Kapitel 28

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Reflex ist so eine Sache. Er ist tief in uns verwurzelt und wir können ihn nicht steuern. Unterdrücken schon gar nicht, oder wenn, dann nur mit Mühe. Mit der Zeit trainieren wir uns aber auch Reflexe an und entwickeln uns so stetig fort.

Als ich an diese Schule kam, hätte ich wahrscheinlich bloß aufgekeucht und erschrocken meine Hände auf die Arme meines Angreifers gelegt und daran gezerrt, wenn mich von hinten jemand umschlungen hält. Fest umschlungen hält. So fest, dass es definitiv auf keine freundschaftliche oder anders positive Weise gedeutet werden konnte.

Jetzt, nach dem wir Weihnachten und Silvester hinter uns gelassen hatten und uns langsam auf den März zubewegten, entdeckte ich völlig neue Reflexe an mir. Als mich nämlich zwei muskulöse Arme umklammerten, holte ich mit meinem Fuß aus, trat dem Unbekannten gegen sein Knie, beugte mich schräg nach vorn, nutzte den Überraschungseffekt und warf meinen Angreifer über meine Schulter auf den Boden. Der Mann vor mir - nun im Dreck liegend - war maskiert, relativ klein für einen Kerl und völlig in schwarz gekleidet. Das alles registrierte ich im ersten Bruchteil einer Sekunde, ehe ich ausholte, ihm gegen den Schädel trat und mich dann schleunigst aus dem Staub machte.

Ich fuhr herum und sah Jason mit zwei anderen Maskierten kämpfen. Die Statur beider ließ darauf schließen, dass beide männlichen Geschlechts waren. Das nahm ich in der nächsten Sekunde war.

In der darauf ließ ich meinen Blick schweifen und bemerkte, dass wir im Wald waren, keiner würde uns hören. Wir waren allein. Sofort fuhr ich wieder zu Angreifer Nr. 1 herum, der jetzt aufsprang und mich wütend musterte. Er stürmte vorwärts in meine Richtung und aus einem weiteren Reflex heraus, begab ich mich in Kampstellung und sah seinen ersten Schlag schon kommen. Ich wehrte ihn ab und duckte mich schon vor dem zweiten. Wir waren hier nicht mehr im Unterricht. Diese Leute schlugen auch ins Gesicht. Diese Leute, hörten auch nicht einfach so auf. Diese Leute waren schon vollends ausgebildet.

Angsterfüllt wich ich weiter zurück. Defensive, sagte ich mir, ist derzeit mein bester Freund. Ich hörte Jason ächzten, als er am anderen Ende der Lichtung sein Bestes gab und da wusste ich, ich konnte jetzt hier nicht auf verängstigtes Mädchen machen.

Als Angreifer Nr. 1 wieder ausholte, packte ich sein Handgelenk, zog ihn mit einem Ruck zu mir heran, währen ich mich zur Seite drehte. Im nächsten Moment boxte ich ihn in den Magen und er krümmte sich zusammen. Ich verbot mir, mich jetzt im Erfolg zu suhlen und trat ihm gleich gegen das andere Knie, ehe er mich zu packen bekam und mich hochhob. Er machte eine Drehung, schleuderte mich im Halbkreis und ich knallte gegen einen nahen Baum. Ich blieb liegen und sah doppelt. Warmes Blut floss mir an der Schläfe entlang. Ich konnte mich nicht rühren und lag einfach nur da. Mir war schwindlig und ich schloss die Augen. Ich blinzelte nur noch durch kaum geöffnete Lider hindurch.

Mein Angreifer dachte anscheindend, ich sei ohnmächtig und wandte sich deshalb von mir ab. Jason hatte sich jetzt schon gut in die Mitte vorgearbeitet und bemerkte noch gar nicht, dass ich am Boden lag. Typ Nr. 1 reihte sich in den Kampf mit ein und Jason kam deutlich ins Schwitzen. Dennoch behauptete er sich gut, aber man sah, dass er nicht ewig wo weiter machen konnte.

Und als ich so am Ende des Baumes, zwischen halb herausragenden Wurzeln lag, fiel mir das ein, was Mr. Miller im Observierungsunterricht immer predigte. Was die erste, einfachste und doch wichtigste Regel im Agenten-Dasein ist: Dinge bemerken. Wissen erlangen.

Wissen ist eine mächtige Waffe. Und wenn Sie Wissen haben, Wissen über ihren Feind, dann werden Sie immer voraus sein., dröhnte mir Mr. Millers Stimme durch den Kopf. Also ließ ich meinen Blick schweifen.

Jason geriet allmählich in Straucheln und war dabei unterzugehen, doch ich zwang mich nicht auf ihn zu achten. Denk, Kate, denk!

Angreifer Nr. 2 war der größte, aber auch der dünnste. Er hatte einen Pferdeschwanz, der unter seiner Maske hervorschaute. Angreifer Nr. 3 hinkte leicht und Angreifer Nr 1 schlug am härtesten zu. Bei seinen Schlägen zuckte Jason am meisten zusammen. Alle trugen sie schwarz. Angreifer Nr. 3 hatte sogar eine Waffe. Seine Hose machte über dem Steiß eine Waffenähnliche Wölbung.

Schau über den Tellerrand drüber hinaus!, befahl ich mir und scannte jetzt auch unsere Umgebung ab. Wir waren im Wald. Auf einer Lichtung. Ich sah nach oben. Äste. Ich sah wieder zurück. Die Typen beachteten mich nicht. Also tat ich das, was ich am besten konnte. Ich verschwand.

Leise rappelte ich mich auf. Meine Wunde blutete nicht mehr so stark und unter Auferbietung all meiner Kräfte schwang ich mich auf einen Ast. ich kletterte höhher und versuchte an den nächstbesten Baum zu gelangen, der bei Jason war. Just in diesem Moment, blickte er sich kurz um und ich sah wie seine Augen sich weiteten.

"Kate!", rief er laut und auch die anderen Typen saheh sich kurz um. Das kämpfende Knäuel lockerte sich auf. Das war meine Chance. Ich machte mich bereit und sprang im nächsten Moment auf Angreifer Nr. 3 und schlug ihn mit meiner Handkante gegen den Hinterkopf. Zum Glück hatte ich getroffen, denn er sackte bewusstlos zusammen und ich stolperte ihm letzten Moment von ihm herunter. Doch ich nahm mir keine Zeit, um zu verschnaufen, sondern fuhr sofort herum. Mit dem mitgeführten Schwung trat ich Angreifer Nr. 2 gegen das Knie und als er leicht schwankte, wusste ich, ich hatte das Verletzte getroffen.

Plötzlich spürte ich Jason an meinem Rücken und so kämpften wir Rücken an Rücken mit den restlichen zwei. Jason parierte hervorragend und auch ich gab mein Bestes.

Aus völliger Verzweifelung heraus holte ich aus und trat meinem Gegner in seine Weichteile, er sackte zusammen und ich wandte mich sofort ab. Ohne zu zögern, lief ich zu dem nun bewusstlosen Angreifer und schnappte mir seine Pistole. Augenblicklich fuhr ich herum.

"Halt! Keiner bewegt sich, oder ich schieße!", brüllte ich und hielt die geladene Waffe vor mich. Die zwei Spione hörten auf und sahen mich an.

"Süße, das traust du dich doch eh nicht.", höhnte einer. Ohne nachzudenken schoss ich ihm in den Oberschenkel. Oder wollte ich zumindest. Es knallte zwar laut und einen Rückstoß gab es auch, aber es gab keine klaffende Wunde an seinem Bein.

"Platzpatronen!", fluchte Jason und wollte sich sofort wieder auf die zwei Typen stürzen. Doch diese schubsten ihn grob zur Seite, verpassten auch mir noch einen heftigen Stoß, schnappten sich ihren dritten Mann und verschwanden im Unterholz.

Sofort preschte Jason ihnen hinterher, während ich zu Boden sank. Durch den Stoß des einen war ich wieder gegen einen Baum geknallt und ich spürte, dass das Blut wieder floss. Mühsam presste ich mir meine Hand auf die Wunde. Ich rappelte mich auf und war ziemlich schwach auf den Beinen.

Durch die Bäume sah ich Jason wiederkommen, er sah ziemlich wütend aus.

"Jason.", setzte ich an, doch eine Welle des Schwindels erfasste mich und ich konnte mich nicht länger auf meinen Beinen halten. Kraftlos sackte ich zusammen, gerade als Jason mich packte.

"Oh, Katie.", murmelte er und dann wurde alles schwarz.

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