- Kapitel 7: Drinnen ist Draußen -

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Joska blieb verschwunden und Asavi lauschte vergebens, um herauszufinden, weshalb. Sie fühlte sich hilflos und ausgeliefert. Jedes Mal, wenn Stimmen laut wurden, versteifte sich alles in ihr, bis sie sich dazu zwang, ihre Muskeln zu entspannen.

»Sie trauen dir nicht, weil du eine Varai bist«, murmelte sie zu sich selbst, als sie unruhig auf und ab ging. Sie musste sich beschäftigen und ihre eigene Stimme zu hören, war erträglicher als ständig auf Geräusche zu lauschen, die jeden Moment kommen und ihr Gewalt antun könnten.

Csaba hatte Recht, wenn man sich nur lange genug in der Dunkelheit aufhielt, gewöhnte man sich daran, sich blind zu orientieren.

»Sie töten dich nicht, weil Joska Pläne hat«, überlegte sie weiter und ließ ihre Finger an der etwas kühleren Wand entlangstreichen. »Und vor allem wollen sie dich nicht da draußen haben. Du könntest ja entkommen und verraten, wo sie ihr fließendes Wasser herbekommen«, schlussfolgerte sie seufzend und blieb schließlich stehen. »Oder Sonnencreme.«

Wenn Joska es darauf anlegte, sie durch psychologische Folter zu zermürben, zeigte seine Taktik vollen Erfolg. Asavi presste die Handflächen flach auf die Mauerziegel, von denen an einigen Stellen der Verputz fehlte. Ihre abgekauten Nägel rieben über den bröckligen Zement und ließen ihn in der dunklen Stille auf den Boden rieseln.

»Warum bist du eine Varai?«, fragte Asavi und senkte ihren Kopf, bis ihre Stirn ebenfalls gegen die Mauer schlug. Sie suchte in ihrem Verstand nach einer Stimme, die ihr die Antwort auf diese Fragen gab, traf dort aber nur auf Leere. Sie blies die Backen auf und stieß die Luft langsam durch den Mund aus. »Weil ich mich an eine Zeit vor den Engeln erinnere. Was weniger für meine Verrücktheit spricht, sondern für die derjeniger, die sich nicht daran erinnern.«

Asavi seufzte. »Vielleicht«, mutmaßte sie mit Trotz in der Stimme und hob die Augenbrauen, »weil ich am Tag, an dem die ersten Engel fielen, auf der linken Seite geschlafen habe. Anfängerfehler auf den die Todesstrafe steht.«

»Die Theorie habe ich noch nie gehört«, antwortete ihr wie aus dem Nichts Csabas Stimme und Asavi zuckte heftig zusammen.

»Wie lange sitzt du schon vor der Tür und lauschst?«, fragte sie und nahm den Kopf von der Mauer.

»Lange genug, dass mir dein geflüstertes Selbstgespräch eine Gänsehaut verpasst. Könntest du deine Gefangenschaft in Stille absitzen, wie eine normale Geisel?«

»Haa-haa«, machte Asavi und schleuderte die zerbröckelten Zementkörner unter leisem Prasseln gegen die Türe. »Warum kommst du nicht rein und lässt mich üben, was du mir so umsichtig beibringen wolltest?«

»Kein Bedürfnis.«

Asavi drehte sich um und rutschte mit dem Rücken gegen die Wand langsam zu Boden. Das frische Leinenhemd, das Csaba ihr gegeben hatte, war sowieso schon wieder völlig verdreckt und verschwitzt. »Hast du Angst, dass ich dich überwältigen könnte?«

»Nein.«

Asavi seufzte und fing an, mit ihrem Hinterkopf gegen den Verputz zu schlagen. »Kann ich dann wenigstens eine Lampe haben und etwas zum Lesen?«

Csaba blieb stumm.

»Ich werde hier drinnen noch wahnsinnig, okay? Schön, wenn ihr mir misstraut, nur zu, aber irgendwann habe ich meinen Verstand eigenständig zu Mus verarbeitet, dann bin ich auch keine gute Geisel mehr.«

Csaba sagte auch daraufhin eine Weile lang nichts. »Das fände Joska sicherlich nicht gut.«

Asavi wandte ihren Kopf zur Türe. »Armer Joska. Ich wünschte, du könntest mein Gesicht sehen, damit du auch Zeuge werden würdest, wie ich meine Augen verdrehe.«

[Sci-Fi/Fantasy] Starfall - Wenn der Himmel fälltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt