- Kapitel 3: Falsche Jahreszeit -

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Asavi wachte auf, als trübes Zwielicht durch ihre Lider sickerte. Um sie herum war es dunkel, doch die Morgendämmerung bahnte sich nach dem ergiebigen Regenschauer der Nacht endlich ihren Weg durch die Wolkendecke.

Sie rappelte sich auf und streckte ihre Gliedmaßen. Mit einem Blick auf Zars Lager stelle sie fest, dass er schon aufgestanden war. Seine Sachen standen noch da und so entspannte sich Asavi, ehe sie sich durch die Haare fuhr. Ihr Großvater hatte sie ihr geschnitten, als sie den Bauernhof aufgegeben hatten, um vor den ewig hungrigen Engeln zu fliehen.

»Lange Haare sind ein Hindernis«, hatte er gesagt, als er ihr die langen, dunkelbraunen Strähnen ohne auf ihre Tränen zu achten vom Kopf scherte. Seitdem hatte Asavi in keinen Spiegel mehr geblickt, sie ungehindert wuchern lassen und mittlerweile waren sie zumindest wieder bis zu ihren Schultern nachgewachsen.

Sie wäre gerne sauberer, aber nach mehr als drei Jahren auf der Flucht vor etwas, dem man nicht entkommen konnte, war Asavi ungeniert erleichtert, wenn sie in den einen oder anderen Regenschauer geriet. Dass sie gestern mit einer extra Dusche Engelsblut bedacht worden war, spielte hier minimal mit hinein, dass sie sich nach einem Bottich klaren Wassers sehnte.

Asavi hängte sich die Hello-Kitty Tasche um und schlang sich ihre trockene Regenjacke um die Hüfte, von der sie schon seit Jahren die Leuchtstreifen geschnitten hatte. Ihre Stiefel waren über Nacht nur mäßig getrocknet und sie schob ihre Zehen in den muffigen Schaft. Auf leisen Sohlen schlich sie zum Türspion und spähte nach draußen. Sie wäre sich gerne ebenso sicher, wie Zar, was die An- und Abwesenheit der Engel anging.

Die Straße lag vollkommen still in der Morgendämmerung und in der Ferne, hinter den Einfamilienhäusern der Nachbarschaft, erblickte sie die hohen Betonskelette der Büros und inneren Stadt. Es war unmöglich, zu bestimmen, wie die Stadt hieß, dafür hatte sie zu lange keine Karte mehr gesehen.

Die letzten drei Monate hatte sie damit verbracht, blind der Sonne zu folgen, immer weiter in den Westen, der abschließenden Anweisung ihres Vaters nach. GPS-Geräte waren teure Mangelware und die seltenen Angebote, die sie in den vergangenen Monaten ausgeforscht hatte, lagen ein wenig außerhalb ihrer Preisklasse.

Eine Bewegung auf der Veranda fing ihre Aufmerksamkeit. Zar kehrte zurück und warf etwas auf die Ladefläche seines Jeeps. Das Rascheln einer Plastikplane drang durch das Holz und dann wich Asavi einen Schritt nach hinten, damit Zar ihr nicht die Türe ins Gesicht schlug.

»Guten Morgen«, grüßte er sie mit strahlendem Lächeln und drückte sich an ihr vorbei den Flur entlang, um seine Sachen zu packen.

Asavi blinzelte ihm irritiert hinterher. »Hast du den Engel schon geköpft?«

»Ja, den Anblick wollte ich dir ersparen.«

Asavi hob die Schultern. »Das wäre nicht die erste Engelsleiche, die ich gesehen habe. Oder eine Leiche im Generellen«, fügte sie murmelnd hinzu und trat aus dem Haus in den ewig währenden Sommer.

Seit die Engel auf die Erde gefallen waren, gab es keine Jahreszeiten mehr und die Welt selbst hatte sich jenseits der tropischen Klimazone in eine immergrüne Landschaft verwandelt.

Es regnete zwar nicht ständig, doch die Luft war stets erfüllt von einer drückenden Schwüle, als drohte jede Stunde ein Gewittersturm über die gesamte Welt herein zu brechen. Die Sonne brannte unerbittlich Tag für Tag auf die Erde nieder, als wolle sie diese Strafen. Der Mond hingegen war spurlos verschwunden. Als versteckte er sich hinter einer Milchglasscheibe.

»Du meinst die Hüllen, oder?«, fragte Zar, als er seinen Seesack auf die Ladefläche des Chevy-Trucks warf, auf der sich die zuvor gehörte Plastikplane über den vermeintlichen Engelskopf wölbte. Das Metall darunter war blutbefleckt und Asavi wandte den Blick ab.

[Sci-Fi/Fantasy] Starfall - Wenn der Himmel fälltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt