Kapitel 34

28.7K 2.2K 188
                                    

Fliegen. Es fühlte sich wie Fliegen an. Für einen kurzen Moment war ich schwerelos. Ich war frei.

Im nächsten Moment holte mich die Schwerkraft wieder ein und ich sackte einige Meter nach unten, wobei es sich anfühlte, als hinge mein Magen noch im Helikopter.

Ich schrie und dann landete ich wieder im Schotter des Dachs, welcher sich penetrant in meinen Körper bohrte. Verwirrt sah ich mich um und erkannte, dass ich auf dem Dach, 50 Meter von Elyas entfernt, gelandet bin. Er blutete nicht mehr.

Ohne nachzudenken hechtete ich auf ihn zu und kniete mich zu ihn.

"Elyas!", brüllte ich über den pfeifenden Wind hinweg. Er war bewusstlos und antwortete mir nicht.

"Elyas!", rief ich wieder. Ohne zu zögern, holte ich aus un gab ihm eine schallende Ohrfeige.
Und siehe da, es funktionierte.

"Kate!", brüllte er empört und richtete sich ruckartig auf, während er sich eine Hand an die, nun rote, Wange presste. "Spinnst du?"

"Du lebst.", flüsterte ich und fiel ihm blindlinks um den Hals. Erleichtert schluchzte ich auf. Erst dann gestattete ich mir einen Blick gen Himmel und entdeckte den Typen im Hubschrauber, der über uns kreiste und mich finster anstarrte. Wie benommen stand ich auf und starrte zurück.

"Was willst du von mir?", schrie ich ihn an. Zur Antwort machte er einen Satz aus dem fliegenden Objekt und landete leichtfüßig vor mir.

"Das fragst du noch?", lachte er verächtlich und schlenderte leicht, aber dennoch gefährlich auf mich zu. Sein Gang erinnerte an eine Raubkatze. Er begann um mich herum zu laufen, immer im bedächtigen Schritt und ich zischte Elyas nur "Geh zur Tür!" zu und drehte mich mit Angreifer Nr. 2 im Kreis.

Wir waren allein. Der Hubschreiber kreiste zwar noch über uns, aber keiner seiner Leute kam zu ihm. Wir waren allein. Nur er und ich.

"Du musst noch viel lernen.", meinte er schließlich und wir umkreisten uns immer noch. Und dann setzte er erneut zum Angriff über.

Als er vorwärts preschte und nach mir griff, sprang ich reflexartig zurück und duckte mich weg. Plötzlich nahm ich alles um mich herum in Sekundenschnelle auf. Ich realisierte, dass Eylas bei der Tür angekommen war und an ihr zerrte, um sie zu öffnen. Ich entdeckte mein Headset auf dem Boden, halb verscharrt im Schotter. Ich sah das winzige Zucken des Augenwinkels meines Angreifers und bemerkte seine Bewegung, die ein zweites Angriffsmanöver ankündigte. Und noch während ich das sah und ansetzte, um auszuweichen, bemerkte ich gleichzeitig, wie die Tür aufgerissen wurde und Jason hinaus zu uns stürmte.

"Kate!", schrie er und ich drehte mich ohne nachzudenken um, und rannte auf ihn zu.

"Schnappt sie!", brüllte der Pferdeschwanz-Typ und ich hörte den Aufprall, den die Landungen seiner Gefolgsleute verursachten. Ich zwang meine Beine noch schneller zu laufen und der letzte Meter der mich von Jason trennte, sprang ich und fiel ihm so in seine Arme. Dieser packte mich augenblicklich und wirbelte mich herum. Sofort stieß er mich in Jaspers Arme, der hinter ihm stand. Jasper zerrte mich in das Treppenhaus und schubste mich gleich die Stufen hinunter. Währenddessen packte Jason Eylas und schleifte ihn mit. So rannten wir durch das Treppenhaus. Jasper gab die Anweisungen und er zog mich unerbittlich hinter sich her. Seine Hand lag wie ein Schraubstock um mein Handgelenk.

"Jasper", japste ich.

"Still!", knurrte er nur und zum ersten Mal realisierte ich, dass diese Jungs stinksauer auf mich waren. Wir sprinteten weiter und ich hörte, dass man uns noch immer verfolgte.

"Auf die andere Seite.", dirigierte Jason von hinten und Jasper bog im nächsten Moment scharf ab. Ich stolperte hinter ihm her und nur meinem gravierenden Fehler war es zu verdanken, dass ich ihm nicht alle erdenklichen Schimpfwörter an den Kopf warf.

Als wir quasi am anderen Ende der Mall angekommen waren, rannten wir wieder treppauf auf das Dach. Die Verfolger waren jetzt so gefährlich nahe, dass wir sie sahen, wenn wir uns umdrehten.

Gerade als Jasper und ich nach dem Türknauf greifen wollten, stürzte Elyas und Jason hatte Mühe, ihn gerade noch zu halten. Erschrocken drehte ich mich um.

"Schaff sie raus!", zischte Jason und sofort packte mich Jasper mit eisernem Griff und in der nächsten Sekunde stand ich ihm Sonnenlicht der späten Nachmittagsstunden. Jasper zog mich mit und ich erkannte, dass der Helikopter startklar war. Alle saßen darin, bis auf Jessy und Sam, die davor mit Mr. Miller standen.

Als sie uns sahen, sprangen sie in den Hubschrauber und Mr. Miller begab sich hinter das Steuer, um sofort loszufliegen. Bei der Tür angekommen, sprang Jasper hinein und drehte sich wortlos um, um mir hineinzuhelfen. Doch ich blickte über meine Schulter zurück und stellte mit Schrecken fest, dass nur Elyas auf uns zu hechtete.

"Jasper.", flüsterte ich, als ich mich umdrehte und ihn panisch ansah.

"Nein, Kate!", meinte er nur, doch sobald das erste Wort seinen Mund verlassen hatte, fuhr ich herum und lief Elyas entgegen.

"Wo ist er? Wo ist Jason?", schrie ich.

"Er hat mich auf das Dach geschubst. Er kämpft. Kate ich-", sagte er, doch ich ließ ihn nicht ausreden.

"1 Minute! Sag Jasper, er soll uns 1 Minute geben.", rief ich und stürmte an ihm vorbei. Ich rannte bis zur Tür, welche sperrangelweit offen stand. Jason hatte sich schon fast bis zum Türrahmen hindurch gekämpft, doch drei waren eben einer zu viel.

"Hey!", brüllte ich und als der näheste Angreifer sich verblüfft umwandte, holte ich aus und schlug ihm ins Gesicht, dass er Sterne sah. Schnell half ich Jason und wir kämpften, als wären wir eins. Wir ergänzten uns perfekt.

"Was tust du hier?", zischte er, während er uns langsam aus der Tür dirigierte.

"Er hat mir 1 Minute gegeben.", meinte ich nur und wehrte einen Schlag ab. Schließlich hatten wir uns so freigekämpft, dass Jason mich packte und mich vollends auf das Dach zog.

"Sie sind weg.", rief ich verblüfft aus.

"Deine Minute ist rum.", sagte er nur und blickte kurz über seine Schulter. "Los, komm!"

Und dann zerrte er mich über das Dach und wir sprinteten im Höchsttempo. Der Helikopter war weg und als wir uns Richtung Dachkante näherten, drosselte Jason immernoch nicht seine Geschwindigkeit. Doch ich tat es. Unwillkürlich wurde ich langsamer, aber Jason zog mich gnadenlos weiter, bis wir am Rand ankamen, er mich mit einer geschmeidigen Bewegung umklammerte und wir so vom Dach sprangen.

Das war nun schon das zweite Mal an diesem Tag, an dem ich mich schwerelos fühlte. Aber auch hier landete ich nach einem Herzschlag schon wieder. Diesmal jedoch im Helikopter.

"Wie?", fragte ich nur und Jason tippte stumm an sein Headset. Mr. Miller hatte ihm offenbar mitgeteilt, dass er neben bzw. etwas unter der Dachkante fliegend warten würde.

Verwirrt schaute ich hinauf zum Dach und entdeckte den Pferdeschwanz-Typ, der uns nur grimmig hinterher schaute. Ich wandte meinen Blick ab und lehnte rutschte mehr in die Mitte des Hubschraubers. Sam und Alex zogen die Türen zu und so flogen wir wieder Richtung Schule. Ich lehnte mich an die Wand und beobachtete die anderen, die sich nun wieder sich selbst widmeten.

"Kate.", flüsterte eine Stimme neben mir und ich entdeckte Jason, der sich neben mich setzte.Und plötzlich spürte ich jeden einzelnen Knochen, jeden einzelnen Muskel und jeden einzelnen Bluterguss in meinem Körper. Offenbar hatte das Adrenalin nachgelassen.

"Du hast mir das Leben gerettet. Schon wieder.", meinte er und ich konnte mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen.

"Ich denke, wir sind quitt.", murmelte ich und auch Jason lächelte. Dann griff er nach meiner Hand und schloss seine Finger darum. Sie waren warm und aufgeschürft. Etwas, womit ich leben lernen müsste.

"Wir reden darüber noch.", eröffnete er mir und ich nickte müde. Wie auf's Stichwort gähnte ich noch.

"Aber jetzt schlaf erst mal." Und dann lehnte ich meinen Kopf an seine Schulter und schlief ein.

How to be an Agent ✔️Where stories live. Discover now