Kapitel 55

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"Ich glaube, ich habe mich in dich verliebt, Kate."

Das war er, der Satz, der alles veränderte. Von dem Jungen, der alles veränderte. Auf einer Mission, die alles veränderte. Und ich wusste nicht, was ich sagen sollte.

"Was?", stammelte ich und wurde etwas rot. Ich hatte keine Ahnung wie man bei so etwas reagierte. Ich war einfach völlig sprachlos.

"Ich habe mich in dich verliebt Kate.", wiederholte er und lächelte. "Und dass, obwohl ich mich anfangs so dagegen gewehrt hatte." Jetzt grinste er etwas schuldbewusst.

"Wieso?", fragte ich wieder und runzelte die Stirn. Ich hatte das Gefühl, mein Gehirn käme nicht schnell genug mit.

"Komm.", sagte er, lächelte wieder und drehte sich dann um. Er lief über die Dachterasse hinüber zum Dachgeländer. Er stütze die Unterarme darauf ab, verschränkte die Finger mit einander und ließ seinen Blick über die dunkle Stadt schweifen. Ich blickte auf und suchte die Sterne, aber es war bewölkt und so starrte ich nur in eine tiefschwarze Masse.

"Anfangs konnte ich dich nicht leiden.", gestand Jason. "Nach dem Tod meiner Eltern trainierte ich hart, verschloss mich und wurde zum besten Schüler der Akademie, aber auch zum gefühllosesten. Nur Jasper zwang mich ab und zu mit ihm zu reden. Damals habe ich ihn verflucht, jetzt müsste ich ihm vermutlich danken. Ihm habe ich es zu verdanken, dass ich mich nicht verloren habe." Jason ließ den Kopf hängen.

"Und dann kamst du. Das neue Mädchen. Völling unschuldig und ahnungslos. Ein gefundenes Fressen für uns, denn nichts taten wir lieber als schwachen Neulingen unsere Macht zu demonstrieren." Er stieß ein verächtliches Lachen aus. Es klang bitter. "Aber du warst nicht schwach. Du stiegst auf die Matte, tratst mit entgegen und forderstest mich so heraus. Und ich konnte nicht nein sagen. Ich brachte es nicht über meinen Stolz, vor einem neuen Mädchen zu kneifen. Also versuchte ich dir Demut zu lehren, aber trotz dass ich dich besiegte, stieg in mir nicht das übliche Gefühl auf. Denn eigentlich hatte ich dich nicht besiegt.

Du schlugst zurück mit deiner Tablettenaktion. Als du mir damals im Flur vor dem Büro meines Onkels diesen indirekten Tipp gabst, wusste ich erst nicht so recht, was du meintest, aber als ich dann nachdachte, wurde ich unglaublich wütend. Hinzu kam, dass du dich zu unserem Training verspätestest, um mich zu ärgern. Da bin ich dann wohl etwas durchgedreht." Entschuldigend blickte er auf und grinste mich an.

"Ich dachte wirklich, damit hätte ich dich in die Flucht geschlagen, aber ich hatte dich unterschätzt. Ich fing an dich zu mögen, obwohl ich dich immer noch hasste. Frag mich nicht wie so etwas möglich ist, aber durch diesen kleinen Wettbewerb, geprägt von unserer Sturheit und unserem unglaublichen Stolz, riss ich mich aus dieser emotionslosen Starre und ich begann wieder zu fühlen. Da war zuerst Hass, dann ein gewisser Respekt, schließlich Angst um dich und auch Eifersucht wegen dieses Mistkerls Elyas Chase und nun - Liebe."Jetzt richtete er sich ganz auf und starrte mich durchdringend an. Jedes Wort war ernstgemeint und ich spürte, wie ich große Augen bekam. Ich flüchtete mich immer vor so etwas, lief weg, weil ich ein elender Feigling war. Große Gefühlsansprachen und ich wollte einfach nur weg.

"Du ... Du kennst mich doch gar nicht richtig.", stammelte ich und blickte verlegen zur Seite. Jason lachte auf.

"Vielleicht kenne ich nicht deine Lieblingsfarbe oder weiß wie deine Eltern heißen, aber ich weiß wie du aussiehst, kurz bevor du angreifst. Dein Gesicht bekommt einen Ausdruck, den man nicht beschreiben kann, irgendwie hochkonzentriert und das ist für mich das Zeichen, dass du gleich zu schlägst. Ich weiß, wie du lächelst, kurz bevor du untertauchst und unsichtbar wirst. Ich weiß, wann dir etwas Angst macht und ich erkenne anhand deines Atems, wie du kämpfst, wenn wir Rücken an Rücken stehen. Ich weiß, wie du aussiehst, wenn du strategisch denkst, weil du immer eine Falte zwischen deinen Augenbrauen bekommst. Ich weiß, wie du guckst, wenn du einen Befehl von meinem Onkel bekommst, der dir nicht passt und ich weiß, wie dein Gesicht sich verändert, wenn du dich entscheidest, diesen zu missachten. Ich bin nicht einer dieser normalen High School Typen, die wissen, welche Schuhmarke ihre Freundin am liebsten trägt, so einer werde ich nie sein. Ich bin ein Agent und deshalb weiß ich so was nicht. Aber ich weiß all diese unmateriellen Dinge, die dich betreffen, dich als Person. Und das, Kate, ist viel viel wichtiger."

