{ 27. Kapitel }

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Lilya neben mir entfuhr ein leiser Schrei, ich spürte, wie sich ihre Fingernägel in meinen Arm gruben. Ich keuchte auf und zuckte zusammen, meine Augen vor Schreck leicht aufgerissen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Instinktiv standen mir die Bilder von unserer Mythologie-Stunde heute wieder vor Augen, und von den Lamien, die mit weißen Augen und blutverschmierter Kehle von ihrer Beute abließen, nur, um sich ihr nächstes Opfer zu suchen und ihren lebensauslöschenden Durst zu stillen.

Lilya und ich gingen gleichzeitig ein paar kleine Schritte rückwärts, der Mond schaffte es nicht die Dunkelheit des Waldes zu durchdringen und zu enthüllen, wer da vor uns stand. Plötzlich vernahm ich ein leises „Buuuh", und dann ein tiefes, kaum hörbares Lachen.

Wieder weiteten sich meine Augen, ich kannte dieses Geräusch nur zu gut, bevor sie sich vorwurfsvoll verengten.

Ich sprang einen Schritt vor, sodass Lilya gezwungenermaßen meinen Arm loslassen musste und trommelte mit meinen Fäusten gegen die harte Brust des Oreaden vor mir. „Aryan! Das. Kann. Nicht. Dein. Verdammter. Ernst. Sein." Meine einzeln hervorgestoßenen Wörter betonte ich jeweils mit einem Schlag, die ihn jedoch nicht daran hinderten, leise weiter zu lachen. „Du. Arsch!" Seine Augen glommen silbern im Mondlicht auf.

„Zu schade, dass ich eure Gesichter nicht erkennen konnte", erwiderte er nur, nach wie vor amüsiert von seiner dämlichen Aktion.

„Das war echt nicht witzig, Aryan", erklang es nun auch hinter mir, danach vernahm ich ein leises Stoffrascheln und Lilya trat neben mich.

„Also ich persönlich fand's extrem witzig", ließ der Oreade vor mir verlauten und wieder schlug ich ihm gegen die Brust. „Aua", entfuhr es ihm scherzhaft und ich war so kurz davor, ihm eine zu verpassen, die wirklich schmerzen würde. Mein Herz klopfte immer noch wie verrückt und mein Atem ging hektisch. Er wusste genau, wie sehr ich die Dunkelheit verabscheute, warum tat er so etwas immer wieder?!

Verstimmt trat ich einen Schritt zurück und schniefte einmal, völlig fertig mit der Welt und meinen Gefühlen. Ich spürte, wie Lilya mir zart mit der Hand über den Arm streichelte. Dann schickte sie offenbar einen vorwurfsvollen Blick zu Aryan, der allmählich auch zu begreifen schien, dass er einen Schritt zu weit gegangen war.

„Hey", lenkte er ein und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Entschuldigt. Aber ich hätte nie geahnt, dass ich euch so dermaßen damit erschrecken würde."

„Hast du aber", stellte Lilya trocken fest. „Und jetzt sieh zu, dass du es wieder hinbekommst." Wieder strich sie mir mitfühlend über den Arm, dann eilte sie davon, in die Richtung, aus der man die lauten Bässe vernehmen konnte.

Einen Moment lang schaute ich protestierend auf, ich meine, warum ließ sie mich hier bitte alleine stehen? Mitten im Wald, mit ihm? Andererseits war es Lilya, und sie wusste eigentlich immer noch vor mir, was das Beste für alle war – mich mit eingeschlossen.

Ich hörte Aryan leise seufzen, dann trat er einen Schritt näher. „Komm schon, Sea. Sei nicht sauer." Er griff nach meiner Hand, doch ich entzog sie ihm wieder, bevor er sie fest in seinem Griff halten konnte.

Dann verschränkte ich meine Arme vor der Brust und drehte mich von ihm weg. Ich hatte ihm bereits vorgestern in der Höhle klar gemacht, dass es wirklich gar nicht witzig war, mich im Dunkeln zu erschrecken, also welcher Teufel hatte ihn geritten, es heute wieder zu tun?

„Es tut mir Leid, okay? Ich dachte, es wäre irgendwie witziger...also für euch." Inwiefern sollte es bitte witziger für uns sein? Er hatte uns fast zu Tode erschreckt und uns einen halben Herzinfarkt beschert.

Ich presste meine Lippen zusammen, sodass sie einen harten Strich bildeten und schwieg beharrlich weiter.

„Pass auf, ich mach es wieder gut, in Ordnung?"

Nymphenkuss Where stories live. Discover now