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Zuerst war es nur das Bild wie ich mir vorstellte wie ich auf dem hohen Haus stand und in die Nacht blickte.

Doch dann wurden es immer mehr.

Es kam das aller erste Bild wo sich die Frau und der Mann ganz am Anfang geküsst hatten. Wie ich aus der Stadt kam und mich hinter der Mauer versteckte.

Denn kam das Bild wo sich die beiden küssten als ich aus dem Taxi geschossen hatte. Vorhin. Dieses Bild brannte sich intensiv in meine Netzhaut. Jedes kleinste Detail kam mir wieder vor Augen.

Und dann kam etwas unscharf das Bild von den beiden Mädchen. Ich hatte nicht gesehen wie sie sich küssten doch das Bild wurde mir trotzdem vor Augen gelegt.

Diese Bilder drehten sich im Kreis. Immer und immer wieder wurden sie mir vorgespielt.

Wie immer schmerzte es in mir.

Doch dieses Mal war es schlimmer als sonst. Es fühlte sich an als würde dein ganzer Körper zerkrümeln.

Aber ein Bild brannte sich ganz besonders in meinen Kopf ein.

Nein, es war nicht das Bild, das ich hautnah miterlebt hatte.

Nein, es war auch nicht das Bild, das ich nur im Vorbeifahren erlebt hatte.

Und nein, es war ebenfalls nicht das Bild, das ich überhaupt nicht gesehen hatte.

Sondern es war das Bild, das ich mir nur vorstellte aber trotzdem immer in meinem Kopf auftauchte.

Irgendwann sah ich die restlichen Bilder nur mehr komplett verschwommen und schlussendlich war nur mehr dieses eine Bild da.

Ich wurde immer in verschieden Situationen aufgenommen.

Plötzlich hörte ich das Geräusch von Autos im Hintergrund.

Dann kam das Rascheln der Blätter hinzu.

Und danach hörte ich sogar das Surren der Antennen hinter mir.

Ich spürte wie mir Gänsehaut über den ganzen Körper kroch.

Ich nahm den trockenen Geruch der Nacht wahr und den Gestank der fahrenden Fahrzeuge.

Ich konnte mich in die Situation die ich vor Augen hatte hineinversetzten. Es war als erlebte ich sie in Wirklichkeit.

Und dann als ich glaubte ich wäre schon komplett in dieser Trance drinnen kamen auch noch die Stimmen in meinem Kopf hinzu.

Sie schrien Dinge wie:

„Es ist zu kalt draußen für Engel um zu fliegen!"

Oder:

„Das ist nichts was dir weiter hilft!"

Aber das Schlimmste war mit Abstand die Stimme die mir sagte es sei gut was ich machen wollte.

„Du würdest von allem befreit sein. Die Welt würde von dir befreit sein. Es heißt immer man soll sich selbst nicht vergessen doch genau das machst du die ganze Zeit. Wenn du es willst dann mache es. Mache das was du gerne möchtest und wenn es das ist wollen wir dich dabei nicht hindern."

Auch wenn ich mich nur im Gedanken befand fühlte es sich mehr als nur real an.

Egal wie ich in mir schrie.

Wie es in mir schrie.

Mein Pokerface blieb auf meinem Gesicht. Ich versuchte nicht zu weinen doch es wäre eine Beruhigung für mich wenn es so wäre. Dann hätte ich eine Versicherung, dass mir das alles wirklich zu schaffen machte.

Doch es bahnte sich nicht eine einzige Träne meine Wange hinunter. Nicht einmal eine Klitzekleine.

Auch ich verzog keine Miene. Weder meine Augenlider schlossen sich noch zogen sich meine Mundwinkel nach unten.

Weder in der Wirklichkeit noch in meinen Gedanken.

Ich dachte nach.

Bewegte es mich wirklich?

Nun überlegte ich mir wie es wäre wenn es mir besser ginge.

Ich hätte vielleicht ein Haus. Oder auch nur eine ganz kleine Wohnung, aber es wäre besser. Ich hätte vielleicht auch einen tollen Freund oder eine beste Freundin. Ich hätte vielleicht auch Geld und einen vollen Kühlschrank oder ich hätte wenig Geld und etwas zu essen.

Aber es könnte auch schlimmer sein.

Ich könnte unter der Brücke leben und überhaupt nichts zu essen haben. Ich könnte noch scheuer sein als ich sowieso schon bin. So könnte ich dann nicht einmal mehr in die Stadt gehen. Oder ich könnte auch in einem Park leben oder Sonstiges.

Es könnte schlimmer sein.

Aber auch für eine Person die in einer Villa lebt, zwei volle Kühlschränke hat und verheiratet ist könnte es besser sein.

Es könnte immer besser sein.

Aber auch schlimmer.

Auch wenn man unter der Brücke lebt könnte es schlimmer sein.

Und ich.

Und ich befand mich in der Mitte der beiden.

Es war mir bewusst, dass ich mehr als nur Glück hatte, dass ich das was ich jetzt hatte bekommen hatte.

Aber der Mensch ist egoistisch.

Nun bin ich aber Engel.

Ich dachte immer Engel sind anderes.

Ich dachte man wird Engel wenn man ein guter Mensch war.

Doch so war es nicht.

Man musste weder eine gute Tat vollbringen noch sonst irgendwas. Vielleicht musste man auch diese Art von Mensch sein wie ich. Diese Art die unzufrieden mit ihren normalen Leben war. Aber in Grunde genommen musste man einfach nur sein Leben leben.

Engel waren im Grunde genommen wie Menschen.

Nur mit dem Unterschied, dass sie eben Engel sind.

An Angel Will DieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt