{ 2. Kapitel }

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In Windeseile raste ich durch die Eingangshalle auf die linke der beiden Holztreppen zu, die zu dem Gang führte, in dem sich auch das Zimmer von meiner besten Freundin und mir befand. Ich beeilte mich dermaßen, dass ich beinahe auf der Treppe über eine Stufe gestolpert wäre und rückwärts wieder heruntergepurzelt wäre. Zum Glück konnte ich mich im letzten Moment am Geländer festhalten und rannte weiter. Schwer atmend stürmte ich schließlich durch unsere Zimmertür hinein in unser kleines Heiligtum.

„Lilya!", rief ich erleichtert, als ich sie auf ihrem Bett sitzen sah, die Beine angezogen und den Kopf auf die Knie gebettet, offensichtlich nachdenklich, oder gar traurig wegen irgendetwas. Die schlimmsten Befürchtungen begannen sich in mir zu regen, hatte sie etwa auch einen Verweis erhalten? Denn wenn es jemand nicht verdient hatte, von der Akademie verwiesen zu werden, dann war das meine beste Freundin.

„Serena!", erwiderte sie jedoch entgegen meinen Erwartungen erfreut und hob ihren Kopf, sodass ihre lockigen, blonden Haare nach hinten flogen. „Wo warst du denn so lange?"

An ihrem Gesicht konnte ich rasch erkennen, dass alles in Ordnung war. Ihre Augen glitzerten aufmerksam, ihre Haare waren wie immer sorgfältig frisiert und alles in allem wirkte sie definitiv nicht so, als wäre dieser Tag der Schlimmste ihres Lebens.

Ich atmete tief durch und begab mich neben Lilya aufs Bett. Meine Beine überkreuzte ich, sodass ich im Schneidersitz ihr gegenüber saß. Dann reichte ich ihr ohne ein einzige Wort zu sagen den Brief und sah sie währenddessen nur bedeutungsschwer an.

Mit großen Augen nahm sie ihn entgegen, hielt sich nicht mit großen Fragen auf und begann, die Worte zu überfliegen. Dann traf mich ihr Blick, ihre Augen schimmerten feucht.

„Oh, Serena!", murmelte sie mit tonloser Stimme und schlang die Arme fest um mich. „Das darf doch nicht wahr sein!" An meiner Schulter spürte ich, wie sie langsam ihren Kopf hin und her bewegte, als könnte sie es nicht fassen oder gar glauben.

Ich nickte an ihrer Schulter und nun bemerkte ich auch, wie sich wieder Tränen in meinen Augen sammelten. „Ich weiß", flüsterte ich. Ich kniff meine Lider zusammen, um wieder Herr über meine Gefühle zu werden. Was hatte ich mir eben nochmal gesagt? Deprimiert den Kopf in den Sand zu stecken, half nichts. Also löste ich mich aus ihrer Umarmung und sah sie ernst an.

„Pass auf, Lil. Noch ist nichts verloren. Wir müssen uns einfach nur irgendetwas einfallen lassen." Beschwörend blickte ich in ihre waldgrünen Augen. Sie war diejenige von uns mit dem klugen Köpfchen. Ich baute auf ihren Rat, er war das Einzige, was mir blieb.

„Aber was denn?", erwiderte sie jedoch verzweifelt. „Verdammt, du bist gerade von der Akademie geflogen! Ich hab dir ja gesagt, dass es eine schlechte Idee ist." Sie lachte auf, doch es war ein gänzlich humorloser Ton.

Ich seufzte. „Ja, ich weiß. Und wir sind nicht mal dazu gekommen, überhaupt einen Fuß ins Wasser zu setzen! Unser Plan ging auch noch voll in die Hose!"

Lilyas tadelnder Blick traf mich. Unter normalen Umständen hätte sie vermutlich über meine gedankenlose Äußerung gelacht, doch nicht nach so einer Ankündigung. „Verdammt, Serena, die Zeit für Späße ist vorbei.", sagte sie ernst. „Wir müssen uns echt etwas einfallen lassen!" Wie ich schon sagte, Lilya tickte anders als ich, aber das war auch gut so, andernfalls wäre ich von vornherein verloren gewesen.

„Aber was denn?", fragte ich sie ratlos. „Es gibt nicht wirklich etwas, womit ich glänzen kann."

Sie schenkte mir ein schiefes Lächeln. „Naja, da magst du vielleicht Recht haben... Außer der Tatsache natürlich, dass du definitiv die Beste darin bist, blöde Pläne zu entwickeln die total nach hinten los gehen und du vermutlich jeden Neyen mühelos um den Finger wickeln könntest."

Das wiederum entlockte mir ein Lachen. „Wieso bezweifle ich, dass mir das wieder einen Platz an dieser Einrichtung sichern wird? Ist das nicht eher der Grund, warum ich überhaupt gehen muss?" Auf meinen Lippen lag weiterhin ein Lächeln, doch ich spürte, wie es zusehends verblasste. Ich musste wirklich gehen. Diese Tatsache stand zu neunundneunzig Prozent fest.

Lilya, die meinen Stimmungsumschwung bemerkte, stupste mich an und schenkte mir eines ihrer wundervoll aufmunternden Lächeln. „Komm schon, noch ist nichts verloren! Wie wäre es, wenn wir zumindest zu einem der Vertreter des Ausschusses gehen und sie um noch eine Chance für dich bitten? Lieb fragen und ein Hauch von Bettelei hat uns schließlich schon aus so manchem Mist gerettet." Sie zwinkerte mir zu. „Vielleicht brauchen wir hier nur ein bisschen mehr Überzeugungskraft und offensichtliche Reue."

Ich schenkte ihr ein dankbares Lächeln. Ich liebte ihre Eigenschaft, auch in schwierigen Momenten, in denen sie zunächst verzagte, den Mut schnell wiederzufinden – auch wenn ich wusste, dass es in diesem Moment mehr ein Akt der Verdrängung der Tatsache war, dass sie vermutlich bald keine Zimmergenossin mehr haben würde.

„In Ordnung. Lass uns wenigstens das einmal versuchen. Schaden kann es sicher nicht mehr."

Und mit diesen Worten drehte ich mich, lehnte mich gegen die Wand ihres Bettes, griff nach einem Blatt Papier und einem Stift, die neben uns auf dem kleinen Tischchen lagen und machte mich zusammen mit meiner allerbesten Freundin daran, Argumente gegen die Tatsache zu finden, mich von der Akademie zu werfen.

Nach einer Weile warf ich den Stift beiseite und seufzte entnervt. „Verdammt! Ich kann mich einfach nicht konzentrieren, wenn ich so im Stress bin!", jammerte ich.

Lilya blickte mich provozierend an. „Ach, ist das auch der Grund, warum deine Noten so schlecht sind?"

Verlegen glitt ein Lächeln über mein Gesicht. „Du kennst mich einfach zu gut." Dann blickte ich wieder auf das Blatt Papier. Ich hatte ganz genau zwei Punkte aufgeschrieben:

     1.Ich kann relativ gut mit meiner Magie umgehen.

     2.Bitte bitte bitte, lasst mich bleiben ich hab doch sonst nichts!

Der erste Punkt war vielleicht noch annehmbar...der zweite würde mir glaube ich nicht so viel bringen. Manchmal hatte ich nicht das Gefühl, dass ich bereits 19 Jahre alt war Erneut seufzte ich und spürte in der darauffolgenden Sekunde Lilyas Blick auf mir. Einen kurzen Moment war es still, dann seufzte auch sie.

„Also gut, Sea, dann lass uns wenigstens mal kurz frische Luft schnappen und neue Energie tanken, hmm?" Aufmunternd blickte meine Freundin mich an und ich nickte dankbar.

„Jippie! Super Idee! Danach fällt mir sicher noch jede Menge ein!", behauptete ich, wusste im selben Moment, dass es nicht stimmte und hoffte gleichzeitig, dass ich mich dennoch täuschen würde. Flink ergriff ich Lilyas Hand und zog sie schwungvoll aus der Zimmertür.

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Hey ihr Lieben! :)
Ich wollte auch nur kurz sagen, dass meine Kapitel nicht mehr lang so kurz bleiben und es auf jeden Fall spannender wird :) Vielen lieben Dank fürs Lesen bisher! *-*

Ganz liebe Grüße, eure Lara ❤

Nymphenkuss Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt