> 𝗞𝗮𝗽𝗶𝘁𝗲𝗹 𝟮𝟭

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„Das war ein echt gutes Spiel, oder?", fragt Brianna mich, als wir auf dem Bett in ihrem Zimmer sitzen. Das Team – so hat sie es mir erzählt – feiert nach jedem Sieg bei irgendjemandem aus dem Team Zuhause. Meistens sogar bis zum nächsten Morgen, weshalb Conor immer erst am nächsten Tag nach Hause kommt.

„Ja. Ich hätte nicht gedacht, dass sie so gut sind, um ehrlich zu sein", antworte ich.

„Wir haben nun mal das beste Team", erwidert Bri lächelnd.

„Du bist wohl sehr stolz auf Conor."

„Oh ja. Leider ist unser Dad auf Geschäftsreise und konnte deswegen nicht zum Spiel kommen, aber meine Mom hat genug Videos gemacht." Stimmt. Ich erinnere mich an eine Frau mit braunen Haaren und einer Kamera in der Hand. Sie saß ziemlich weit am Rand, weshalb sie mir nicht aufgefallen wäre, hätte Bri mir nicht gesagt, dass ihre Mom auch da ist.

„Ich bin zwar kein riesiger Footballfan, aber Conor zuliebe gehe ich immer hin. Aber genug von Football. Kommen wir mal zu einem anderen Thema. Wir kennen uns jetzt schon seit Wochen und trotzdem weiß ich noch gefühlt gar nichts über dich." Interessiert setzt sie sich aufrecht in einen Schneidersitz. „Vermisst du deine alte Schule?"

Gute Frage. Vermisse ich sie? Eigentlich nicht. In meine alte Schule bin ich sowieso nie gern gegangen. Die einzige Person, die ich vermisse, ist Fiona. „Nicht wirklich. Ich vermisse nur meine beste Freundin", antworte ich.

„Das verstehe ich. Die Highschool ist in der jeder Stadt scheiße, aber die richtigen Leute können diese zeit erträglicher machen." Diese Wort bringen mich zum lächeln. „Gibt es denn noch jemanden, den du zurücklassen musstest?", fragt sie weiter und wackelt vielsagend mit den Augenbrauen.

„Nein", sage ich lässig. Skeptisch mustert Bri mich. „Ehrlich nicht", beteuere ich, weil ich ihr ansehen kann, dass sie mir nicht glaubt.

„Du hattest keinen Freund?"

Ich schüttle den Kopf.

„Oder eine Freundin?"

„Nein. Ich stehe auf Jungs."

„Okay. Dann wird's Zeit, dass wir-"

„Brianna", unterbreche ich sie und werfe ihr einen warnenden Blick zu. ich weiß, was sie sagen wollte, aber das möchte ich nicht hören. Fiona liegt mir damit auch schon in den Ohren, aber ich habe gerade ehrlich kein Interesse an jemanden. Abgesehen davon, wohne ich erst einige Wochen hier und komme gerade erst so richtig an. Bevor ich mich auf jemanden einlasse, muss ich zuerst mein eigenes Leben auf die Reihe kriegen.

Bri verzieht das Gesicht, als hätte ich sie gekränkt. „Ich glaube, du verstehst mich falsch. Ich meine nicht, dass du dir jemanden suchen sollst, sondern, dass wir herausbekommen, auf welchen Typ du so stehst. Wir sind Teenager, Avery.Über Jungs zu reden ist normal für uns."

„Oh. Ich dachte... egal." Das ist peinlich. Ich dachte, sie wäre deswegen genauso aufdringlich wie Fiona. Ehrlich gesagt, ist es lange her, dass ich das letzte Mal mit einer Freundin über Jungs geredet habe. Na ja, wenn es um Jungs und ich mich ging jedenfalls. Seit dem Desaster mit Blake habe ich alles, was in diese Richtung ging, gemieden. Aber Bri hat recht und das mit Blake ist schon lange vorbei. Es wird Zeit, das endlich hinter mir zu lassen und nach vorne zu schauen.

Die Lippen meiner Freundin verziehen sich zu einem Lächeln. „Also, welche Jungs magst du so?"

Ich wende meinen Blick ab. Welche Jungs mag ich? Keine Ahnung. Abgesehen von meiner kurzen Schwärmerei für Jonathan Arthur in der Grundschule war ich erst einmal verliebt und das in Blake Parker. Seit ihm bin ich auf niemanden mehr getroffen, der vielleicht in Frage kommen würde, also habe ich mir darüber nie Gedanken gemacht.

Bri stupst mich in die Seite. „Erde an Avery. Bist du noch da?", fragt sie belustigt. Ich hebe meinen Blick und zwinge mir ein schüchternes Lächeln auf. „Okay, ich sage dir mal, wen ich mag." Sie richtet sich auf, als würde sie nun eine wichtige Rede halten. Gespannt warte ich ab. „Marlon Thomas." Bri strahlt mich an, als hätte sie gerade die beste Nachricht überhaupt bekommen. Leider kann ich ihre Begeisterung nicht teilen, da ich diesen Namen noch nie gehört habe.

„Lächle doch nicht so gequält. Weißt du nicht, wer das ist?" Als hätte ich eine große Bildungslücke, wenn ich ihn nicht kenne. Ich schüttle den Kopf.

Die Enttäuschung ist Brianna im Gesicht anzusehen, als sie sich ihr Handy schnappt und darauf herumtippt. Im nächsten Moment dreht sie mir ihren Bildschirm entgegen, auf dem das Bild eines blonden Jungen in dem Footballtikot unserer Schule zu sehen ist. Sie zieht ihr Handy wieder weg und legt es zur Seite. „Er ist die Nummer vier."

So langsam ergibt alles Sinn. Bri geht nicht nur wegen Conor zu allen Spielen, sondern auch wegen Marlon. Okay, vielleicht ist die Unterstützung ihres Bruders ein zusätzlicher Grund, aber nicht der Hauptgrund. „So viel dazu, dass du deinen Bruder unterstützen willst", stelle ich grinsend fest.

Die Wangen meiner Freundin nehmen einen leichten Rotton an. „Das will ich auch", protestiert sie.

„Schon klar. Ich hab's verstanden, Bri."

Peinlich berührt lächelt sie mich an. „Er ist wirklich unglaublich süß."

„Hast du ihn mal angesprochen?"

Entsetzt blickt sie mich an. „Nein! Der spielt doch gar nicht in meiner Liga." Genau wie Blake nicht in meiner spielt, denke ich, schüttle diesen Gedanken jedoch sofort wieder ab.
„Das ist doch Schwachsinn! Was soll das überhaupt heißen, er spielt nicht in meiner Liga?"

„Du hast ihn doch gesehen, oder? Außerdem ist er mit meinem Bruder befreundet. Das würde nur Stress geben", sagt sie traurig und senkt ihren Blick.

Ich nicke vorsichtig. Was soll ich dazu schon sagen? Ich bin für solche Dinge wirklich die falsche Ansprechpartnerin.

„Warst du schon mal verliebt?", fragt sie interessiert.

Ich erstarre. Ja, das war ich. In den besten Freund deines Bruders, der gleichzeitig auch mein Nachbar ist. „Noch nicht so richtig", antworte ich zögernd. Ich könnte ihr auch die Wahrheit sagen, natürlich ohne Blakes Namen zu erwähnen, aber je weniger sie weiß, desto mehr Abstand kann ich zwischen die Hanford- und Belview-Avery bringen. Außerdem war es doch nur eine dumme Schwärmerei. Ich glaube, dass sich richtig verliebt sein anders anfühlt.

„Oh." Brianna wollte eine typische Mädchenübernachtungsfeier mit gegenseitigem Teilen unserer Geheimnisse und allem drum und dran, doch ich mache es ihr gerade zunichte, weil ich dieses Thema gerne verdrängen möchte.

„Na ja, kleine Schwärmereien gab es hin und wieder, aber mehr war das nicht", räume ich ein. Interesse blitzt in Bris Augen auf. „Aber irgendwelche Grundschulschwärmereien sind doch nicht echt."

„Das sagst du! Meine Tante und mein Onkel waren von der ersten bis zur zwölften Klasse in einer Klasse und sind seit der Middleschool zusammen. Nach dem College haben sie geheiratet."

Unbeeindruckt ziehe ich meine Augenbrauen hoch.

„Ehrlich, Avery. Manche Menschen treffen ihren Seelenverwandten früher als andere."
Ja, daran habe ich auch mal geglaubt, bis mir klar wurde, dass es sowas nur in Filmen und Büchern gibt. Doch Brianna scheint daran wirklich zu glauben. Ihre Augen funkeln und ich spüre einen leichten Stich, weil ich mir wünsche, auch noch so verträumt darüber nachdenken zu können.

„Aber du scheinst nicht daran zu glauben", stellt meine Freundin enttäuscht fest.

„Ähm... na ja..."

„Ich dachte ehrlich, du würdest an wahre Liebe glauben."

„Das tue ich." Vermute ich jedenfalls. Bisher ist sie mir noch nie begegnet, deshalb bin ich mir da nicht so sicher.

„Gut, denn für dich gibt es auch einen Seelenverwandten", erwidert sie mit einem vielsagenden Lächeln, was mich noch mehr verwirrt, als das ganze Gespräch generell. „Wie auch immer. Wir sollten schlafen gehen. Ich bin ziemlich müde." Damit ist unser Gespräch beendet, worum ich, ehrlich gesagt, auch froh bin. Müde bin ich nämlich auch.

(𝗡𝗼𝘁) 𝗬𝗼𝘂 𝗔𝗴𝗮𝗶𝗻Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt