{ 6. Kapitel }

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Am nächsten Morgen kitzelte mich ein Sonnenstrahl wach. Er schien mir dreisterweise direkt ins Gesicht und zunächst kniff ich die Augen zusammen, um mich vor dem Licht zu schützen. Als ich jedoch wahrnahm, wie die Wärme direkt auf meine Nase traf, spürte ich ein Kitzeln und musste direkt einmal niesen.

„Ha-ha-hatschi!"

„Gesundheit, Sea!", erklang die helle Stimme meiner besten Freundin aus der Richtung des Badezimmers und ich hörte nur zu deutlich das Grinsen in ihrem Tonfall. Sonne beziehungsweise Helligkeit war ziemlich oft ein Grund für mein regelmäßiges Nies-Syndrom.

Ich stöhnte leise und zog mir die Bettdecke über den Kopf. Nur noch ein paar Minuten, die konnten mir doch vergönnt sein, oder? Die hatte ich mir doch bestimmt nach dem – oh mein Gott, der gestrige Tag!

Augenblicklich stand ich senkrecht im Bett. Der Verweis, das ganze Nachdenken und Grübeln, Lilya, Aryan – Aryan! Beim Gedanken an ihn kribbelte mein ganzer Körper und sofort schossen mir die wilden Überlegungen der vergangenen Nacht wieder in den Kopf – und vor allem mein Vorhaben, ihn heute auf die ganze Sache anzusprechen. Nun gut, den Vorsatz, ihn noch vor dem Unterricht zu erwischen, konnte ich nun wohl getrost verwerfen, aber schließlich lag noch ein langer Nachmittag und Abend vor mir. Bei diesem Gedanken beruhigte sich mein nervöser Magen etwas und ich sank wieder in die Kissen zurück, um mir noch fünf winzige Minütchen Schlaf zu gönnen.

Zumindest war dies mein Plan... bis mir auf einmal jemand die Bettdecke wegzog.

„Serena!", rief Lilya tadelnd. „Wenn wir vor dem Unterricht noch etwas essen wollen, musst du jetzt aufstehen." Gemeinerweise nahm sie meine kuschelige Decke und schmiss sie auf ihr eigenes, bereits gemachtes Bett. Um dies festzustellen, musste ich nicht einmal die Augen öffnen – im Gegensatz zu mir war Lilya viel ordentlicher. Dies galt natürlich nicht nur für ihre Zimmerseite, sondern auch für ihre Haare, ihr Make-Up und ihren Kleidungsstil. Apropos Haare... Ich tastete blindlings auf meinem Kopf herum und war nicht gerade erstaunt, ein regelrechtes Knäuel aus wirren Strähnen vorzufinden.

Ich stöhnte entnervt, öffnete endlich die Augen und schwang die Beine aus dem Bett. Verschlafen erhob ich mich und tapste ins angrenzende Badezimmer. Während ich eine schnelle Katzenwäsche betrieb, hörte ich Lilya nebenan fröhlich herum pfeifen. Wie konnte man am frühen Morgen nur so gute Laune haben? Ich schnitt meinem eigenen Spiegelbild eine Grimasse. Ich war leider so ziemlich das genaue Gegenteil eines gut gelaunten Frühaufstehers – und das jeden Tag. Andererseits hatte Lilya vergangene Nacht auch etwas mehr Schlaf bekommen und sich nicht noch gefühlte Stunden mit Problemen im Kopf schlaflos im Bett herumgewälzt. Klar, Sea, eine Erklärung für einen einzigen Tag im ganzen Jahr macht die ganze Sache nicht wirklich besser.

Na, wenigstens machte ich mir nun nichts mehr vor.

Nachdem ich im Badezimmer weitestgehend fertig war, ging ich wieder zurück in unser Zimmer und öffnete meine Schranktür. Wahllos zog ich Klamotten heraus – und legte sie dann schnell wieder zurück. Schließlich hatte ich mir vorgenommen, mich ab heute sorgfältiger zu kleiden und zu frisieren. Da musste das Frühstück wohl leider doch ausfallen.

Mit grummelnden Magen stand ich einige Minuten ratlos vor meinem Schrank. Ich fixierte meinen Schrankinhalt, als könnte er mir eine Antwort auf mein Klamottenproblem geben, doch wenig überraschend schwieg er. Da beschloss ich, mich an die Person zu wenden, die mir sicherlich mehr Hilfe geben konnte. Ich wandte mich um und betrachtete meine Freundin, die meine Bettdecke faltete und glatt strich.

„Äh, Lil? Kannst du mir mal kurz helfen?", erkundigte ich mich zaghaft und wartete schweigend, bis sie sich neben mich gestellt hatte und mich ansah.

„Was ist eigentlich heute dein Problem, Sea?", fragte meine beste Freundin und musterte mich prüfend. „Deine übliche Morgenmüdigkeit kenne ich ja, aber seit wann brauchst du so lange, um dir irgendetwas zum Anziehen auszusuchen?"

Nymphenkuss Onde as histórias ganham vida. Descobre agora