Kapitel 48

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Kate's POV


Ich hasste es. Dieses Warten und sich hilflos fühlen. Aber am meisten hasste ich es, dass wir allen ernstes wieder zum Allttag übergegangen sind. Die Lehrer unternahmen nichts und das Schlimme war, wir auch nicht.

Gerade saß ich in der Bibliothek mit Amanda und Jessy an meiner Seite. Wir hatten unsere Schultaschen unter den Tisch geschoben und ignorierten unsere Hausaufgaben, die vor uns auf dem Tisch lagen.

"Wir müssen was unternehmen.", murmelte Jessy und ließ ihren Finger über ihr Chemiebuch kreisen. "Wir brauchen mehr Informationen."

"Wir brauchen Chrissy.", flüsterte da Amanda, die zuvor nur stumm auf einen Punkt vor ihr gestarrt hatte.

"Wir müssen sie aber ertsmal retten.", erinnerte ich sie. Langsam gefiel mir die stille Amanda nicht mehr. Ich hatte Angst um sie. Irgendetwas an meinem Tonfall rüttelte sie wach, denn plötzlich wandte sie sich zu mir und funkelte mich wütend an. Zum ersten Mal sah man wieder etwas Feuer in ihr.

"Denkst du, wenn wir sie wiederhaben, ist die Sache hier vorbei? Wir wissen nicht, wieso sie Chrissy entführt haben und wir wissen nicht wohin sie sie gebracht haben. Aber wir brauchen sie. Als Informantin. Als Agent. Aber vor allem als Freundin." Nach dieser Rede war ich regelrecht sprachlos. Doch zum Glück übernahm Jessy das Reden.

"Du hast Recht, Am. Diese Sache ist so viel größer. Aber ich habe keine Ahnung, was wir tun sollen. Die Lehrer gehen uns aus dem Weg und wir haben nicht die Mittel zu einem Rettungsmanöver." Plötzlich richtete ich mich auf.

"Wir drei allein nicht, das stimmt, aber was ist mit -", ich schluckte, "- den Jungs?"

"Du meinst, wir sollen sie um Hilfe bitten?", fragte Amanda mich ungläubig. Doch ich ließ mich von ihrem Blick nicht abbringen und stand auf.

"Der Iniuria-Zirkel wollte erst mich, dann mich und Jason, aber nie Chrissy. Und dass sie Christal mitgenommen haben, macht die Sache zu etwas Persönlichem. Diesmal sind sie zu weit gegangen."


Kurz darauf standen wir im Jungentrakt vor der Zimmertür von Jason, Jasper, Sam und Alex. Stumm starrten wir uns an, ehe ich die Hand hob und schnell klopfte. Dann traten wir alle gleichzeitig einen Schritt zurück und hielten die Luft an. Plötzlich ging die Tür auf und Jasper stand vor uns.

"Guten Abend, Ladies.", begrüßte er uns und lehnte sich gegen den Türrahmen. "Wie kann ich euch denn behilflich sein?" Er grinste uns etwas anzüglich an, doch wir alle ignorierten ihn.

"Wir müssen mit euch reden.", erklärte Jessy und schob sich an ihm vorbei. Amanda und ich folgten ihr. Jasper schloss die Tür und verkniff sich jeden weiteren Kommentar. Die anderen Jungs sahen uns erst überrascht an und wurden schließlich ebenfalls ernst.

"Was ist los?", fragte Jason und setzte sich im Drehstuhl etwas auf.

"Wir wollen -", begann Amanda, doch stoppte, um sich zu korrigieren. "Nein, wir müssen etwas unternehmen." Die Dringlichkeit in ihrer Stimme entging keinem und so setzten wir uns alle auf die unteren Betten der Etagebetten und saßen uns gegenüber.

"Es geht um Chrissy.", fügte ich hinzu und sah Alex aus dem Augenwinkel nicken.

"Und was genau schwebt euch da vor?", fragte Jasper und lehnte sich an den Bettpfosten, wie immer gewohnt lässig.

"Wir brauchen eure Hilfe.", sagte ich sofort. "Wir müssen die Lehrer überzeugen, doch etwas zu tun und wenn sie sich wieder querstellen, dann ... dann..."

"Dann was?", zischte Jason.

"Dann werden wir Christal retten gehen.", erklärte Amanda und sprach damit aus, was wir uns schon in der Bibliothek gedacht hatten.

"Ihr drei gegen den Zirkel? Seid ihr vollkommen lebensmüde?", stieß Jasper fassungslos aus und begann im nächsten Moment zu lachen. Und zwar kein Lachen von der Sorte Ich-lache-wei-du-einen-grandiosen-Witz-erzählt-hast, sondern er lachte uns aus.

Grimmig ballte ich die Hände zu Fäusten und stand auf. Schneller als irgendjemand schauen konnte, war ich vor ihm und rammte meine Faust in sein Gesicht. Es knackte nicht, aber Blut schoss ihm sofort aus der Nase und tropfte auf seine Klamotten. Überrascht sah er zu mir auf.

"Der Zirkel war hier wegen Jason und mir. Sie wollen uns und jetzt haben sie Chrissy.", zischte ich, packte ihn am Hemdkragen und riss ihn ein Stück zu mir ran. Keiner hinderte mich. "Deshalb werden wir alle etwas unternehmen, verstanden? Weil es Chrissy ist. Die Chrissy, die du immer schikanierst und weswegen du derjenige sein wirst, der in der ersten Reihe steht bei unserem Himmelfahrtskommando. Das bist du ihr schuldig, Jasper!" Dann ließ ich ihn los und er sackte zurück aufs Bett. Ich stemmte die Hände in die Hüften und wandte mich an die anderen.

"Wir müssen mit den Lehrern reden. Und wenn sie uns wieder nicht zuhören, dann müssen wir ihnen klar machen, dass wir gehen werden. Für Chrissy."

"Kate, hör mal.", sagte Jason und blickte mich an. "Sie werden nichts unternehmen und sie werden uns nicht gehen lassen. Das dürfen sie auch gar nicht. Wir sind noch nicht vollends ausgebildet und-"

"Oh Gott, Jason!", fuhr ihm Jessy dazwischen und schoss ebenfalls in die Höhe. "Sieh dich nur an. Sitzt hier und benimmst dich wie ein Baby. Was ist aus dem Jungen geworden, mit dem wir nachts zum See gefahren sind? Ich hatte dich nie für den Typen gehalten, der auf großen Macho macht, aber vor seinem Onkel wieder einknickt. Aber genau der bist du geworden." Verbittert lachte sie auf. "Na und? Vielleicht fliegen wir von der Schule, aber wenigstens haben wir uns dann für etwas eingesetzt, für das es sich zu kämpfen und zu sterben lohnt." Mit diesen Worten rauschte sie aus dem Zimmer und ich konnte ihr noch mit offenem Mund hinterher starren.

"Andy hat sie wirklich verändert.", murmelte Sam da und schüttelte leicht den Kopf.

"Andy hat uns alle verändert.", presste Jason hervor und erhob sich. "Gut, ich rede mit meinem Onkel." Er zog sich noch einen Pullover drüber und verschwand. Amanda und ich sahen uns an und folgten ihm dann.

"Ist das dein Ernst?", fragte ich verblüfft, während ich versuchte mit ihm Schritt zu halten.

"Ja. Erst ich und dann wir alle.", war alles was er sagte, ehe er in den Gang zum Direktorenbüro einbog und nach kurzem Klopfen in der Tür verschwand.

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