> 𝗞𝗮𝗽𝗶𝘁𝗲𝗹 𝟭𝟳

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Wie vereinbart, stehe ich am nächsten Morgen um 7:10 Uhr vor Blakes Auto und warte auf ihn. Selbst, wenn ich mich jetzt noch für den Bus entscheiden würde, wäre es zu spät, weil dieser vor wenigen Sekunden an mir vorbeigefahren ist. Wäre die Haltestelle nicht einige Straßen weiter und in unmittelbarer Nähe unseres Hauses, würde ich jetzt nicht hier stehen weil ich den Bus nie verpasst hätte. Nur weil ich einmal zu spät aufgestanden bin, fahre ich jetzt morgens in einem Cabrio zur Schule statt in einem Bus. Das nenne ich mal ein Upgrade.

„Guten Morgen", begrüßt Blake mich mit seinem üblich lässigen Blick, als er aus der Haustür tritt. Er trägt ein weißes T-Shirt und darüber eine schwarze Jeansjacke, die ihm wirklich gut steht. Seine Haare sind so wie immer – nicht extra gestylt, aber auch nicht zu verwuschelt. Irgendwie ein Mix aus beidem und so zerzaust, dass ich mich frage, ob sie sich auch so weich anfühlen, wie sie aussehen.

„Guten Morgen", sage ich verspätet und spüre bereits sie Hitze in meine Wangen steigen.
Ich hoffe, dass mir meine Gedanken nicht ins Gesicht geschrieben stehen, sonst schaffe ich es definitiv nicht, in diesen Wagen zu steigen. Was denke ich da überhaupt? Nein. Das ist nicht gut. Bevor ich ins Auto steige, atme ich nochmal kurz durch.

*

Diese Fahrt zur Schule war nicht ganz so schlimm wie letztes Mal. Zwar haben wir so gut wie gar nicht geredet, aber das war vollkommen okay für mich. Im Hintergrund lief wieder Musik, doch dieses Mal bin ich mir sicher, dass es nicht war, um en Gespräch mit mir zu vermeiden, sondern weil es ihm beim Fahren entspannt. Es war wieder die gleiche CD von All Time Low.

Als Blake auf den Parkplatz der Schule biegt, kann ich bereits Brianna und Conor sehen, die sich unterhaltend aus dem Auto steigen.
Blake zieht den Schlüssel raus und wir schnallen uns ab. „Danke für's mitnehmen", sage ich vor dem Aussteigen und bekomme von ihm ein Lächeln zurück.

„Hey, Mr und Mrs Parker", höre ich eine Stimme und erstarre. Bitte lass das nur ein blöder Witz sein. Ich vernehme immer näher kommende Schritte und sehe plötzlich einen Kopf, der sich dich neben meiner Schulter in mein Sichtfeld drängt. Reflexartig hebe ich meine Arme in Abwehrhaltung und verpasse dieser Person aus Versehen einen Schlag mitten ins Gesicht, sodass sie einige Schritte nach hinten taumelt.

Als mir bewusst wird, was ich getan habe, drehe ich mich erschrocken um und bemerke, dass ich gerade wahrscheinlich Blakes bestem Freund ein blaues Auge verpasst habe. Shit.
Dieser hält sich eine Hand genau an die Stelle, die ich getroffen habe. Sofort fühle ich mich noch schuldiger. „Oh Gott, das tut mir wahnsinnig leid. Das wollte ich nicht", entschuldige ich mich hastig und nehme erst jetzt das Kichern um und herum wahr.

Bri steht nicht allzu weit von uns weg und kann sich vor Lachen kaum noch halten. Auch Blake lacht und tritt neben mich. „Tja, Conor. Schon wieder von einem Mädchen verprügelt worden", ist das einzige, was er dazu sagt. Entgeistert starre ich ihn an.

„Oh, Mann. In nächster Zeit halte ich mich lieber von eurem Geschlecht fern. Ihr seid nämlich nicht gerade sanfte Lebewesen", stöhnt Conor und scheint es mit Humor zu nehmen.

„Es tut mir wirklich leid, Conor", widerhole ich.

„Ach was. Du musst dich nicht entschuldigen, Ave. Wenn mein Bruder so blöd ist und sich an dich heranschleichen muss, hat er es nicht anders verdient", schaltet sich nun auch Bri mit einem Augenrollen ein.

„Du bist heute wieder so einfühlsam, Schwesterherz", entgegnet Conor in einem sarkastischen Tun und wendet sich wieder mir zu. „Das eben war keine gelungene Vorstellung, tut mir leid. Also, ich bin Conor, Briannas Bruder und der beste Freund des Kerls, der neben dir steht und mich lieber auslacht, als zu fragen, ob es mir gut geht." Mit einer Kopfbewegung deutet er auf Blake, der sich mittlerweile wieder eingekriegt hat und nur noch lächelt.

Conor kommt näher auf mich zu und streckt mir eine Hand entgegen. Ich ergreife sie. „Hey, Conor, ich bin Avery", erwidere ich freundlich. Mehr gibt es nicht zu sagen; er kennt mich ja sowieso schon. Wir lassen unsere Hände los.

„Cool, dich endlich mal kennenzulernen. Ich habe schon viel von dir gehört." Was genau er damit meint, kann ich nicht mehr fragen, da Blake auf ihn zutritt und ihn mit einer Hand auf der Schulter in Richtung Schuleingang schiebt. „Lass uns lieber reingehen, bevor du dich noch mehr zum Affen machst, Con."

Ich sehe den beiden hinterher, wie sie über den Parkplatz gehen und miteinander reden.

„Das war mein idiotischer Bruder", kommentiert Bri, stellt sich neben mich und schüttelt leicht den Kopf. „Ich würde ja gerne sagen, dass es daran liegt, dass er betrunken ist, aber er ist einfach ein Idiot." Ich schaue zu ihr. „Ja, ich kann auch glauben, dass er mit mir verwandt ist, aber er kann auch anders sein, wenn er nicht den Klassenclown spielt. Jedenfalls", sie erwidert meinen Blick und setzt ein anerkennendes Lächeln auf, „hast du einen beindruckenden Aufstieg hinter dir. Vom Schulbus zum Cabrio. Nicht schlecht."

„Tja, wenn man einen so netten Nachbarn wie ich hat, kann sowas vorkommen", antworte ich mit einem triumphierenden Lächeln.

*

Es ist wirklich eine Erleichterung, morgens nicht mehr mit dem Bus zur Schule fahren zu müssen. Bis letzte Woche hat es mir auch nichts ausgemacht, aber erst, wenn dir etwas Besseres gegeben wird, merkst du, wie sehr du das vorherige eigentlich gehasst hast. Das ist mir jetzt bewusst geworden.

Mit Blake zu fahren ist wie eine Art Segen. In seinem Auto ist es angenehm ruhig, niemand zerquetscht mich und im Hintergrund ist nur seine Musik zu hören. Bisher hat er jeden Morgen ein anderes Album eingelegt. Die meisten hat er wahrscheinlich von All Time Low, weil wir die bisher am meisten gehört haben. Aber er hat auch eine Mix-CD mit verschiedenen Bands, wie Good Charlotte und blink-182.

Von manchen dieser Bands habe ich schon mal etwas gehört und auch ein paar Lieder im Radio oder zufällig auf Spotify gehört, aber so vertraut wie Blake mit ihnen ist, bin ich nicht. Ich bin überrascht, wie gut diese Musik zu ihm passt. Sie ist keine richtige Rock Musik, aber auch nicht wirklich Punk. Eher eine Mischung aus verschiedenen Musikrichtungen.

Ich habe mal gelesen, dass die Musik, die man hört, viel über eine Person aussagt. Über Blake sagt sie aus, dass er einen guten Musikgeschmack hat, nicht auf den typischen Mainstream steht und lieber etwas ältere Musik bevorzugt, die heute nicht mehr allzu bekannt ist, wie vor einigen Jahren vielleicht.

Da ich meine Neugier nur schlecht verbergen kann, frage ich ihn immer wieder, welche Band und welches Lied gerade laufen und er erklärt es mir. Aber nicht in einem Ton, in dem man normale Fakten weitergibt, sondern mit ehrliche Interesse. Es stört ihn nicht, wenn ich ihm Fragen stelle. Manchmal glaube ich sogar, dass es ihn freut, sich mit jemandem über Dinge zu unterhalten, die nichts mit Football zutun haben.

Es fasziniert mich immer aufs Neue. Niemals hätte ich gedacht, dass Blake so sehr auf Musik steht. Ich bin immer davon ausgegangen, dass er sich nur für Football interessieren würde. Da sieht man mal wieder, dass dieses typische Klischee der Footballspieler in Highschool kompletter Schwachsinn ist. Blake ist mehr als nur der Quaterback des Teams und ich finde es schade, dass er das in der Schule nicht zeigt. Umso mehr freue ich mich, Bekanntschaft mit einer anderen Seite von ihm zu machen, auch, wenn es nur ungefähr 20 Minuten am Tag sind.

(𝗡𝗼𝘁) 𝗬𝗼𝘂 𝗔𝗴𝗮𝗶𝗻Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt