33

2.5K 165 9
                                    

Nun sah ich wieder auf.

Mir fielen wieder die beiden Mädchen in den Blick.

Ich drehte mich langsam um. Doch mir brachte es nichts, denn ein erneuter brennder Schmerz durchzuckte meinen Körper.

Es ist Zeit zu gehen, erinnerte ich mich.

Sonst komme ich gar nicht nach Hause und meine Zeit ist vorher abgelaufen.

Doch es fühlte sich immer noch so an als hätte ich hier noch etwas zu erledigen.

Ich hatte noch zwei Pfeile. Einen konnte ich noch hier verwenden.

Doch mein Schmerz wollte mich nur mehr nach Hause tragen. Auch ich wollte nach Hause.

Diesmal dachte ich darin wie ich auch von der Liebe flüchtete als ich ganz am Anfang. Noch keine Flügel hatte. Ich stellte mich mit Flügeln vor. Doch es änderte nichts an der Tatsache, dass ich auch dort weglief.

Doch nun werde ich nicht weglaufen. Nun werde ich bleiben.

Ich sah wieder auf. Da vorne standen ebenfalls zwei.

Es war mir egal ob ich nun Liebe schaffte oder sie wegnahm. Ich wollte nur meinen letzten Pfeil wegbekommen, den ich jemanden geben konnte. Ich wollte nur noch einmal, das letzte Mal einen Pfeil an eine andere Person geben.

Ich nahm einen Pfeil in die Hand und ging auf sie zu.

Und mit allen Gefühlen die ich fühlte, mit Wut mit Stolz mit Traurigkeit, stach ich den Pfeil in ihren Rücken.

Wie immer zerplatzte er. Ich wusste nicht was ich erwartet hatte. Doch es war offensichtlich etwas anderes. Denn ich war ein klein wenig enttäuscht.

Und nun musste ich raus. Ich musste endgültig weg von hier.

Ich sah mich schon draußen. Draußen auf der dunklen Straße.

Und nun musste ich mich auf den Weg machen.

Doch als ich meine Bewegungen des Schmerzes wieder stoppte um nun wirklich loszugehen.

Kam wieder dieser eine Gedanke.

Dieser Gedanke, den ich meine innere Uhr nannte.

Ich sah mich wieder im Seiten Schema.

Und dann tauchte auch meine Hand in dem Bild auf.

Meine Hand hatte den Pfeil fest umschlossen und bewegte ihn langsam auf meinen Hals zu.

Nein, nein, nein. War meine Zeit schon abgelaufen? Jetzt schon?

Ich dachte ich hatte noch Zeit. Ich dachte wirklich ich hätte noch genug Zeit nach Hause zu kommen.

In diesem Bild setzte ich den Pfeil zuerst ans Kinn und bewegte ihn dann bis zu der Stelle am Hals.

Dann war auch dieser Gedanke verschwunden.

Und plötzlich wurde mir schwindelig. Ich musste mich wo anlehnen.

Mit benebeltem Gedächnis und meinem Schwindel bahnte ich mir so gut ich konnte einen Weg durch die Menschen zur Mauer.

Dort lehnte ich mich an und ließ den Kopf auf die Rohre sinken.

War es nun vorbei?

War nun meine Zeit abgelaufen?

Und dann trat ich weg.

Ich hatte meine Augen schon geschlossen als ich sie mit einem Ruck wieder öffnete.

Nein.

Ich konnte mich nicht wieder vom Engel sein beherrschen lassen.

Auch wenn meine kleine Ruckartige Bewegung einen ganzen Schmerzes-Kreislauf zum Rollen brachte. Beugte ich mich von der Wand weg.

Wenn ich etwas tun wollte musste ich es jetzt tun. Es könnte gleich zu spät sein.

Trotz meines Schwindels lief ich durch die Menge ohne jemanden eines Blickes zu würdigen.

Trotz dem, dass überall Stimmen redeten spürte ich eine unglaubliche Leere in mir.

Ich ging aus dem Raum. Weg von all diesen Menschen und war wieder in dem Leeren Raum. In dem Raum wo ich dachte ich könnte nicht lebendiger sein.

Doch nun ließ ich mich nicht von dem ablenken was der Raum ausstrahlte. Ich lief einfach weiter. Zur Tür hinaus.

Ich machte mir nicht mal die Mühe sie wieder zu schließen. Alles was ich wollte ist nach Hause. Nach Hause in meinen Schuppen.

Ich brauchte ein paar Sekunden um zu entscheiden in welche Richtung ich laufen sollte. Es war kalt.

Ich wusste nicht ob ich schon lange lief oder erst das erste Mal eingebogen war. Doch eins wusste ich. Ich musste nach Hause.

Und da entdeckte ich etwas.

Die Geleise einer Straßenbahn. Ich folgte ihnen bis zur nächsten Station.

Dort wartete ich. Und wartete ich.

Es ist zu kalt

Für Engel, um zu fliegen...

Engel fliegen, fliegen, fliegen

Für Engel zu fliegen, zu fliegen, zu fliegen

Ich war schon lange nicht mehr mit der Straßenbahn gefahren, außer gerade letzthin. Doch da hatten mich meine Füße von selbst getragen.

Und nun kam sie endlich.

Ich nahm Platz und fuhr bis zu einer Station die in der Nähe meines Hauses war.

Als ich mich von meinem Sitz erhob kehrte der Schmerz zurück, der beim sitzen etwas aus mir gewichen ist. Doch mich kümmerte es nicht. Ich wollte nur nach Hause.

Ich lief die leicht beleuchtete Straße entlang und kam schließlich bei meinem Schuppen an.

Ich betrachtete ihn kurz und drückte schließlich die Klinke nach unten.

Er sah genau so aus wie immer.

Und wie immer wenn ich hier war hasste ich ihn.

Erneut überkam mich Schwindel. Ich stolperte über meine Füße und fiel auf mein Bett.

Ich nahm meinen letzten Pfeil.

Dieser Pfeil würde für mich sein.

Und es würde das Letzte sein. Für immer.

Ich atmete einmal tief durch und erinnerte mich an alles was ich in den letzten zwei Nächten erlebt hatte. Es war so viel gewesen.

Doch auch nun erinnerte ich mich oft daran wie oft ich einen Pfeil geschossen hatte und wie oft ich dabei zusehen musste was geschah. Erneut durchzuckte mich Schmerz.

Doch nun war alles vorbei. Ich würde diesen Schmerz nie wieder spüren müssen. Nie wieder.

Ich würde die Welt nie wieder sehen müssen. Nie wieder.

Ich werde nie wieder lebendig sein. Nie wieder.

Und dann steckte ich mir den Pfeil in den Hals.

Ich fiel auf meine Matratze und schloss die Augen. Für immer.

An Angel Will DieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt