> 𝗞𝗮𝗽𝗶𝘁𝗲𝗹 𝟭𝟵

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Es ist alle andere als normal, wenn dir deine Mutter, die Köchin ist und es umso mehr liebt, für ihre Familie zu kochen, eine im Ofen warmgemachte Pizza vorstellt. Nicht, dass ich irgendwas gegen Pizza habe, aber eigentlich mag Mom sowas gar nicht. Wenn es bei uns Pizza gibt, dann ist selbst die komplett selbstgemacht.

Kritisch mustere ich Mom, wie sie mit dem Pizzaschneider ihre Pizza in Stücke teilt.

„Ist irgendwas, Schatz?", fragt sie mich, als sie den Schneider weiter an Dad reicht. „Du hast ja noch gar nicht reingebissen."

„Nein. Ist mit dir irgendwas?", gebe ich zurück und warte.

Mom sieht mich verwundert an. Wahrscheinlich hat sie nicht erwartet, dass ich mit so einer Überraschung auf das Essen reagieren würde.

„Mit mir ist nichts, wieso fragst du?"

Auch Dad hält beim Pizzaschneiden inne und starrt zwischen mir und Mom hin und her, unsicher, was er sagen und ob er überhaupt etwas sagen oder uns das unter uns regeln lassen soll.

Als Antwort schaue ich kurz auf meinen Teller und runter und dann ihr wieder in die Augen. Sie scheint direkt zu verstehen und lacht auf, was mich gleich noch mehr verwirrt.

„Ich war bis eben noch bei Maggie und habe einfach die Zeit vergessen." Maggie. Klar, wo auch sonst. Trotzdem ist es ungewöhnlich. Mom gehört nicht zu den Menschen, die die Zeit vergessen. Doch anscheinend ist das bei ihrer neuen besten Freundin anders.

„Jetzt schau doch nicht so, Avery. Sie brauchte jemandem zum Reden und wandte sich an mich." Hoffentlich ist nichts Schlimmes passiert und es geht allen gut. Falls das Gegenteil der Fall ist, habe ich es Blake jedenfalls nicht angemerkt. Nicht, dass man ihm irgendwas anmerken könnte. Er ist ziemlich gut darin, seine Gefühle vor anderen zu verbergen. Am liebsten würde ich sie fragen, worüber sie gesprochen haben, aber ich halte mich zurück und nicke nur. Es geht mich ja sowieso nichts an.

„Maggie hat mir erzählt, dass morgen das Homecomingspiel eurer Schule ist", sagt Mom nach einer Weile und guckt mich erwartungsvoll an.

Ich schlucke mein Stück Pizza herunter. „Ja, sie hat recht." Keine Ahnung, was sie von mir hören möchte. „Ich werde mit einer Freundin hingehen", füge ich hinzu und hoffe, dass es das ist, was sie mich indirekt gefragt hat.
Überrascht schaut sie mich an.

„Dann sehen wir uns ja dort", wirft Dad freudig ein.

„Was meinst du?"

„Wir werden mit Maggie und Ashton auch da sein und Blake anfeuern." Er scheint es kaum erwarten zu können, morgen auf der Tribüne zu stehen und der Mannschaft beim Spielen zuzusehen.

Ich muss ihn verständnislos anschauen, denn er redet weiter. „Blake hat mich eingeladen, weil ich gerne sehen möchte, wie er spielt. Du weißt ja, dass ich Football liebe." Als wäre das eine ausreichende Erklärung. Er hat ihn eingeladen. Natürlich. Manchmal vergesse ich, wie sehr mein Dad Blake bewundert, so komisch das auch für mich ist.

„Ja, das tue ich. Er freut sich bestimmt über so viel Unterstützung." Das ist alles, was ich sage und wende mich wieder meinem Stück Pizza zu. Obwohl ich mich mittlerweile gut mit Blake verstehe, werde ich mich wohl nie daran gewöhnen, dass unsere Familien jetzt wohl irgendwie zusammengehören.

*

Als ich am nächsten Morgen wieder mit Blake zur Schule fahre, ist ihm gar nicht anzumerken, dass heute ein großes Spiel ist. Er fährt genauso gelassen wie immer und tippt mit seinen Fingern im Takt der Musik auf dem Lenkrad mit. Ich verstehe nicht, wie er so ruhig sein kann. Klar, er kann bestimmt super spielen und wird es auch heute tun, aber man kann nie auf Nummer sicher gehen. Irgendwas kann schließlich immer schief gehen. Wenn ich einen Vortrag halten muss, bin ich immer nervös, egal, wie gut ich mich vorbereite. Ich versuche auch immer, ruhig zu bleiben, aber es klappt nie. Dann rede ich die ganze Zeit über irrationale Dinge mit den Leuten, die gerade da sind. Aber Blake scheint tiefenentspannt zu sein. Nicht mal in seinem Gesicht ist irgendein Anzeichen von Anspannung zu erkennen. Dieser Junge ist wirklich die Ruhe selbst, was mich wiederum nervös macht.

„Sag mal, bist du nicht nervös wegen des Spiels heute Abend?"

„Nein. Wieso sollte ich das sein? Ich kenne mein Team, ich kenne ihre und meine Stärken und Schwächen und wir haben einen guten Coach. Du weißt vielleicht noch nicht, wie wir spielen, aber schlecht sind wir nicht", antwortet er selbstsicher und schaut mich an, als er an einer roten Ampel hält.

Wortlos erwidere ich seinen Blick, bis die Ampel wieder auf grün springt und er sich wieder der Fahrbahn zuwendet.

Eine Zeit lang spricht keiner von uns, bis Blake das Wort ergreift. „Du wirst doch heute auch da sein, oder?"

Es ist eine normale Frage, aber ich zerpflücke sie sofort in tausend Teile. Möchte er, dass ich da bin? Erwartet er etwa, dass ich da sein werde? Und würde er sich freuen, wenn ich da wäre oder wäre er sogar ein wenig enttäuscht, wenn ich es nicht wäre? Er hat mich bei dieser Frage nicht angeguckt, also konnte ich nichts von seinem Gesichtsausdruck ablesen und in seinem Stimmton hat sich nichts offenbart. Okay, ich denke mal wieder zu viel und ich merke, dass ich mich zu viel Zeit mit meiner Antwort lasse.

„Ja", sage ich schnell und schaue ihn von der Seite an. Keine Reaktion. Ich weiß auch nicht, was ich erwartet habe. Dass er freudig in die Hände klatscht wohl nicht.

„Cool."

Ich versuche mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen und gucke wieder aus dem Fenster. Es ist ja nicht so, als müsste er mich einladen, zum Spiel zu kommen. Schließlich ist es eine Schulveranstaltung, die für alle ist.

Nach ein paar weiteren Straßen biegt auf den Schulparkplatz und parkt sein Auto. Mit ein paar kurzen Worten bedanke ich mich wie immer fürs Mitnehmen und verabschiede mich von ihm, bevor ich die Tür zuschlage.

(𝗡𝗼𝘁) 𝗬𝗼𝘂 𝗔𝗴𝗮𝗶𝗻Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt