𝗘𝗽𝗶𝗹𝗼𝗴

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Bisher habe ich genau zweimal einem Jungen offen gestanden, was ich für ihn empfinde. Das erste Mal endete es in einer Vollkatastrophe. Aber das zweite Mal...

„Hey, Avers." Mit dem Klang seiner Stimme macht mein Herz einen Satz. Blake verabschiedet sich von seinen Freunden und kommt mit einem breiten Lächeln auf mich zu. Mit dem Rücken an mein Schließfach gelehnt blicke ich zu ihm auf.

„Hey", erwidere ich leise und lächle schüchtern. Obwohl wir nun schon seit mehreren Monaten zusammen sind, raubt mir sein Anblick nach wie vor den Atem. Was die 14-jährige Avery jetzt wohl sagen würde, wenn sie mich sähe? Sie würde sich vor Freude nicht mehr einkriegen können, so viel steht fest.

Sanft streicht Blake mir eine Strähne hinters Ohr, beugt sich runter und küsst mich. Alles in mir beginnt zu kribbeln und ich schließe die Augen, lasse mich in seine Berührung sinken. Jeder Kuss von Blake fühlt sich genauso aufregend an wie der erste. Nur ungern lasse ich zu, dass er sich wieder zurückzieht, aber wir stehen hier immer noch mitten im Schulflur.

„Treffen wir uns nach dem Spiel heute Abend wieder auf dem Dach?", frage ich hoffnungsvoll.

Mein Freund legt einen Arm um meine Schultern und drückt mich an sich. „Natürlich, Avery. Nichts lieber als das."

Nach wie vor schleichen wir uns abends heimlich auf Blakes Dach und verbringen dort Zeit miteinander. Obwohl unsere Eltern wissen, dass wir offiziell zusammen sind - was weder für Blakes Mom noch für meine Mom und meinen Dad überraschend kam- ist es nach wir vor ein heikles Thema, wenn wir in meinem oder Blakes Zimmer sind. Dann gelten die üblichen Regeln wie Tür auflassen und nicht zu spät nach Hause kommen. Was ein bisschen ironisch ist, weil wir in weniger als einer Minute wieder zuhause sind. Außerdem würden wir ohnehin nichts tun, wenn unsere Eltern da sind. Deswegen ist das Dach nach wie vor unser Lieblingsrückzugsort.

„Guten Tag, Mr und Mrs Parker", begrüßt uns Bri mit einem breiten Grinsen, das ich nur erwidern kann. Zum ersten Mal zucke ich nicht zusammen und schäme mich nicht, wenn mich jemand so nennt. Endlich gibt es dafür keinen Grund mehr.

Fiona hatte sich bereits sehr für Blake und mich gefreut, auch wenn sie nach wir vor ein bisschen skeptisch ist, aber Brianna ist förmlich ausgerastet. Am Morgen des ersten Schultages nach den Weihnachtsferien habe ich ihr alles erzählt, was sie verpasst hat, woraufhin sie wie ein aufgedrehtes Kaninchen rumgehüpft ist. „Ich wusste es ja schon von Anfang an", wiederholte sie dabei immer wieder, was ich nur mit einem Augenverdrehen quittierte. Aber insgeheim sprang ihre Freude vollkommen auf mich über und vermischte sich mit meiner eigenen.

„Wir sehen uns in der Mensa", ruft sie uns zu und läuft weiter. „Ich muss mir unbedingt einen Burrito sichern."

„Das müssen wir auch", sagt Blake. „Die Burrito-Freitage sind in den letzten Wochen viel zu beliebt geworden."

Ich drehe mich aus seiner Umarmung und greife nach seiner Hand. „Dann los. Schließlich will ich nicht, dass ihr das Spiel heute Abend verliert, nur weil du keinen nährenden Burrito hattest."

Blake stößt einen seiner wunderschönen Lacher aus und folgt mir mit schnellen Schritten.

Gerade noch rechtzeitig kommen wir mit unseren Tablettes an die Ausgabe und ergattern uns zwei der letzten Burritos. Mit einem zufriedenen Grinsen schlendern wir auf den Tisch mit Blakes Footballfreunden zu, an dem nun auch Bri und ich seit ein paar Wochen sitzen.

„Hey, Avery! Ich hoffe, du hast dein Trikot an."
Conor wirft mir einen gespielt vorwurfsvollen Blick zu. Mit einem Mal liegt die ungeteilte Aufmerksamkeit des gesamten Footballteams auf mir. Etwas, das mich noch immer sehr nervös macht. Auch wenn sie weder mich noch Blake ausgelacht haben, als er ihnen verkündet hat, dass wir nun zusammen sind, hege ich tief in mir trotzdem noch die Befürchtung, dass sie sich irgendwann doch noch über mich lustig machen werden. Obwohl ich rational gedacht dafür keinen Grund sehe. An der Sache aus Hanford werde ich wohl noch eine ganze Weile zu knabbern haben.

Ein Schlag gegen die Schulter lässt Conor schmerzhaft aufstöhnen. „Verdammt, Bri." Ich sehe zu meiner Freundin, die mir ein kleines Lächeln zuwirft. Möglichst unauffällig erwidere ich es. Mit dieser kleinen Geste hat sie es geschafft, dass mich nun kaum noch jemand beachtet.

Endlich finde ich meine Stimme wieder. „Natürlich habe ich das Trikot an, Conor. Es ist nur unter der Jacke, damit es vor dem Spiel heute Abend nicht schmutzig wird", verkünde ich und setze mich auf den Stuhl neben Blake. Ein kleiner Jubel am Tisch lässt mich zusammenschrecken, doch Blakes Kuss auf meiner Wange beruhigt mich sofort wieder.

„Ich habe dir ja gesagt, dass das ganze Team dich als Glückbringer braucht", flüstert er mir ins Ohr, was meine Wangen leicht zum brennen bringt.

Auf der Belview High gilt folgende Tradition im Mannschaftssport: Wenn der Spieler eine feste Freundin oder einen festen Freund hat, wird für diese oder diesen ein Trikot mit dem Namen des Spielers bedruckt und der jeweiligen Nummer. Diese sollen dann von dem jeweiligen Partner am Tag des Spiels getragen werden. Angeblich soll das Glück bringen, aber um ehrlich zu sein bin ich mir da nicht so sicher. Ich vermute eher, dass es sich dabei nur um eine süße Geste handelt, wogegen ich natürlich absolut nichts habe.

Blake hat mich letzte Woche mit meinem Trikot überrascht. Schon vorher habe ich während ein paar Spielen eine Reihe Mädchen und einen Jungen mit solchen Trikots gesehen, die in den ersten Reihen ganz vorn auf der Tribüne saßen. Wo jetzt anscheinend auch mein Platz ist. Natürlich musste ich es sofort anziehen und Blake präsentieren, der mit einem breiten Grinsen nickte und mir einen Kuss auf die Stirn gab. „Wunderschön", flüsterte er.

„Dann kann bei dem Spiel heute Abend nichts schiefgehen", sagt Bri und zwinkert mir zu.

„Solange du auch da bist, Brianna, werden wir auf jeden Fall gewinnen."

Mit roten Wangen dreht meine Freundin sich zu Miles um und beißt sich auf die Unterlippe. „Natürlich. Ich in immer da."

„Ich weiß", antwortet dieser und erwidert ihr Lächeln. Seit wir beide fast jeden Tag unsere Mittagspause mit dem Footballteam verbringen, verstehen Bri und Miles sich immer besser. Anscheinend ist sie über Marlon hinweg, worüber ich mich sehr freue. Vielleicht ist Miles nicht der Richtige für mich, aber der Richtige für Brianna. Ständig kichern sie miteinander und ich bin mir mehr als sicher, dass er auch über Witze lacht, die eigentlich gar nicht lustig sind.

„Vielleicht brauchen manche Dinge einfach Zeit, um sich zu entwickeln", murmle ich vor mich hin, was mir sofort die Aufmerksamkeit von Blake einbringt. „Offensichtlich." Er umfasst mein Kinn, dreht es zu sich und gibt mir einen Kuss.

„Ich liebe dich, Avery Harrison."

„Ich liebe dich auch, Blake Parker", erwidere ich und dieses Mal küsse ich ihn.

Vor zwei Jahren hätte ich nicht einmal annähernd gedacht, jemals in einer Situation wie dieser zu sein. Noch weniger hätte ich damit gerechnet, irgendwann einmal Blake Parkers feste Freundin zu sein. Aber wie gesagt, manche Dinge brauchen eben mehr Zeit als andere. Und irgendwie wusste ich schon immer, dass ein Teil von mir, Blake immer lieben würde. Ganz egal, was damals passiert ist. Heute habe ich keine Sorge mehr, dass er sich über mich lustig machen könnte. Ganz im Gegenteil. Selbst die anderen akzeptieren mich, aber ganz ehrlich? Mit Blake, Conor und Bri an meiner Seite, traut sich niemand mehr, mich zur Lachnummer der Schule zu machen.

Endlich einmal bereue ich es nicht, Blake meine Liebe gestanden zu haben. Vielleicht war damals noch nicht der richtige Zeitpunkt dafür, aber es waren die richtigen Worte. Andererseits hat alles, was deswegen passiert ist, erst zu diesem Moment hier geführt: Avery Harrison in den Armen von Blake Parker. Auch wenn der Weg hierhin alles andere als einfach war, würde ich es nicht anders haben wollen.

(𝗡𝗼𝘁) 𝗬𝗼𝘂 𝗔𝗴𝗮𝗶𝗻Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt