Kapitel vierundzwanzig

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Wir hielten einige Minuten später in der dunklen, dreckigen Straße vor meinem Wohngebäude. Ich zögerte kurz, bis ich mich wieder gesammelt hatte und die Autotür öffnete.

„Kannst du hier warten?", fragte ich vorsichtig in Kenos Richtung, da es mir unangenehm war, dass ich hier wohnte und er definitiv anderes gewohnt war.

„Hab schon schlimmeres gesehen", sprach er unbeeindruckt und stieg aus dem teuren Auto aus. Er hatte meinen vollen Respekt, dass er seinen Wagen hier abstellte. Ich hätte zu viel Angst, dass es in 5 Minuten hier nicht mehr stehen würde. Ich stand vor der schäbigen Haustür und steckte meinen Schlüssel herein, sodass wir in den Flur mit Treppenhaus kamen.

Der Geruch von Abgasen nahm ab und wurde von einem Geruch aus Alkohol und schlaf ausgetauscht. Im ganzen Wohngebäude roch es recht muffig, als ob man seit Wochen kein Fenster mehr geöffnet hätte. Wir stiegen die Steintreppen in den zweiten Stock, wo ich meine dunkle Holztür öffnete und herein trat.

Ich nahm wahr, wie Keno sich Stirnrunzelnd umsah und dabei die Nase krümmte. Er versuchte krampfhaft nichts zu berühren, was mir Magenschmerzen bescherte. Ich wollte nicht, dass er diese Seite von mir sah, das machte mich irgendwie verletzlich.

Das ich noch kein Geld für eine bessere Wohnung hatte, war meine große Schwäche. Ich dachte damals, dass dies die bessere Option wäre, da ich sowieso niemanden zu mir einladen würde und ich nur bei der Arbeit wäre. Das alles so kommen musste, konnte ja niemand ahnen.

Ich machte mein kleines Licht an, dass den Raum einen gelben Touch verleihte. Dadurch, dass ich in jeder erdenklichen Ecke Duftstäbchen stehen hatte, roch es wenigstens in meiner Wohnung besser als im Hausflur.

„Komm ruhig rein, du kannst hier warten ich packe schnell ein wenig zusammen", meinte ich leise und sah zu, wie Keno meine Wohnungstür mit dem Fuß zu stieß. Hektisch rannte ich in mein Zimmer und schmiss einige Klamotten in meinen Koffer. Ich wollte das alles so schnell wie möglich hinter mich bringen, da ich nicht dazu bereit war Keno mehr Einblicke in mein Leben zu geben.

Was sehr ironisch ist, da ich sein Leben praktisch überwache und dokumentiere.

Nach einigen Minuten kam ich mit vollem Koffer wieder zu ihm. Dort waren all meine Klamotten verstaut, sowie alle wichtigen Produkte aus meinem Badezimmer.

„Wir können gehen", meinte ich und zog den rostigen Henkel aus dem Koffer. Mit hochgezogener Augenbraue musterte der junge Mann vor mir den schwarzen Stoffkoffer mit einigen bunten Flicken und schließlich mich, die gezwungen lächelnd daneben stand.

„Das ist alles?", fragte er irritiert, weshalb ich schwer atmend und mit einem gespielten lächeln nickte, ehe ich ihn aus der Wohnung scheuchte, damit wir endlich fahren konnten und mein Herzschlag sich wieder beruhigte.

Keno legte den Koffer in sein Auto und stieg schließlich ein, was ich ihm gleich tat. Ich nahm den Gurt an meiner rechten Schulter und legte diesen über mich drüber. Wir schwiegen uns wieder an, weshalb es im Auto Mucks Mäuschen Still war. Ich räusperte mich, um die Unangenehme Stille zu übertönen und drehte meinen Kopf hinüber zu Keno. Sein Unterkiefer mahlte angespannt, während er meine Wohngegend Musterte und schließlich aufs Gaspedal drückte.

„Sags schon", forderte ich, während meine Stimme nur ein Hauchen war. Ich wusste genau was er sagen wollte, da ich mir die ganzen besorgten und angeekelten Wörter schon von meiner Familie anhören durfte, als sie mich einmal in New York besucht hatten.

„Was?", erwiderte er neutral und warf mir dann einen kurzen Blick zu, weshalb ich meinen schnell wieder nach vorne richtete, um seinen Augen nicht stand halten zu müssen.

