- Kapitel 30: Die Krücken der Varai -

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Asavi wachte auf und blinzelte in dämmriges Zwielicht, das durch die Vorhänge fiel. Es war knapp vor Sonnenaufgang und ihre innere Uhr riss sie effektiv aus dem Schlaf. Trotzdem sank sie ein Stück tiefer in die weiche Matratze und hätte sich gerne eine zweite Mütze Schlaf gegönnt, wenn sie die leere Seite zu ihrer rechten nicht alarmiert hätte.

Juraj war bereits aufgestanden und, den Geräuschen der Regenwalddusche nach, im Badezimmer. Asavi setzte sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Sie konnte dem Drang nicht widerstehen, diese Gelegenheit zu nutzen, um heimlich ihre Nase in die Dinge zu stecken, die sie gestern aus Anstandsgründen in Jurajs Gegenwart ignoriert hatte. Sie rollte sich rasch auf seine Bettseite, um seinen Nachtschrank zu öffnen. Dabei stieg ihr sein Duft in die Nase, der von seinem Aftershave überlagert wurde. Frisch würzig wie die Bergluft vor dem Balkon.

Doch das Stöbern vermittelte ihr lediglich, was für ein Technik-Nerd er war. Bücher über Handbücher über Gebrauchsanweisungen irgendwelcher militärischen Gerätschaften, Waffen, Hubschrauber, mathematischer Fachbücher und astronomischer Sachbücher. Dann stieß sie auf Ratgeber über Psychologie und Verhaltensforschung. Asavis Augenbrauen schossen in die Höhe.

Das Wasser wurde abgestellt und sie hielt kurz inne, aber den Geräuschen nach zu urteilen, war Juraj noch nicht fertig. Sie wühlte sich weiter durch seine Sachen. Unter den ganzen, langweiligen Büchern fand sie schließlich eine Kette samt Anhänger. Sie hob die Augenbrauen und zog den Gegenstand ungeachtet seiner offensichtlich privaten Natur zwischen den Büchern hervor und ließ ihn in ihre Hand gleiten.

Es war eine Kette, deren Anhänger am ehesten einer Hundemarke glich. Asavi war nicht sonderlich erstaunt über diese Entdeckung, schließlich diente hier doch jeder Mann in irgendeiner Form militärischer Einsatzzwecke. Was aber ihre Aufmerksamkeit fesselte, war die Art dieser Hundemarke.

Es war nur ein Anhänger, nicht zwei, weder separiert noch durch perforiertes Metall getrennt. Soweit Asavi informiert war, dienten diese Plaketten der Identifizierung gefallener Soldaten, etwas, das der Kamerad mit sich nehmen konnte, ohne einen identitätslosen Toten zurückzulassen. Außerdem war es keine Plakette, sondern eine kleine Scheibe, unter dessen leicht gewölbtem Glasverschluss ein einzelner Uhrzeiger lag. Er zeigte allerdings keine Stunden, Minuten oder Sekunden an, sondern einfach nichts.

Die einzigen Symbole auf der mattgrauen Oberfläche waren in das Metall geritzte Kreise. Einer da, wo bei einer normalen Uhr die Zwölf prangte und am Platz der sechs. Der Kreis an der sechs war halbiert, eine Hälfte glänzte, die andere war aufgeraut und dunkel. Der Zeiger stand auf acht, wenn diese Uhr tatsächlich im Uhrzeigersinn lief und nicht entgegen.

Asavi runzelte die Stirn und fragte sich, ob sie vielleicht die Mondzyklen beschrieb, die ja nun nicht mehr mit freiem Auge betrachtet werden konnten.

»Das ist meine Einsatzuhr«, erklärte Juraj, der unvorhergesehen aus dem Badezimmer getreten und barfuß über den weichen Teppich lautlos an Asavi herangetreten war. »Ich trage sie nicht gerne«, gestand er nach kurzem Zögern.

Asavi erstarrte und richtete sich mit einer Entschuldigung auf den Lippen auf, doch stockte. Juraj trug bis auf ein um die Hüften geschlungenes Handtuch nichts am Leib.

In Ermangelung einer angebrachten Reaktion schloss Asavi die Augen und streckte die Hand mit der Uhr aus. »Tut mir leid, ich habe dich nicht gehört.«

Juraj lachte und nahm die Kette samt Uhr an sich. »Wenn du mich gehört hättest, dann hättest du nicht geschnüffelt?«, fragte er amüsiert.

»Naja. Ich hätte zumindest deine Sachen zurücklegen und so tun können, als wäre nichts gewesen«, erklärte Asavi und stellte fest, dass es um so vieles einfacher war mit Juraj zu reden, wenn sie nicht konstant von seiner Attraktivität angegriffen wurde.

[Sci-Fi/Fantasy] Starfall - Wenn der Himmel fälltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt