Kapitel zweiundzwanzig

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Keno wurde vor einigen Stunden von privaten Ärzten behandelt, die ihm die Kugel raus geholt hatten und ihn schließlich wieder zu genäht hatten. Er war nun stabil und war gerade dabei sich auszuruhen.

Grace und ich haben uns noch um 01:00 Uhr geduscht und wieder umgezogen, damit wir wieder normal aussahen und uns aus den Ballkleider schälen konnten. Nach schlafen war mir gerade aber gar nicht zumute, weshalb ich aus meinem Bett kroch und das Zimmer verließ, dass mir die Morettis zur Verfügung gestellt hatte. Ich schlich in meiner kurzen Stoffhose, dem dünnen Top mit Spaghetti Trägern und den flauschigen Hausschuhen durch die leeren Flure.

Vor Kenos Zimmer machte ich halt und überlegte, ob ich nach ihm sehen sollte. Ich steckte schließlich den Kopf herein und sah zum Bett, in dem er lag. Sein Brustkorb hob und senkte sich regelmäßig, was mich ein wenig erleichterte. Vorsichtig trat ich ein, weshalb er sich plötzlich bewegte und dann zu mir sah. Der hatte aber einen leichten schlaf. Ja gut, wenn ich wüsste, dass ich jederzeit von irgendwem erschossen werden könnte, würde ich vermutlich auch nicht mehr schlafen.

„Was tust du hier?", flüsterte er und klang nicht gerade begeistert mich zu sehen, weshalb ich von einem Bein auf das andere trat.

„Wollte nur kontrollieren ob du noch lebst", meinte ich und versuchte dabei so neutral wie möglich zu klingen, damit er nicht direkt dachte mir würde großartig was an ihm liegen. Ich wollte einfach nur keine Menschen in meinem Umfeld, wo man nicht sicher sein konnte, ob dieser jeden Moment verstirbt.

„Was meintest du vorhin mit Willkommen in der Familie", fragte ich interessiert und ließ mich auf den Hocker neben seinem Bett nieder. Diese Worte gingen mir nicht mehr aus dem Kopf und ich dachte schon die ganze Nacht darüber nach-

„Du hast auf den Sohn der Gracias geschossen", meinte er neutral und starrte vor sich an die Wand. Irgendwas war anders mit ihm.

„Denkst du, dass lassen die einfach auf sich sitzen? Die werden herausfinden wer du bist und alleine wärst du total aufgeschmissen. Wir müssen dir jetzt unseren Schutz bieten, ansonsten lebst du nicht mehr länger als eine Woche", erklärte er mir ehrlich, weshalb ich mich verschluckte.

„Bitte?", fragte ich panisch.

„Was ist mit meinem Job?", fragte ich sofort weiter.

„Schreib bei uns. Sag einfach du willst noch intensiver in die Familie blicken, muss ja niemand wissen, dass du in Lebensgefahr bist", erwiderte er auf meine Frage hin und versuchte mich zu beruhigen. Ich denke, dass einzige was ihn interessierte, war nicht mein Leben, sondern der Ruf seiner Familie, den ich mit einem Artikel weiter in den Abgrund reißen könnte.

„Ihr habt mein Leben ruiniert", flüsterte ich heiser, als mir bewusst wurde, dass ich aus dieser Situation nicht mehr heraus kam.

„Du hättest nicht schießen müssen", meinte er gleichgültig.

„Dann wärst du jetzt tot!", meinte ich ungläubig, was ihn nur die Schultern Zucken ließ. Dieser Mensch ist unausstehlich.

„Wen kümmert es", schnaufte er in meine Richtung. Mich. Wenn er stirbt, habe ich keinen Artikel mehr und somit kein Büro und kein Geld.

„Wieso bist du jetzt auf einmal so?", fragte ich irritiert, weil ich es nicht gewohnt war, dass er wieder so abweisend und kalt zu mir ist. Wir hatten uns die letzten Tage recht gut verstanden und viel miteinander gesprochen und nun ist er wieder so abgestumpft.

„Wie bin ich denn?", knurrte er desinteressiert und ich hörte raus, dass er genau wusste was ich meinte.

„So ein Arschloch", meinte ich direkt, was ihn nun zu mir Blicken ließ. Seine Augen waren schwarz und er bereitete mir eine Gänsehaut über den ganzen Körper. Er blickte mir mit so einem starren Ausdruck entgegen, sodass ich nervös auf und ab wippte, in der Hoffnung er würde gleich den Blick von mir nehmen.

„Lass es", verlangte er dunkel und seine Augen richteten sich wieder starr auf die Wand vor ihm.

„Sag es!", verlangte ich bissig von ihm.

„Valentina treib es nicht zu weit", knurrte er und spuckte meinen Namen praktisch über seine Lippen.

„Keno Elian Leander Moretti, Sprich mit mir!",

„Verdammte scheiße wir haben extra die heile und nette Familie gespielt, weil wir dachten du verpisst dich ab nächste Woche wieder, hast deinen Artikel, wir einen guten Ruf und alles ist bestens. Durch deine Aktion mit dem schießen müssen wir dich aber jetzt länger ertragen und es ist wirklich schwer diese Fassade aufrecht zu halten!", schrie er mir entgegen, weshalb ich zusammen zuckte.

Ich schwieg einige Sekunden, ließ seine Worte auf mich wirken und musste genau überlegen was ich darauf jetzt antwortete.

„Mir war nicht bewusst, dass euch meine Anwesenheit so stört, tut mir leid", erwiderte ich heiser und war nicht sicher, ob ich diese Wahrheit wirklich wissen wollte.

„Ich werde das Interview hiermit beenden", meinte ich zögernd und verließ dann sein Zimmer. Ich schlich den Flur zurück in mein Zimmer und ließ die Tür ins Schloss fallen. Meine Atmung ging unregelmäßig und viel zu schnell, weshalb ich erst einmal versuchte mich zu beruhigen.

Dies gelang mir jedoch nicht wirklich, weshalb ich mich dazu entschied den Koffer für morgen zu packen. Danach döste ich noch ein wenig im Bett, bevor mein Wecker eine Stunde später wieder klingelte.

***

Gegen 8 Uhr morgens machten wir uns alle wieder auf den Weg zum Privat Jet. Sergio hatte beschlossen, trotz Kenos Wunden zu fliegen und argumentierte damit, dass er hart im nehmen wäre. Ich sprach diesen morgen kaum mit jemanden, außer ein paar Worte mit Raniya. Im Flugzeug setzte ich mich auf einen der Ledersitze, steckte meine Kopfhörer in die Ohren und machte mir eine Playlist an, um bloß mit niemanden zu sprechen.

Nach dem Gespräch mit Keno gestern Abend, ging mir einiges durch den Kopf. Was passiert mit dem Artikel? Bin ich jetzt meinen Job los? Werden mir die Garcias folgen und wirklich versuchen mir etwas anzutun?

Ich hatte das Gefühl mein Kopf raucht und würde jeden Moment explodieren, da er so überfordert war. Ich ließ die Stunden Flug über mich ergehen und rief mir direkt ein Taxi zum Flughafen, das mich dort abholte. Ich stieg die Treppe aus dem Privat Jet hinunter und nahm meinen kleinen Reisekoffer zu mir.

„Danke für die zwei Tage, ich werde jetzt direkt ins Büro fahren", verabschiedete ich mich bei Raniya, die nicht ahnte, dass ich nicht wieder kam. Keno wurde in dem Moment von zwei Bodyguards aus dem Jet gestützt und betrachtete mich eindringlich. Sergio setzte sich seine Sonnenbrille auf die Nase und Arian unterhielt sich gerade mir Henno, der neben dem Schwarzen Auto stand um die Familie abzuholen.

Ich seufzte und machte mich dann auf den Weg zu meinem Taxi, dessen Tür ich öffnete und schließlich einstieg. Keno ließ mich nicht aus den Augen, bis das Fahrzeug sich in Bewegung setzte und ich ihn aus den Augen verlor.

Das wars dann wohl mit der Moretti Reihe und ich hatte keinen blassen Schimmer, wie ich das finden sollte.

𝐌𝐨𝐫𝐞𝐭𝐭𝐢 ✓Where stories live. Discover now