„Ich seh genau wenn mich Menschen verurteilen", setzte ich vorsichtig wieder an. Der Mann neben mir räusperte sich vorsichtig und sammelte wohl gerade gedanklich die perfekten Worte zusammen.

„Tu ich nicht", kam es dann von ihm.

„Dafür hast du jetzt ziemlich lange gebraucht", kam es von mir, mit einem leicht genervten Unterton. Ich hasste es sehr, wenn mir Menschen nicht ins Gesicht sagen konnten was sie dachten, man es ihnen aber eindeutig ansieht, was sie dachten.

„Ich weiß nicht, was du von mir hören willst", seufzte er, während er sich auf das Fahren konzentrierte.

„Es interessiert mich nicht wie du wohnst", meinte er, was mich verstummen ließ. Ich sah aus dem Fenster, wie wir durch New York fuhren und uns schließlich vom ganzen Trubel entfernten. Wir näherten uns den Klippen, auf denen die Morettis wohnten, wo wir kurz darauf vor dem Eisentor standen, was schließlich geöffnet wurde.

Als wir endlich standen, öffnete ich sofort die Autotür und trat mit meinen High Heels auf den Kiesboden auf, was ein knirschen ertönen ließ. Einer der Bodyguards holte meinen Koffer heraus und brachte ihn rein. Verwirrt folgte ich meinem Koffer, der gerade weg getragen wurde, weshalb ich Raniya in die Arme lief.

„Ist das alles?", fragte sie ungläubig und ich folgte ihren Finger zu dem mittel großen Koffer, der die Treppe hinauf getragen wurde. Vorsichtig nickte ich und schaute dann wieder zu ihr hinüber.

„Ach Herr Gott", meinte sie entsetzt und verschwand dann in der Küche, ich hörte sie mit jemanden Sprechen, als Keno durch die Eingangstür kam und auf mich zu lief. Ich atmete einmal tief durch, ehe er an mir vorbei lief, sodass er meine Schulter mit seinem Oberarm streifte. Ich kniff die Augen zusammen, da hier unendlich viel Platz gewesen wäre und fragte mich, wieso genau er diesen Meter zum Laufen wählte.

„Was soll das?", motzte ich schließlich, weshalb er in seiner Bewegung inne hielt und einfach geradeaus gegen die Wand starrte.

„Was?", knurrte er mit einem leicht neckenden Ton in seiner Stimme.

„Ihr habt einen Flur, der so groß wie meine gesamte Wohnung ist und du brauchst dennoch genau den Millimeter Weg auf dem ich stehe?", sprach ich meine Gedanken laut aus. Bedrohlich langsam drehte sich der breit gebaute Mann einige Meter vor mir um, sodass seine Steingrauen Augen mir entgegen blickten.

„Wohne ich hier, oder du?", fragte er neckend.

„Naja, also wenn man es genau nimmt dann wohnen jetzt wohl wir beide hier", erwiderte ich standhaft. Um ihm klar zu machen, dass ich mich nicht einschüchtern ließ, stemmte ich zusätzlich noch meine Hände in die Hüfte, was ihn leicht schmunzeln ließ. Ich schnaufte auf und plötzlich setzte er einen Fuß vor den anderen, um auf mich zu zu gehen. Perplex ließ ich meine Arme wieder sinken, da ich nicht wusste, was er jetzt vor hatte, jedoch kam er so nah vor mir zum stehen, dass sein Bauch gegen meine Brust drückte.

„Ausnahmsweise muss ich dir recht geben", hauchte er zu mir hinunter, sodass ich eine Gewisse Note von Pfefferminz wahrnehmen konnte. Meine Atmung beschleunigte sich bei dem Gedanken, wie nahe er mir gerade war, bis mir seine Worte in Spanien wieder einfielen. Mein Körper verkrampfte sich, was zu bemerken schien.

„Du kannst jetzt wieder normal zu mir sein, dass mit der Nettigkeits Masche funktioniert jetzt nicht mehr", erklärte ich mich, atmete schwer aus und entfernte mich schließlich von ihm, um ihn alleine im Flur zurück zu lassen.

𝐌𝐨𝐫𝐞𝐭𝐭𝐢 ✓Where stories live. Discover now