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Ich brauchte noch einige Minuten bis der stechende und ziehende Schmerz nachließ, bis die Stimmen aufhörten mich zu verspotten und bis ich wieder klare Gedanken fassen konnte.

Und ich wollte nach Hause.

Doch ich wusste nicht wie.

Gehen war ausgeschlossen. Es wäre viel zu weit und außerdem wusste ich nicht mal wo ich gehen müsste um nach Hause zu kommen.

Mit der U-Bahn oder Straßenbahn zu fahren müsste gehen doch wie gesagt kannte ich mich in dieser Gegend überhaupt nicht aus und wusste somit auch nicht wo ich eine U- oder S-Bahn Station finden würde.

Und ein Taxi konnte ich erstens wieder nicht bezahlen und zweitens hier war keine Menschenseele, warum sollte ein Taxi herkommen.

Ich könnte auch ein Fahrrad stehlen doch da weiß ich auch nicht wohin und es ist schon bestimmt 5 Jahre her seit ich das letzte Mal Fahrrad gefahren bin.

Es blieb mir nichts anderes übrig als hier sitzen zu bleiben oder belanglost durch die Straßen Londons zu schleichen.

Ich entschied mich dafür eine U-Bahn Station zu suchen und somit einfach nur so durch die Straßen zu gehen.

Also stand ich auf und machte mich auf den Weg. Es war etwas kühl geworden.

Und wieder sehnte ich mich nach meinem zu Hause.

Wie gerne würde ich nun eine warme Tasse Tee in den Händen halten.

Doch stattdessen marschierte ich durch eine unbekannte Straße.

Ich schlenderte noch ein wenig auf dem Bordstein weiter bis ich wieder in eine Seitenstraße einbog.

Und plötzlich stand ich vor meinem Schuppen

Natürlich war es nicht mein richtiges Schuppen. Doch er hatte genau dieselben schmutzigen Fenster und auch eine halb kaputte Tür.

Ich legte meine Hand auf die Türschnalle und fuhr mit der Hand über das einfache Muster auf der Tür.

Schließlich fasste ich den Mut und drückte die Schnalle nach unten.

Und erneut tauchten wieder die Stimmen in meinem Kopf auf „Und durch eine Röhre fliegt sie ins Mutterland oder verkauft Liebe an irgendeinen Mann" schrien sie diesmal.

Sie hatten ja Recht wie durch eine Röhre bin ich zu diesem Haus gekommen und vorhin hatte ich wieder einem Mann Liebe „verkauft". Es scheint beides so skurril doch wahr.

Aber aus irgendeinem Grund nervten mich die Stimmen die immer wieder dasselbe wiederholten. Ich versuchte sie auszublenden und trat in das Haus ein.

Wie erwartet lag dort nicht meinen Matratze und auch mein Schreibtisch waren nicht hier.

Der Raum wirkte ein wenig leer. Doch er war lebendig.

Mein Schuppen war das Gegenteil.

Es standen überall Dinge die ich im Müll gefunden hatte und brauchen konnte. Doch trotzdem fehlte ihm das Leben.

Ich hatte meinem Schuppen alles gegeben was ich konnte doch man kann dort immer noch kein Leben fühlen. Kein zu Hause.

Hier konnte man es aber fühlen wie oft Leute hier durch gingen. Hier konnte man fühle wie vielen Leuten es hier gut ging. Hier konnte man fühlen wie viele Menschen hier wirklich lebten.

Trotz dem, dass der Raum leer war.

Und dieser Raum war viel länger als meiner. Ich ging ihn ein wenig weiter entlang.

Es fühlte sich gut an so ein fremdes Gebiet zu erkunden. Es fühlte sich gut an in ein unbekanntes Gebäude zu gehen nur um zu sehen was darin ist. Es fühlte sich an als wäre ich ein ganz normales Mädchen in meinem Alter. Es fühlte sich lebendig an.

Ich wünschte mein Schuppen würde das gleiche ausstrahlen.

Bestimmt hatte mein Schuppen auch einen Verdienst daran, dass ich nun so bin wie ich bin.

Doch auch wenn es so war, vermisste ich meinen Schuppen jetzt. Ich hätte nie gedacht, dass ich dieses alte zerfallene Gebäude eines Tages vermissen werde.

Doch nun wo ich in einem ähnlichen Schuppen mit den Fingerspitzen über die Wand strich vermisste ich meinen Schuppen tatsächlich.

Ich würde alles dafür geben jetzt dort zu sein.

Ich ging noch weiter in den Raum hinein.

Ich genoss das Gefühl der Lebendigkeit hier. Langsam hob ich die Arme.

Auch wenn ich schon Flügel hatte fühlte es sich jetzt viel mehr nach Flügeln an.

Ich dachte immer Engel sind frei. So frei wie ein Vogel der über eine blühende Wiese fliegt. Doch stattdessen sind wir gefangen wie in einem Käfig. Und uns wird noch extra zum Wohl anderer Schmerz hinzugefügt. Wie bei einem Vogel der der Wissenschaft dient.

Auch wenn beides Vögel mit Federn waren lag ein großer Unterschied zwischen ihnen.

Genau wie bei der Vorstellung eines Engels und im wirklichen Leben eines Engels ein großer Unterschied war.

Auch wenn beides Engel mit Flügel waren lag ein großer Unterschied zwischen ihnen.

Genau wie es einen Unterschied zwischen meinem Schuppen und diesem hier gab. Auch wenn sie von außen gleich aussahen.

Und plötzlich hörte ich etwas. Es war ganz leise doch umso weiter ich in den Raum hinein ging um umso lauter wurde es.

Ich hatte es noch nicht oft gehört. Doch manchmal saß auf der Straße jemand und spielte auf seiner Gitarre.

Ja, ich wusste was es war.

Es war Musik.

An Angel Will DieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt