> 𝗞𝗮𝗽𝗶𝘁𝗲𝗹 𝟯𝟱

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„Ich war noch nie so froh, wieder in der Schule zu sein", sagt Bri ernst. Es ist gerade Mittagspause und wir sitzen in der Mensa.
Ich kann ein Grinsen nicht unterdrücken. „Ehrlich, diese Feiertage haben sich wie eine halbe Ewigkeit angefühlt." Das würde ich nicht sagen. Für mich vergingen die letzten Tage wie im Flug.

„Tante Kathy konnte sich mal wieder nicht zurückhalten und hat schon nach zehn Minuten einen Streit mit Onkel Albert angefangen." Sie schüttelt den Kopf. „Aber egal. Ich will nicht noch länger darüber nachdenken al nötig. Wie waren denn deine Feiertage?"

Im Schnelldurchlauf rasen die Bilder der letzten Tage durch meine Gedanken: Blake, Ash und ich auf dem Sofa sitzend und Filme schauend, unsere Familien beim Essen und Blake und ich auf dem Dach, der mir seine Jacke gibt, weil mir kalt ist. Sofort breitet sich ein Kribbeln in meinem Magen aus.

„Wohl das komplette Gegenteil von meinen, wie es aussieht." Brianna musterte mich mit hochgezogenen Augenbrauen. Erst jetzt merke ich, dass ich lächle. Ich presse meine Lippen zusammen. „Ja, sie waren nicht so schlecht wie erwartet", erwidere ich ehrlich. Es kommt mir wie eine Untertreibung vor, aber mehr will ich dazu nicht sagen. Nicht, dass es überhaupt etwas zu erzählen gäbe.

„Ah ja. Deswegen lächelst du auch vor dich hin", stellt meine Freundin skeptisch fest.
Ich bin fast schon froh, dass Maeve und Mackenzie unsere Unterhaltung unterbrechen und sich zu uns setzen. Überrascht schauen Bri und ich die beiden an.

„Hey, ihr zwei. Sarah Montgomery veranstaltet am Samstag eine Party. Seid ihr dabei?", fragt Maeve und blickt zwischen Bri und mir hin und her. Sarah ist im Jahrgang über uns und ist, glaube ich, Cheerleaderin, aber ich bin mir nicht sicher. Kein Wunder, denn ich habe gar nichts mit ihr zutun. Daher kommt es mir irgendwie komisch vor, auf die Party eines Mädchens zu gehen, welches ich im Grunde genommen gar nicht kenne. Außerdem habe ich ehrlich gesagt auch keine Lust, auf irgendeine Party zu gehen. Vor allem nicht, wenn ich dabei an Amy HcHarons Partys denken muss. Ich schaue zu Brianna, die einen Blick mit einem Lächeln erwidert. Na toll. Da werde ich wohl nicht drum herum kommen. Ich setze ebenfalls ein Lächeln auf und will gerade zu einer Antwort ansetzen, als Bri freudig ausruft: „Natürlich! Wir freuen uns schon, nicht wahr, Avery?"

„Ja. Das wird bestimmt toll", erwidere ich mit so viel Enthusiasmus, wie ich aufbringen kann.

Breit grinsend stehen Maeve und Mackenzie wieder auf. „Super. Dann sehen wir uns."
Damit gehen sie wieder.

Ich schließe meine Augen und muss mich zusammenreißen, mein Gesicht nicht auf die Tischplatte fallen zu lassen.

„Komm schon, Ave. Das wird ein toller Abend. Sarah schmeißt immer tolle Partys und ich werde bei dir sein." Bri Versuche, mich aufzumuntern, scheitern. Ich kann mir eine Party, auf der ich nicht ausgelacht werde, gar nicht vorstellen. Doch ich habe schon zugesagt; es ist zu spät.

*

„Bist du wirklich so ein Partymuffel?", fragt Blake, als wir uns am Abend wieder auf dem Dach treffen. Dieses Mal habe ich daran gedacht, eine Jacke anzuziehen. Obwohl ich natürlich nicht dagegen hätte, wenn Blake mir nochmal seine anbieten würde.

Ich seufze. „Ich sag mal so. Ich war nie wirklich beliebt auf Partys." Einerseits ist es die Wahrheit, aber andererseits auch eine Lüge.

Ich gehörte nie zu den beliebten Schülern, aber ich war gerne auf Partys gesehen. Als Unterhaltung natürlich. So nach den Motto Schau mal, da ist diese Avery wieder. Wer wird sie heute wieder abblitzen lassen?

„Dann hast du ja Glück, dass hier alles anders ist. Auf Sarahs Party ist jeder willkommen. Obwohl ich nicht verstehen kann, dass du nicht beliebt warst", erwidert Blake und mustert mich von der Seite. Ich muss einen Lacher unterdrücken. Wenn er sich erinnern könnte, würde er das anders sehen.

„Ich würde lieber Zuhause bleiben und einen Film gucken oder so", gebe ich ehrlich zu.

„Du willst ja nur unseren Marvel-Marathon fortführen", neckt er mich und stupst seinen Ellbogen leicht gegen meinen, was mir ein Lächeln entlockt. „Ah, sie kann ja doch lachen."
Sofort verschwindet das Lächeln auf meinen Lippen wieder. „Schau mich an. Avery." Ich stoße einen tiefen Atemzug aus und drehe meinen Kopf in seine Richtung. Blakes braune Augen blicken mich durchdringend an, was mir kurz den Atem raubt und mein Herz schneller schlagen lässt. „Es ist doch nur eine Party. Was kann da schon schlimmes passieren?" Du meinst, mal abgesehen davon, dass alle da sein werden und irgendjemand immer etwas mitbekommt, wenn etwas Peinliches passiert? Dass immer jemand zufällig mitfilmen kann? Dass mich alles mein Leben lang verfolgen wird? All diese Gedanken kommen mir sofort in den Sinn, doch ich spreche sie nicht aus, sondern starre einfach nur in Blakes Augen.
„Es ist doch nichts schlimmes, mal Spaß zu haben, Avery." Ich wende meinen Blick ab und schaue wieder in den Garten.

„Ich weiß." Kurz halte ich inne und frage mich, ob ich die nächsten Worte wirklich aussprechen soll. „Aber auf allen Partys, auf denen ich jemals war, wurde ich immer wieder ausgelacht." Da hat er die Wahrheit.

Blake sagt zunächst nichts. Ich wünschte, ich hätte es ihm niemals gesagt. Ich weiß sowieso nicht, was mich dazu getrieben hat.

Plötzlich spüre ich eine Hand auf meiner Schulter und zucke zusammen. Ruckartig drehe ich mich wieder zu Blake, der plötzlich näher sitzt. „Jetzt ist das anders. Die anderen wissen, dass wir eng befreundet sind und würden sich nicht trauen, etwas gegen dich zu sagen. Sie wissen nämlich, dass sie es dann mit mir zutun bekommen", sagt er eindringlich und ich bekomme Gänsehaut. Er meint es ernst. Mein Herz wummert so doll gegen meine Brust, dass ich befürchte, es könnte gleich herausspringen. So etwas hat noch kein Junge jemals zu mir gesagt.

Unwillkürlich spüre ich, wie eine Träne über meine Wangen rollt und wische sie fort weg. Oh Mann, jetzt fange ich auch schon an zu heulen.

Ein unsicheres Lächeln ziert Blakes Mundwinkel. „Ich hatte nicht vor, dich zum Weinen zu bringen."

Ich lächle. „Nein, das ist nicht deine Schuld. Deine Worte... sowas hat noch nie jemand zu mir gesagt", flüstere ich. Natürlich hat Fiona sowas ähnliches schon mal gesagt, aber sie ist meine beste Freundin. Oder war es zumindest mal. Aber Blakes Worte haben sich anders angefühlt.

„Glaub's ruhig, Avers. Ich tue alles für die Menschen, die mir wichtig sind." Auf einmal überkommt mich der Drang, den geringen Abstand zwischen uns zu überbrücken und ihn zu küssen. Doch ich widerstehe und rücke ein kleines Stück von ihm weg. Gott, was denke ich da eigentlich?

„Danke, ähm... ich muss los. Hausaufgaben und... ich, ich müsste mal wieder Klavier üben. Bis dann", verabschiede ich mich von Blake und klettere über unsere Garagen zurück in mein Zimmer und lasse mich aufs Bett fallen. Mit beiden Händen reibe ich mir übers Gesicht. Was war das gerade? Woher kam plötzlich dieser Gedanke? Irgendwie kriege ich Blakes warme braune Augen und sein schönes Lächeln nicht aus dem Kopf. Okay, ruhig bleiben, Avery. Du weißt, wie attraktiv Blake ist. Er sah schon immer gut aus, das findet jeder. Es ist nicht schlimm, das zuzugeben. Genau das ist es. Blake sieht gut aus und ist nett, ja, das gebe ich zu. Und Attraktivität macht Menschen nervös. Jedenfalls habe ich das mal gelesen. Das erklärt alles. Ja, genau das ist es, mehr nicht.

(𝗡𝗼𝘁) 𝗬𝗼𝘂 𝗔𝗴𝗮𝗶𝗻Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt