{ 36. Kapitel }

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Ich war wirklich froh über die Tatsache, den Nachmittag mit Brax verbringen zu dürfen.

Dasyl hatte ich nicht mehr zu Gesicht bekommen, seitdem Navarra mich in sein Büro beordert hatte, auch beim Mittagessen war er an keinem der Tische zu sehen gewesen. Ich war auch ehrlich gesagt nicht sonderlich scharf darauf, mehr Zeit als nötig mit ihm zu verbringen, würde ich doch am nächsten Vormittag mit ihm durch sämtliche Kurse gehen müssen. Da tat ein Nachmittag ohne Anfeindungen und Provokationen des Hünen ganz gut, auch wenn mich der Gedanken daran nicht los ließ, was denn nun den Layphen solche Probleme bereitete, dass er es vor mir geheim halten musste.

Leichte Gischt peitschte in mein Gesicht, als ich mir hinter Brax den Weg die Steilklippen hinab suchte. Das Meer war aufgewühlt, aber es hatte aufgehört zu regnen – ansonsten hätte ich Brax vermutlich auch nicht dazu bekommen, mit mir hinunter an den felsigen Strand zu gehen. Auch jetzt wischte sich der Layph genervt die Feuchtigkeit, die das Meer auf sein Gesicht trug, mit den Händen fort. „Ich hasse Wasser", hörte ich ihn leise vor sich hin grummeln und musste mir ein schiefes Lächeln verkneifen. Tatsächlich erinnerte er mich in diesem Moment ein wenig an meine beste Freundin und ich dachte unwillkürlich daran zurück, als sie vor wenigen Tagen in den Regen zu ihrem Ausflug hinausgetreten war und patschnass, sowie von Dreck gezeichnet, zurückgekehrt war. Ob sie ihren kleinen Krieg mit dem dunklen Lockenkopf Halio beendet hatte? Ich war mir ziemlich sicher, dass er meiner lieben Dryadenfreundin nicht allzu lange nachtragend sein konnte.

Die Gedanken an mein altes Zuhause ließen bittersüße Melancholie in mir emporsteigen und ich schlang meine Finger haltsuchend um das Saphirherz, bis sich seine geschliffenen Kanten leicht in meine Haut bohrten. Ich senkte meinen Blick auf das trübe Blau, das nach wie vor kein Zeichen eines hell schimmernden Aufglühens zeigte und erinnerte mich zurück an das Gespräch zwischen meinem Sýntrofa und mir, kurz nachdem er mir die Herzkette geschenkt hatte.

„Du, Aryan?"

„Ja?"

„Wie lange wird das Saphirherz eigentlich leuchten?"

„Solange ich lebe und du bei mir bist. Also wage es nicht, jemals zu gehen oder mich zu verlassen."

Sehnsucht zierte meine blassen Gesichtszüge. Weder er noch ich hätten in diesem Moment ahnen können, dass ich nur wenige Stunden später in einem Flugzeug sitzen würde, das mich so weit von ihm entfernen würde, und dass dafür sorgte, dass das Schimmern erlosch. Und das für ein ganzes Jahr.

Plötzlich spürte ich die kleinen, leicht glitschigen Steine unter mir wegbröckeln und ich grub meine Zehen haltsuchend in das Geröll unter meinen nackten Füßen, während ich mit meiner linken Hand an der Felswand neben mir nach etwas suchte, an dem ich mich festhalten konnte. Ein zischendes Aufkeuchen entfuhr mir, während ich mit vor Panik weit aufgerissenen Augen meine Finger in die kleinen Kerben grub und mühevoll meinen Absturz die Klippen hinunter verhinderte. Lediglich einige, kleinere Kieselsteine folgten dem Weg, der beinahe für mich bestimmt worden wäre und schlugen mit einem leisen Klirren gegen die Felsen, bevor sie kleine Kreise an der Oberfläche verursachten und dann im aufgewühlten Meer versanken.

„Serena? Alles in Ordnung?", erkundigte sich Brax besorgt und drehte sich besorgt zu mir um. „Ich hab dir doch gesagt, dass es eine schlechte Idee ist, diesen Weg zu nehmen, nachdem es geregnet hat. Der ganze Untergrund trägt nicht mehr richtig." Kopfschüttelnd setzte der Layph mit dem flachsblonden Haarschopf seinen Weg fort, nachdem er festgestellt hatte, dass es mir gut ging.

Mein Herz klopfte noch immer schnell, aber der Schock verklang langsam aus meinem Körper. Möglicherweise sollte ich nächstes Mal in Erwägung ziehen, auf Brax zu hören, anstatt meinen Dickkopf durchzusetzen und schnellstmöglich zum Meer zu gelangen.

Nymphenkuss Where stories live. Discover now