Leere

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"Jamie... heyy?..." langsam werde ich wach, dass schwache Licht brennt schon auf meinen Augenlidern und ich brumme nur ohne mich zu bewegen. Mein Körper schmerzt, mein Gesicht brennt und meine Hände zittern.

Das ist das einzige was ich spüre... und diese Leere. Diese beschissene Leere die sich in mir fest gefressen hat und den rest meiner Seele und meiner Psyche verschlingt. Doch trotzdem dringt die Stimme langsam zu mir durch, sehr leise und stark gedämpft, als hätte ich den ganzen Abend Techno und Metal gehört, aber auf einer Lautstärke das das Haus dabei abgerissen wurde. Scheiße... was ist nur passiert? Ich kann... nein ich will mich an diesen Abend nicht erinnern.

"Jamielein? Mein kleiner..." nun wird die Stimme lauter und ich kann sie langsam als die meiner Mutter einordnen und spüre dann ihre Fingerspitzen auf meiner Wange, wie sie langsam darüber streichen und dann zu meinen Haaren fahren und dort zaghaft durchwuscheln, doch ich gebe keinen Ton von mir, bewege mich nicht und habe sogar das gefühl nicht mal zu atmen. Nur meine Augen habe ich einen Spalt geöffnet und blicke mit verschwommenen Blick auf die dunkel blaue Bettwäsche, meines Bettes.

Ihre zu Locken gemachten Haare berühren meine Haut, sie riechen wie immer nach frischen kräutern und Heilpflanzen, angenehm und beruhigend. Ihre Arme schlingen sich um meinen Körper, dass ist ewig her seit sie das getan hat auf diese Weise, und es ist als würde sie es gerade so schaffen mich in ihren Schutzschild aus Geborgenheit und Mutterliebe zu drücken. Meine Ma hüllt mich ein und ist für mich da, wie sie es schon immer war.

"Weißt du..." beginnt sie und ihre sanfte Stimme hat nun einen leicht gebrochenen Unterton mitschwingend:"Weißt du warum wir gerade dich damals als kleinen Jungen mitgenommen haben? Und weißt du warum wir dir einen Namen gegeben haben? Wieso du sogar mein heimliches lieblings Kind bist?" zaghaft schüttle ich den Kopf und sie streicht mit einer Hand weiter durch meine Haare:"Ich hatte eine Fehlgeburt, damals... ein Jahr bevor wir dich adoptiert haben. Es war grausam, dass Kind was in mir war, war schon ganze zwei Monate tot gewesen. Ich hatte ein totes Kind in mir gehabt und man hat es zu spät bemerkt. Nach dem ganzen Chaos war ich mit den Nerven völlig am Ende, meine Psyche war völlig zerstört und ich dachte ich verfalle in noch tiefere Depressionen. Wirklich eine schlimme Zeit war das und dann kam ein guter Freund von mir und hat uns gebeten , nein mich gebeten ihm zu helfen, mit den Kindern aus diesem grausamen Waisenhaus."

Sie hält kurz inne und ich spüre ihren Blick auf meinem Rücken, auf meinen Narben, dann setzt sie fort:"Dann habe ich dich gesehen und dir in dein ausdrucksloses Gesicht gesehen, deine Augen glichen denen meines Kindes oder ich bildete mir das nur ein, jedenfalls wusste ich das du das Kind bist dem ich ein Lächeln auf sein kaltes Gesicht zaubern wollte und dem ich eine Chance geben wollte, dass ich nicht einfach sterben lassen wollte und jetzt schau.." sie piekt mich in die Seite und ich zucke leicht zusammen:"Schau was für ein großartiger Kerl du geworden bist. Du bist so stark geworden und so gut aussehend! Du darfst nicht weinen! Du bist mein Jamie, der kleine Junge der mir ein Lächeln auf die Lippen gezaubert hat und sich nicht einfach von irgendeinem beschissenen Kerl so runterziehen lässt!"

Meine Ma. Meine großartige, bekloppte Mutter, die mir gerade wirklich ein kleines Lächeln auf die Lippen gebracht hat und mir einen dicken Kuss auf die Wange drückt. "Komm aus dem kleinen Loch endlich raus. Du musst das alles auch allein bewältigen, dass hast du schon mehrmals gepackt." und sie hat Recht. Auch wenn das verdammt weh tut. Und es sich so verdammt falsch anfühlt.

Nun lässt sie mich los und krabbelt vom Bett, nimmt ihre Wärme mit, doch lässt ihren Schutz immer bei mir. Sie ist immer da und sie beschützt mich. "Ich hol Austin.. er soll sich um deine Dellen kümmern." Als sie die Tür geschlossen hat, richte ich mich langsam auf und strecke meine kalten Gliedmaßen. Mein Kopf ist leer und schwer, als wolle er mir gleich runterfallen von den Schultern, doch ich seufze und betrachte meine Hände. Sie sind aufgeplatzt und zerschunden, mein Gesicht wahrscheinlich genauso... so taub wie es sich anfühlt. Langsam kommen die Bilder von dem Abend zurück und ich keuche von krassen Kopfschmerzen übermannt auf.

Mein Bruder hat mich nach Hause getragen als das Adrenalin verflogen war und ich ohnmächtig zusammengebrochen war. Dann habe ich das ganze Wochenende nur noch in meinem Bett gelegen und mich vergraben, hab in meinen eigenen Depressionen geschwelgt, gelitten und mich zweimal übergeben. Echt beschissen. Genauso wie Mark.

Die Tür wird aufgerissen und nun steht mein Bruder im Raum, jede Farbe hat sein gesicht verlassen und ein leichtes Feilchen ziert sein rechtes Auge, seine Haare hat Mum wohl frisch geschnitten und sie sind vom Waschen noch nass. Austin fällt neben mich auf das bett und umarmt mich erstmal, was ich erwiedere und nur leise kichere:"Du Idiot..." er zwickt mich und ich zucke auf, dann sagt er:"Selber! Wegen dir machen sich doch alle sonst welche Gedanken!" dann löst er sich und beginnt meine Hände zu verarzten und dann mein Gesicht zu begutachten. Wir wechseln ein paar Worte und er merkt sofort wie es mir geht:"Geht es?" Ich ziehe eine Augenbraue hoch:"Seh ich so aus?" Austin macht den zweiten Verband fest und meint etwas abwesend:"Du siehst richtig scheiße aus, dass ja, aber das ist auch normal." Arsch!

"Ey, komm mach dich fertig. In eienr Stunde beginnt die Schule. Deine Melancholie musst du nun runterschlucken... wir passen auf dich auf." versichert mir Austin und lächelt mir zuversichtlich zu, streicht vorsichtig mit dem Daumen über meine zerschundenen Finger und steht dann auf. In seinen Augen ist wieder dieser liebevolle Ausdruck und der Mut den er mir schenkt. Er ist manchmal schon der Beste, also rapple ich mich auf und schnappe mir ein paar frische Sachen. Meine lieblings Sachen und mache mich dann schnell fertig. Eine Dusche wäre jetzt verdammt gut.

Was wird mich nur heute erwarten? Noch schlimmer kann es kaum kommen...

Behind His EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt