- Kapitel 24: Was im Muttergestein schlummert -

36 3 10
                                    

Asavi wandte sich nach den Milchglastüren um, die Juraj hinter ihr wieder zudrückte und fühlte sich merkwürdig an ihr Verhör mit Joska erinnert. Wenn Joska und Csaba so ein Dorn im Auge der Varai waren, dann empfand Asavi doch einen leisen Funken an Erleichterung, dass Csaba, Jazmin und Helene nicht hier waren. Sie wollte nicht wissen, was man mit ihnen anstellte wenn doch.

Das Klappern von Stiefeln kündigte Izabela an und Asavi wandte sich zurück in den Raum. Es war ein kleiner, komplett weißer Warteraum mit niedrigen Glastischen und weißen Kunstledermöbeln. Die einzige Farbe rührte von bunten Magazinen auf den Tischen und einer knallroten Kaffeemaschine her, die mit ihren verchromten Zierplatten eher an eine futuristische Drohne erinnerte.

»Asavi, Schatz!«, rief Izabela und zog sie ohne Vorwarnung in eine feste, parfümierte Umarmung. »Du siehst einfach wundervoll aus. Wie fühlst du dich?«

»Sauberer«, gestand Asavi und brachte es nach wie vor nicht über sich, die Umarmung ihrer Mutter zu erwidern. Sie duftete nach Freesien und Zimt und Asavi hielt augenblicklich die Luft an. Irgendetwas an diesem Duft störte sie, er wirkte so banal, so unberührt und ... großkotzig. Beleidigend für jemanden, der die letzten vier Jahre nur im eigenen Dreck und Staub gelebt hatte, um sich dem Tod zu entziehen, der sie auf der Suche nach dieser Duftnote mehrere Male bereits beinahe mit kalten Klauen ins Nichts gedrückt hatte. Wie konnte Izabela es wagen, Parfüm zu tragen, während man versuchte Asavi mit einem Kabel den Garaus zu machen, und sie für die eigennützigen Verbrechen ihrer Mutter zur Rechenschaft zog?

»Na komm, setz dich.« Izabela führte Asavi geschäftig durch den Warteraum und bugsierte sie in ein Büro, hinter dessen dickwandiger Scheibe, die von Decke bis Boden reichte, das Alpenmassiv in die Höhe wuchs.

Asavi nahm in einem Stuhl vor Izabelas Schreibtisch Platz, der ebenfalls wie alles andere hier in strahlendem Weiß gehalten war.

»Du musst mir einfach alles erzählen«, forderte Izabela sie mit einem wehmütigen Lächeln auf und goss ihr prickelndes Wasser in ein hohes Glas mit Zitronenscheibe.

»Wo bin ich hier«, murmelte Asavi und wurde das beunruhigende Gefühl nicht los, dass sie immer noch träumte.

»Schatz«, sagte Izabela mit einem traurigen Zögern in der Stimme. »Das muss alles wahnsinnig viel für dich gewesen sein. Du bist bei den Varai, dem letzten Bollwerk vor dem Grauen der Neuen Wahrheit. Hat Gergő dir nichts erzählt?«

Asavi vermied es, ihr in die Augen zu sehen. »Papa hat mir nichts gesagt.«

Izabela seufzte tief und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die Nasenwurzel. »Mein Gott. Dann wundert es mich nicht, dass du völlig verstört bist!«

Izabela ließ sich auf ihren Stuhl sinken und verschränkte die Finger ineinander. Ihre kinnlangen Haare sahen in dem einfallenden Licht aus wie dunkelbraune Seide. Sie trug einen marineblauen Anzug aus makellos gepresstem Stoff, als würde sie Aktien verkaufen und nicht in Militärhubschraubern Monstern hinterherjagen.

»Die Varai sind diejenigen, die sich an die Erste Wahrheit erinnern, diese bewahren und nach einer Erlösung aus dem Leid suchen. Denn wir wissen, warum die Engel auf die Erde gefallen sind und was wir finden müssen, damit wir die Erste Wahrheit wieder herstellen können.«

Asavi blinzelte Izabela stumm zurück an. Sie interessierte mehr, ob Csaba sie angelogen hatte, doch schwieg dazu. Sie wollte ihn aus irgendeinem dümmlichen Grund nicht unter den Bus werfen.

»Joska behauptet, ihr hättet die Engel auf die Erde geholt«, rutschte es ihr stattdessen heraus und für einen Augenblick blähten sich Izabelas Nasenflügel. Von der strahlenden Frau auf dem Mitarbeiterausweis war nichts mehr zu erkennen.

[Sci-Fi/Fantasy] Starfall - Wenn der Himmel fälltWhere stories live. Discover now