> 𝗞𝗮𝗽𝗶𝘁𝗲𝗹 𝟮𝟱

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„Komm schon, Avery. Das war doch lustig", sagt Blake auf dem Weg zur Schule. Wir sitzen schon seit einigen Minuten in seinem Auto und außer einer Begrüßung habe ich nichts weiter gesagt.

„Für dich vielleicht." Ich bin immer noch sauer auf ihn. Ich habe gestern alles gesagt, dass er mir geholfen hat, also musste er doch niemandem unter die Nase reiben, dass ich diese Muffins nicht alleine auf die Reihe gekriegt habe. Das war überflüssig und alles andere als lustig. Klar, das waren nur blöde Muffins, aber damit wollte ich unter anderem meiner Mutter beweisen, dass ich auch backen kann. Als ihre Tochter sollte ich doch wenigstens Muffins hinbekommen. Aber Blake musste sich ja unbedingt einen Spaß damit erlauben. Warum auch immer. Obwohl er es im Nachhinein noch retten konnte, konnte ich Mom ansehen, dass sie trotzdem skeptisch war.

„Das ist doch nicht so schlimm. Jeder erster Versuch geht daneben, das ist normal." Sagt Blake Parker. Der perfekte Sohn, der perfekt Bruder und der tollste Footballspieler, der wahrscheinlich noch nie eine Interception geworfen hat.

Ich schüttle den Kopf und starre weiter aus dem Fenster. „Du verstehst das nicht."
„Dann erklär's mir." Er dreht die Musik leiser. Ich presse meine Lippen aufeinander und wünschte, er würde es einfach dabei belassen.
„Wenn du es mir nicht erklärst, werde ich es nie verstehen."

Er wird nicht locker lassen, aber ehrlich gesagt habe ich keine Lust, mit ihm über meine Gefühle zu reden. Das geht dann doch über das Maß unserer Beziehung hinaus.

„Wie lang willst du mich noch mit deinem Schweigen bestrafen?"

„Warum interessiert dich das?", fauche ich ihn an.

Kurz schaut er mich erschrocken an, bevor er seinen Blick wieder der Straße zuwendet. Unangenehme Stille breitet sich im Wagen aus.
„Weil ich wissen will, warum du keinen Spaß verstehst", antwortet Blake ruhig. Doch ich habe das Gefühl, er wollte etwas anderes sagen. Weil ich keinen Spaß verstehe? Was für ein Schwachsinn.

„Nicht alles ist ein Witz, Blake. Manchmal kann es verletzend sein." Ich schlucke. Zwei Sätze, die mir von mir preisgeben, als mein Liebesgeständnis an Blake vor Jahren und wahrscheinlich die ehrlichsten Worte, die ich seit langem gesagt habe. Ungewollt hat er einen Nerv bei mir getroffen und ich frage mich, ob vielleicht nicht nur Moms Enttäuschung damit zutun hat.

Bei der nächsten roten Ampel hält er an und dreht den Kopf in meine Richtung.

Aufmerksam mustert Blake mein Gesicht und wirkt, als würde er nach etwas suchen. Ich vermute, er weiß, dass mehr hinter meinen Worten steckt. Sofort wünsche ich mir, die Zeit zurückdrehen zu können und den Moment ungeschehen zu machen.

„Es tut mir leid, Avery."

Blakes Entschuldigung klingt aufrichtig, was mich überrascht. Kurz denke ich, er hat sich an das erinnert, was er mir vor Jahren angetan hat, doch so schnell wie mir dieser Gedanke gekommen ist, genauso schnell ist er auch wieder vergangen. Das ist wieder nur eine Wunschvorstellung von mir.

„Ich wollte dich nicht verletzen", fügt er hinzu, wendet seinen Blick von mir ab und fährt weiter.

Irgendwas in mir, lässt mich diese Worte glauben. Blake weiß zwar nicht, was genau er falsch gemacht hat, aber er versteht, dass es etwas war, das mich verletzt hat. Diese Tatsache scheint ihn wirklich zu bedrücken, was ein komisches Gefühl in mir hervorruft.
Der restliche Weg zur Schule verläuft ruhig. Als wir endlich auf dem Parkplatz zum stehen kommen, bin ich die erste von uns beiden, die aussteigt. Bri wartet bereits vor dem Eingang auf mich. Ich gehe auf sie zu und bemerke, dass sie immer noch leicht blass um die Nase aussieht.

„Hi", begrüßt sie mich. Ihrer kratzigen Stimme ist zu entnehmen, dass sie immer noch erkältet ist.

„Hey, wie geht's dir?"

„Ganz okay. Ich bin immer noch krank, aber zum Glück habe ich kein Fieber mehr", antwortet sie und putzt sich die Nase.
Besorgt betrachte ich meine Freundin. „Wäre es nicht besser, wenn zu Zuhause bleiben und dich ausruhen würdest?"

Wenige Meter neben uns schmeißt Bri das Taschentuch in den Mülleimer. „Nein. Ich will keinen Unterricht verpassen. Außerdem geht es mir doch wieder gut", erwidert sie mit einem bemühten Lächeln, was ich ihr nicht abkaufe, aber so hinnehme. Eine Diskussion würde sowieso zu nichts führen. In dieser Hinsicht ist sie genauso stur wie ein Esel.

Blake geht an uns vorbei, jedoch nicht, ohne uns einen kurzen Blick zuzuwerfen, den Brianna jedoch nicht bemerkt.

„Tut mir leid, dass ich dir am Samstag nicht helfen konnte. Ich hätte es echt gerne getan, aber..."

„Schon gut", unterbreche ich sie. „Deine Gesundheit ist wichtiger als irgendwelche Muffins."

Bri lächelt leicht schuldbewusst. „Hast du es denn trotzdem hinbekommen?"

„Ja. Ich, äh, hatte doch noch Hilfe."

Fragend zieht sie ihre Augenbrauen hoch. „Von wem?"

„Von Blake", antworte ich und senke meinen Blick.

„Blake hat dir geholfen, Muffins zu backen?", fragt sie ungläubig. Wenn sie es so ausspricht, klingt es so unwirklich wie ein Traum. Ich spüre, dass ich rot werde.

„Ja", bestätige ich und schaue ihr wieder in die Augen.

„Wow. Ich kann ihn mir nicht als Bäcker vorstellen. Und ich wusste auch nicht, dass er überhaupt backen kann." Meine Freundin zuckt mit ihren Schultern und hustet auf. „Na ja, das war auf jeden Fall nett von ihm."

„Das war es."

Im nächsten Moment klingelt es und wir gehen beide zu unserem Englischraum.

*

In der Mittagspause gebe ich Bri einen von den Muffins, die Blake und ich am Samstag gebacken haben. Ich habe extra einen für sie aufbewahrt.

„Die Form ist echt gut getroffen", lobt sie und beißt hinein. „Und es schmeckt auch noch gut. Du solltest öfter backen."

Ich kann einen Blick in Blakes Richtung einige Tische hinter Bri nicht verhindern. Wie immer sitzt er mit seinen Footballfreunden an einem Tisch und lacht mit ihnen. Bevor er noch bemerkt, dass ich ihn ansehe, wende ich mich wieder Brianna zu. „Ja, vielleicht sollte ich", gebe ich halbherzig zurück. Vielleicht würde dann auch mal mein erster Versuch gelingen.
Ohne weiter nachzudenken, schaue ich wieder in Blakes Richtung und bemerk, dass er mich ebenfalls anguckt. Schnell nehme ich mir ein Stück von einem anderen Muffin und verlagere meine Konzentration darauf.

(𝗡𝗼𝘁) 𝗬𝗼𝘂 𝗔𝗴𝗮𝗶𝗻Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt