Nochmal von vorn

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Mit zittrigen Händen umgreife ich die Autotür und öffne sie, dann steige ich aus und schultere meinen Rucksack. Es ist erdrückend... alles hier schnürt meine Kehle zu und lässt mich an meinen eigenen Gedanken ersticken.  Meine Beine spüre ich nicht mehr und jeder Schritt fühlt sich an, als würden beide Beine unter meinem Gewicht zusammenbrechen, als könnten sie die Masse an Hass, Trauer und versuchter Freude nicht mehr halten und swollten sich lieber ausruhen. Garnicht mehr gehen. Ich würde mich gerne einfach ausruhen und hinlegen, denn sobald ich dieses Gebäude auch nur erblicke dreht sich mein Magen um und die Angst schlägt den neu gewonnenen Mut um Längen. Ich kann sie nicht besiegen, denn ich werde ertrinken wenn ich das versuche, aber ich kann mit ihnen schwimmen und das Beste versuchen. Nur das ist die letzte Chance. Das habe ich zu mal auch noch versprochen.

Mein Bruder legt einen Arm um mich und zieht mich mit sich, denn ich kann nicht ganz genau sagen wo ich hin will oder hin muss besser gesagt. Das ist alles etwas zu viel für mich. Zu viele Gesichter, die mich anstarren, wei lsie wissen wollen was mit mir und meinem Bruder passiert ist, weil die Gerüchteküche kocht und alle die Wahrheit wissen wollen. Es ist zum kotzen! ich hasse sowas und würde am liebsten aufschreien. Zur Hölle nochmal!! Instinktiv balle ich die Fäuste und versprühe mit einem Schlag eine angreifende Aura aus, die Zähne aufeinander gebissen und einen zornigen Blick im Gesicht. Ich will nicht ihre neugierigen Blicke auf der Haut spüren und ich will nicht angesprochen werden. Das würde mich im schlimmsten Fall zum explodieren bringen. Erst als ich vor dem Klassenraum bin, lässt er mich los und nickt mir zu:"Lass dich nicht unterkriegen. Ich hab dafür gesorgt das erstmal keiner der Typen in deine Nähe kommt, so gut es geht." Dankend nicke ich ihm zu und dann wartet er bis ich den Raum betrete, bevor er sich umdreht und verschwindet. Leider weiß ich nicht wohin und auch nicht was er jetzt macht. Mein Schutz und meine Stütze ist plötzlich weg. Was mach ich jetzt nur? Diese Frage beantwortet sich sogar sehr leicht.

"Hey, alter.." begrüßt mich mein bester Freund und nimmt mich erstmal in den Schwitzkasten, dann wuschelt er mir über den Kopf und wir lachen auf:"Hab dich schon vermisst... dachte du bist tot. Da du dich ja garnicht mehr meldest." Ich schüttle amüsiert den Kopf und meine nur:"Mich wirst du nicht los, egal wie wenig ich mich melde, darauf kannst du Gift nehmen!" wir schlagen ein und dann sind wir wieder in unserer Truppe zusammen und ich rede auch nochmal nach der dritte Stunde in Ruhe mit Leo, die sich sterbends Sorgen um mich gemacht hat. Ich ihr aber dann mit einem liebevollen Lächeln alles erklärt habe und sie mich wieder in ihre Arme geschlossen hat. Sie weiß das mir das gut tut und das ich alle anlüge. Es geht mir verdammt dreckig, auch wenn ich Mut gefasst habe, bin ich völlig am Ende. Meine Freunde sind trotzdem da und ich kann mich auf sie verlassen, so ist es einfach und es ist auch verdammt gut.

Ich bin von Menschen umwimmelt, doch eigentlich bin ich nicht bei der Sache.. eigentlich bin ich ganz allein mit meinem Kopf gefangen und ganz ehrlich? ich suche ihn. Denn ich will wissen wie ich ihn zugerichtet habe, ob er nach mir sucht oder ob... er mich nicht mal mehr ansieht. Mein Herz schreit los, doch mein Kopf hat die Schlinge um meinen Hals fast zugezogen. Liebe ist grausam und tut weh, dieser Kerl tut scheiße weh und ich kann nicht mehr... was zur Hölle soll der Mist?! Warum kreist einfach alles um ihn?? - Genau! Weil er jede einzelne Wunde wieder aufgerissen hat, jede tief vergrabene Erinnerungen wieder hervorgeholt hat und mich verletzt hat. Seelisch und körperlich... trotzdem sehe ich ihn nicht. Kann sein gesicht nicht sehen... einfach nichts...

Mit einem Schlag drehe ich mich um, gehe mit großen Schritten voran, mir dröhnt der Schädel und ich muss sofort hier raus. Zwar spüre ich die besorgten Blicke, doch sie lassen mich einfach ziehen. Gut so. Keinen von ihnen will ich in genau diesem Augenblick um mich haben und ich verkrieche mich einfach hinter der Schule in eine abgelegene Ecke, wo ich nichts höre oder irgendjemanden sehe.

Lange starre ich in die Flamme des Feuerzeuges und habe mir gerade die zweite Kippe angesteckt. Mein Unterricht ist zum Glück schon vorbei, sonst wäre ich durchgedreht. Der Rauch füllt meine Lungen und ich puste ihn lange aus, genieße jeden Augenblick den ich gerade allein habe und lasse meine Gedanken schweifen, blende die Stimmen aus und die Erinnerungen, den Geschmack von seinen Lippen, die Schläge und die Schmerzen... alles vergesse ich und bin einfach nur in diesem einen Augenblick -Ich.

Leider hält dies nicht wirklich lange an, denn Besuch und Überraschung warten nicht auf sich. Mit einem Mal nehme ich die ersten Schritte wahr und blicke auf, doch es ist nicht der den ich erhoffe zu erblicken.

"na sieh einer an! Die kleine Schlampe..."

Fuck. Das ist doch jetzt nicht wahr....

Behind His EyesWhere stories live. Discover now