Kapitel 14

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Nach dem Wochenende ging der Alltagsstress wieder los. Aufstehen, fertig machen, frühstücken gehen, Unterricht, Mittagessen, Training, Freizeit (die wir mit Abhören verbrachten) und schließlich Abendessen.

Jason ging ich aus dem Weg. Wir hatten kein Wort mehr miteinander gewechselt. Folglich haben wir auch nicht trainiert.

Es war die vorletzte Woche vor unserer einwöchigen Weihnachtspause (ja im Ernst, dass nennen die hier Ferien!) und es ging noch mal in den Endspurt für die Noten.

Wir waren gerade auf dem Weg runter in die Kellergeschosse zum Observierungsunterricht, als Jason sich an mir vorbeidrückte und mich dabei (absichtlich - das schwöre ich!) anrempelte.

"Verdammter Mistkerl.", fluchte ich, wobei mir egal war, ob er es noch hören konnte.

"Lass ihn. Er provoziert gern.", sagte Jessy, die rechts neben mir lief.

"Ja, hab ich gemerkt.", schnaubte ich. Ich hatte meinen Freundinnen alles erzählt, aber auch sie konnten sich keinen Reim darauf machen.

Wir betraten das Klassenzimmer und setzten uns auf unsere Plätze. Nach kurzer Zeit kam schon Mr. Miller.

"Guten Morgen.", begrüßte er uns und stieg ohne Umschweife in seinen Unterricht ein: "Heute Nachmittag werden wir unsere Stadtübung machen. Das heißt, Ihr üblicher Sportunterricht fällt aus und stattdessen finden Sie sich bitte 13 Uhr in der Eingangshalle ein. Wir werden nach Penzance fahren und dort einige Übungen durchführen."

Mr. Miller ging zur Tafel und schrieb daran, während er weitersprach: "Als Erstes werden Sie mit Ihrem Partner bestimmte Codenamen ausmachen. Diese sind im Falle der elektronischen Kommunikation wichtig." Er schrieb Codenamen an die Tafel und malte eine 1 im Kreis oben drüber.

"Als Zweites werde ich Ihnen Akten mit Ihrer Identität austeilen. Diese Angaben sind frei erfunden, aber im Falle einer Mission wichtig. Sie geben sich in dieser Übung als jemand anderes aus. Deshalb erwarte ich, dass Sie Ihre Daten können.", fuhr er fort und schrieb Identitäten mit einer 2 an die Tafel.

"Des Weiteren werde ich Sie vor Ort auf bestimmte Personen ansetzen, die es dann zu observieren gilt. Sie bekommen von mir alle einen Umschlag mit einem Bild, einem kurzen Lebenslauf und Ihrer Aufgabe. Am Ende dieser Übung möchte ich von Ihnen das Ergebnis sehen. Sie werden diese Aufgabe mit Ihrem Partner in Zusammenarbeit lösen." Mr. Miller drehte sich zu uns um, nachdem er Observation angeschrieben hatte.

"Außerdem werden wir am Schluss noch zwischen den Paaren agieren. Ihr Ergebnis werden Sie dann einem Paar übergeben. Schnell und unauffällig. Vor Ort werden wir Ihnen die Paarkombinationen nennen." Nun stand an der Tafel Interakion mit einer 4 darüber.

"Ich möchte jetzt, dass Sie mit Ihrem Partner, welchen ich Ihnen gleich nennen werde, die Punkte 1 und 2 durchgehen. Ich werde mir Ihre Vorgehnsweise genau anschauen und mir Notizen machen. Denken Sie also keines Falls, dass diese Übung nur ein simples Spielchen zur Abwechslung ist. Sehen Sie es als Realität an."

Dann fischte er eine Liste aus seiner Tasche und begann vorzulesen. "Susan und Janine, Mike und Joe, Jessy und Mira, Amanda und Peeta, Christal und Alex, Jason und Kate ...", sobald mein Name fiel, hörte ich nicht mehr zu. Überrascht war ich nicht. Mr. Miller hatte so etwas schon einmal angedeutet, als wir in seinem Büro standen und er uns zum Straftraining gezwungen hatte.

"Los, setzen Sie sich zusammen und fangen Sie an!", sagte Mr. Miller und es folgten Stimmengeschwirr und Stühle-Scharren. Widerwillig drehte ich mich zu Jason um. Er saß in der letzten Reihe am Rand. Jasper war gegangen und Jason blickte zu mir. Da er keinerlei Anstalten machte, seinen Hintern hierher zu bewegen, stand ich schließlich seufzend auf. Ich hatte zu viel Respekt vor Mr. Miller, um störrisch sitzen zu bleiben. Außerdem wollte ich keinen Streit vor der Klasse anfangen. Zu viel Aufmerksamkeit.

Bei ihm angekommen lies ich mich auf den Stuhl neben ihm fallen und drehte mich leicht zu ihm. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich ihn an. Er seufzte, verdrehte leicht die Augen und richtete sich etwas auf.

"Codenamen.", begann er. "Schon irgendeine Idee?"

"Du bist der mit mehr Erfahrung", konterte ich.

"Okay. Dann würde ich sagen, dass wir dich vorlaute Tussi nennen", sagte er.

"Und dich arrogantes Arschloch?", entgegnete ich und lehnte mich auf den Tisch. Touché, Idiot.

Jason grinste, nahm einen Zettel und schrieb unsere Codename darauf. Kurze Zeit später kam Mr. Miller herum und teilte die Akten mit den Identitäten aus. Als er unsere las, sah er uns ungläubig an und fragte: "Das ist ein Witz, oder?"

"Nein, Mr. Miller, Sir.", sagte Jason ohne eine Miene zu verziehen. Mr. Miller sah noch einen Moment zwischen uns hin und her, ehe er sich abwandte.

Ich nahm mir meine Akte und schlug sie auf. Mein Fake-Name lautete Marie Davis. Marie Davis war eine gute Köchin, liebte es zu reisen (war demzufolge auch schon in vielen Ländern) und hatte einen Freund. Sie studierte Literaturwissenschaften an der Camebridge Univerity und machte gerade einen Wellnessurlaub in Penzance, um dem Großstadtstress zu entkommen.

"Was hast du?", fragte ich und spähte auf Jasons Blatt.

"Todd Anderson. Fußballer, lebt in Penzance, ist hier um seine Familie zu besuchen, studiert Sportmedizin.", sagte er.

Nach dem Unterricht gingen wir Mittag essen. Dabei wurde die Post ausgeteilt. Ich hatte einen Brief von Luke. Sofort öffnete ich ihn und las:

Kates,

ich fühle mich wie im 19. Jahrhundert. Warum müssen wir auch über Briefe kommunizieren? Was kommt als nächstes? Rauchzeichen? Haha nein, ich mach nur Spaß.

Du hast ziemlich ernst geklungen. Also werde ich - ganz der tolle, beste Freund, der ich bin - kommenden Freitag nach der Schule nach Penzance fahren. An der Strandpromenade gibt es eine kleine Pizzeria, welche ich bei Google Maps gefunden habe, namens "Luigi's" . Wie wär's wenn wir uns dort treffen? 24 Uhr?

Ich werde da sein.

L.

Lächelnd faltete ich das Blatt zusammen und steckte es wieder in den Umschlag. Ich entdeckte, dass er mir noch eine ausgedruckte Karte mit reingelegt hatte. So wusste ich, wo ich lang gehen musste. Ich musste heute dafür sorgen, dass ich während der Stadtübung sehen konnte, wo Luigi's ist. Außerdem musste ich mir werken wie lange es bis nach Penzance dauerte. Das konnte ich schlecht auf der Karte abschätzen.

Nach dem Essen liefen wir zur Eingangshalle und warteten auf Mr. Miller. Er kam mit Mrs. Waters wieder. Er teilte uns kleine Headsets aus, die wir aufsetzen sollten. Darüber würden sie beide uns kontaktieren. Außerdem gab man uns allen noch kleine Accessoires, die mit kleinen Kameras ausgestattet waren. Ich hängte mir eine lange Kette, mit einer Eule als Anhänger, um.

"Also auf gehts!", sagte Mr. Miller. Wir liefen zu einem Transporter, so einer, wie man ihn für den Möbeltransport beim Umzug benutzt. Mrs. Waters öffnete die Türen und wir stiegen ein. Ein Chaffeur fuhr uns nach Penzance. Es gab keine Fenster. Und so saßen wir im dusigen Dämmerlicht. Nur ein paar technische Geräte - Monitore, mit denen sie uns während der Übung überwachen konnten - spendeten Licht.

"Wir werden Sie an verschiedenen Stationen raus lassen. Steigen Sie schnell aus und versuchen Sie bitte nicht wie gekidnappte Teenager, die gerade frei gelassen wurden, auszusehen.", sagte Mr. Miller und dann fuhren wir los.

How to be an Agent ✔️Where stories live. Discover now