Kapitel 60

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Schwächen hat jeder. Groß, klein, alt, jung, jeder hat eine Schwachstelle. Aber wenn man seine Schwächen in Stärken verwandelt, wird man unbesiegbar.

Als ich an die Akademie kam, war ich ein unsichtbares Mädchen. Ich bin es immer noch, nur mit dem Unterschied, dass es nun meine Stärke ist. Die meisten halten mich für schwach. Sehen in mir keine Gefahr. Auch das ist meine Stärke. Sie unterschätzen mich immer.

Ganz in schwarz gekleidet presste ich mich an die Hauswand und spähte durch die Efeuranken um die Ecke. Ich verschmolz mit den Schatten. Ich hörte sie und ich sah sie und sie hatten keine Ahnung. Wenn man es so nimmt, ist das Unsichtbare das Mächtigste überhaupt. Kein Mensch macht so viele Fehler, wie wenn er sich in Sicherheit wähnt.

Wieder sah ich um die Ecke. Die drei Männer, die ich von der Straße vom Klärwerk hatte kommen sah, standen vor dem Pub und rauchten. Die lachten und unterhielten sich. Sie waren ganz entspannt. Plötzlich hörte ich ein Knacken in meinem Ohr.

"Wie läufts, Kätzchen?", hörte ich Jaspers Stimme. Ich tastete nach meinem Headset und grinste.

"Sie sehen mich nicht. Ich werde weiter rangehen.", verkündete ich.

"Aber pass auf! Sie dürfen dich wirklich nicht entdecken!", hörte ich da Jasons mahnende Stimme. Ich verdrehte die Augen.

"Ach was, Sherlock! Ich hatte vor mitten auf die Straße zu springen und einen Striptease hinzulegen.", entgegnete ich schnippisch.

"Kate!", warnte Jason.

"Würde sie zumindest davon abhalten, auf ihr Gesicht zu achten.", meinte Jasper und ich konnte das Grinsen praktisch hören. Ich kicherte leise. Dann lenkte sich meine Aufmerksamkeit wieder auf die drei Männer und ich lukte erneut aus meinem Versteck hervor. Sie warfen ihre Stümmel weg und setzten sich in Bewegung.

"Es geht los, ich häng mich ran.", teilte ich den anderen mit und lief los. Ich hatte einen Peilsender in meiner Kapuze, der Alex meinen genauen Standort mitteilte. Ich lief den Verdächtigen hinterher und achtete darauf, genug Abstand zu lassen. Ab und an schlüpfte ich hinter einen Baum oder in einen Hauseingang. Ich hatte mein Handy in der Hand, für den Fall ich flog auf. Dann könnte ich so tun, als würde ich telefonieren oder etwas googlen.

Bald kamen wir aus dem belebten - und gut beleuchteten - Stadtteil von Andover raus und liefen über düstere Straßen, die so manche Horrorfilmkulisse niedlich hätte aussehen lassen.

Allerdings wurde ich so etwas wagemutiger. Sie bogen in einen Schotterweg ab, der an den Waldrand grenzte. Ich hörte ihre Schritte, achtete aber darauf auf dem Gras am Rand zu gehen.

"Sie sind abgebogen.", sagte ich und hoffte auf weitere Anweisungen.

"Noch 100 Meter bis zur Fabrikhalle.", hörte ich Alex' Stimme im Ohr.

"Bist du schon im Funk?", fragte ich leise und spähte hinter einem Baum hervor.

"Noch nicht.", antwortete Alex und ich merkte, wie konzentriert er klang. Ich setzte meine Verfolgung fort, als sie plötzlich stehen blieben und ein Scheinwerfer aufflammte. Ohne zu zögern, sprang ich mit einem Hechtsprung in die Büsche zu meiner Rechten. Ich verkniff mir ein Fluchen, als ich hart mit der Schulter auf irgendeiner Wurzel aufkam und kroch tiefer in den Wald. Ich roch den modrigen Geruch der Erde und kauerte mich im Dunkel des Waldes zusammen. Hoffentlich war ich nicht entdeckt worden. Ich hörte, wie mich die anderen über das Headset zuschwafelten, aber dafür hatte ich gerade keine Zeit.

Plötzlich hörte ich das Geräusch eines Autos, das heranfuhr. Ich kroch weiter tiefer und lehnte mich hinter einen Baum an den Stamm. Gerade wollte ich erleichtert ausatmen, als das Auto stoppte. Eine Tür ging auf und mir rutschte das Herz in die Hose. Ich hörte schwere Schritte auf dem Schotter und machte mich ganz klein. Ich war immer noch viel zu nah. Werd unsichtbar, werd unsichtbar, werd unsichtbar!

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