Ich sah ihn an und schluckte. Ich war sprachlos. Jason kam wieder auf mich zu und ich stolperte, stieß gegen das Geländer und keuchte.

"Deine Beinarbeit ist immernoch miserabel.", stellte er fest und Schalk blitzte in seinen Augen. "Gut für mich, denn diesmal kannst du nicht weglaufen, Katie." Er lehnte sich an mich, stützte die Hände auf das Geländer und sah auf mich herab.

"Jason..", flüsterte ich und sah ihn mit großen Augen an.

"Vertraust du mir, Kate?", fragte er ernst.

"Ja.", sagte ich ohne zu zögern.

"Das ist mir genug.", hauchte er und dann küsste er mich wieder. Es war ein zärtlicher Kuss und ich verlor mich darin. Jason hatte eine Hand an mein Gesicht gelegt, die andere an meine Taille. Ich dagegen krallte meine Finger wieder in sein Shirt und zog ihn zu mir heran. Als wir uns lösten, atmete ich schneller und seine Augen leuchteten.

"Ich kann nicht glauben, dass du das alles zu mir gesagt hast.", gestand ich und blinzelte ein paar mal.

"Weil du selbst nicht von dir überzeugt bist.", erwiderte er und strich mir eine Strähne hinters Ohr. "Deshalb kannst du es auch nicht glauben, wenn ein anderer es ist." Ich lächelte ihn an und zum ersten Mal in meinem Leben war ich wahnsinnig gerührt.

"Womit habe ich dich verdient?", fragte ich ihn und lachte leise. Doch Jason lachte nicht.

"Das sollte eher ich fragen.", meinte er und sah mir wieder ins Gesicht, als wäre ich das Schönste auf der Welt.

"Wenn wir hier fertig sind, dann werde ich mich von mir selbst überzeugen.", versprach ich und schlang die Arme um seinen Hals.

"Ich werde dir helfen.", antwortete er und zog mich näher zu sich. Diesmal küsste ich ihn und ich war voller Zuversicht. Denn diese Worte waren besser als jedes Ich liebe dich je sein wird.


Später saßen wir auf der Bank und schauten über die Stadt.

"Du hast mir nie erzählt, dass du Latein kannst.", sagte ich plötzlich und spielte auf die Gasse in Penzance an.

"Meine Eltern brachten es mir bei. Sie konnten es.", sagte Jason.

"Was will der Zirkel von dir?", fragte ich und sah ihn an. Unsere Hände hatten wir miteinander verschränkt.

"Ich weiß es nicht.", sagte er. "Aber er hat sich schon meine Eltern genommen, da wird er auch mich wollen."

"Er hat was?", fragte ich entsetzt und starrte Jason mit großen Augen an.

"Er hat sie getötet. In dem Sommer bevor ich die Mädchen wie Dreck behandelte, erzählte mir Andy davon. Wir waren gut miteinander befreundet gewesen und waren gerade klettern. Wir standen auf einer Klippe, blickten über den Wald vor uns. Da erzählte er mir es.

Er war vom Zirkel rekrutiert worden. Und er war so furchtbar stolz darauf. Er prahlte damit und lobte ihn in den Himmel. Und dann sagte er mir, dass auch ich mich anschließen sollte. Ich lehnte ab. Natürlich tat ich das und da fing er von meinen Eltern an. Dass sie den Zirkel hintergangen hätten, und deshalb dafür büßen mussten. Er erzählte mir lächelnd, dass der Zirkel sie tötete und dass ich des Zirkels rechtmäßiger Erbe war. Und da schlug ich ihn. Mitten ins Gesicht. Er stolperte, stand am Abgrund der Klippe. Er lächelte mir noch ein letztes Mal zu, ehe er sich vollends abstieß und in die Tiefe stürtzte. Ich weiß nicht ob er es überlebt hat, es ist mir auch egal. An diesem Tag habe ich ihn verflucht und mir geschworen den Zirkel zu vergessen. Ich habe jedes Wort verdrängt. Und in der Schule habe ich Jessy für Andy verantwortlich gemacht. Das war dumm, ich weiß, aber es ging mir besser wenn ich sie für Andy bezahlen ließ."

"Aber du hast dich entschuldigt.", erinnerte ich ihn.

"Ja, aber gut machen werde ich es nie wider können."

How to be an Agent ✔️Where stories live. Discover now