Wenn du dem Bösen einen Gefallen schuldest

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Wenn ich die Wahl hätte... ach, was labere ich da eigentlich???

Seit gestern zerbreche ich mir den Schädel wie ein Bekloppter! Nur wegen diesem, wegen diesem fast Vorfall. Es ist mir egal was passiert ist, aber so ganz empfindet das mein Körper nicht. Mit einem Schwall war alles von meiner damaligen Beziehung mit Tobi wieder hochgekommen. Ich habe nicht geschlafen, genau wie die ewig langen Nächte damals, kurz nachdem er mir alles gesagt hatte. Er hat mich betrogen, ausgenutzt und zerrissen, doch es hat mich nicht mal zum Weinen angeregt. Ich war kaputt, aber mehr auch nicht. Austin und Leo haben am meisten darunter gelitten. Nach Austins Bruderschwur bin ich einem gewissen jemand etwas schuldig. Ich kann ihm nicht in die Augen schauen, denn dann sehe ich genauso unangenehme Dinge. Seufzend fahre ich mir durch meine dunklen Haare, bevor ich meinen Kopf gegen die Spinttür haue:"uhh..." stöhne ich einfach nur auf. Mir war danach mich irgendwo zu verstecken oder zu verbuddeln. "Was eine Laune!" Ich drehe den Kopf zur Seite und blicke der strahlenden Leo entgegen, die mich mit ihrer Fröhlichkeit umbringt gerade. "Was willst du, Königin der suizid fördernden Fröhlichkeit?" Sie legt den Kopf schief:"So mies also drauf? Ich wollte dich nur begleiten und... ach, ja das hier geben!"
Verdutzt stelle ich mich wieder auf und nehme den Zettel aus ihrer Hand, dann werfe ich einen Blick auf den Inhalt und erneut verzieht sich mein Gesicht:

"Es ist doch gerade Mal Mitte Oktober und hier in der Nähe von Kalifornien kennt wahrscheinlich jeder den Schnee nur von Bildern!" meine ich genervt und betrachte den Zettel weiter. Jede 11. Klasse macht eine Fahrt in die Berge, für eine Woche, vor den Winterferien macht. Wieso auch immer. Mir wäre es hier im Warmen eindeutig viel angenehmer, aber nein! Kultur muss sein. Und genau dafür müssen wir uns jetzt wieder einmal Gedanken machen.

Trotzdem danke ich Leo. Mit ihr kann ich erst mal allen unangenehmen Leuten aus dem Weg gehen. Also machen wir uns auf den Weg, Richtung Klassenraum um den höllischen Alltag wieder zu begegnen, aber wenn man gerade von der Hölle redet, kurz bevor ich in den Raum marschiere, kommt mir der Teufel höchst persönlich entgegen. Er sieht mich und packt mich sofort am Arm:"Hey, Kleiner." Ich zische ihm entgegen:"Sprich mich nicht in der Öffentlichkeit an!" Er grinst amüsiert:"Bist wohl sauer, weil ich dir deine kleine Nacht versaut, oh nein warte! Weil ich dich gerettet hab!" Ich schaue ihn gleichgültig an, bin selbst erstaunt wie stark ich mich mache und reiße meinen Arm los:"Ich gehe jetzt.", "Komm nachher mal raus. Ich will was mit dir klären... hat mit deinem Bruder zutun!" leicht weiten sich meine Augen und ich bleibe abrupt stehen:"Was?" Mark lächelt mich zynisch an:"Siehste. Du willst doch nicht das was passiert." Mit den Worten wendet er sich von mir ab und ich brauche einige Augenblicke um mich wieder zu fassen. Erst dann gehe ich in den Raum, stock steif und wahrscheinlich kalk weiß, aber das muss ich jetzt erst mal verdauen. Das kann nicht sein! Er blufft! aber...

Alles um mich ignorierend setze ich mich auf meinen Platz und starre nach vorn. Mir war wieder zum heulen, alles um mich herum beginnt erneut einzustürzen. Wieso? Was habe ich diesmal falsch gemacht? Ich... verstehe es einfach nicht.

Die ganze Zeit verbringe ich mit Nachdenken und wie ich am besten weiter mache. Gehe ich hin? Nein. Dann passiert etwas mit Austin. Das kann ich nicht tun! Meine Gedanken schienen mal wieder, wie so oft in letzter Zeit, einfach explodieren zu wollen. Der Unterricht zieht sich hin und macht es nicht gerade besser, als er dann vorbei ist verkrampft sich mein ganzer Körper und ich packe ganz langsam zusammen. Die anderen verabschieden sich schon und ich nicke nur schweigend. Leo schaut mich kurz traurig an, doch als ich ihr versichere, dass alles gut ist, geht auch sie mit einer schlechten Miene.

Ich hingegen schultere meine Tasche und mache mich langsam auf den Weg nach unten und durch die Hausmeistertür nach Hinten raus. Ein paar Schritte gehe ich, dann kann ich ihn auch schon sehen, wie er an der Wand lehnt und seine Kippe raucht. So cool... wie mir das zum Hals raushängt und als ich dann auch noch in sein Blickfeld komme, beginnt er mit Grinsen. Irgendwann....

"Was willst du?" blaffe ich direkt und bleibe vor ihm stehen, was ihn nur amüsiert:"Du baust dich ja auf! Was ich will? Na, dass müsstest du doch selber wissen!" Nein, das weiß ich nicht oder vielleicht doch... naja, ich will es nicht. "Nein, das weiß ich nicht!" Er lacht leise auf und schnippt den Stummel weg, dann geht er etwas um mich herum und sagt stichelnd:"Du bist mir was schuldig, hat mir dein Bruder gesagt. Daran soll ich dich erinnern!" Ich glaubs nicht! Wegen so einer Kleinigkeit?! Was ist mit denen nur falsch?

"Ich bin dir Garnichts schuldig! Das war nichts..." meine ich belanglos, doch Mark sieht das anscheinend ganz anders:"Ich habe dich vor einem Fehler bewahrt, also? Ich will doch nur eine Kleinigkeit." Ich kann mir genau denken, was diese "Kleinigkeit" ist.

"Komm schon, Jamie! Vor was hast du denn so eine Angst?!" seine Stimme ist frech und bissig. Ich balle die Fäuste und atme tief durch, dann drehe ich mich auf der Verse um und schaue ihn mit festen Blick in die Augen:"Ich habe vor dir Angst! Du bist der Grund warum ich langsam aber sicher immer mehr durch drehe, denn wegen dir muss ich an alles denken. An all den Schmerz!"

Mit einem großen Schritt steht er vor mir und packt mich mit bedrohlichen Blick:"Was zur Hölle redest du?! Sag es mir endlich! Was ist mit euch bloß falsch? Dauerhaft diese Geheimnistuerei! Ich will das du mir jetzt alles erzählst!" knirscht er und lässt mich nicht aus den Augen. Meine Lippen beben. Niemand weiß es außer dem sehr engen Kreis, doch ich schulde ihm was und wenn er das weiß, wird er mich eh in Ruhe lassen.

"Du erinnerst mich an alles was ich in dem Waisenhaus erlebt habe. In dem Haus in dem ich die ersten 10 Jahre meines Lebens in Schmerz und Gewalt verbracht habe."


Behind His EyesWhere stories live. Discover now