann auf uns und ich werde brutal auf einen Stuhl gedrückt. Vor mir steht ein Mann mit einer Kamera auf einem Stativ und ich erstarre. Wollen die mich etwa filmen?

Moriarty In Love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt