Kapitel 2 - Verpennt

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Ich hatte diesem Typen erklärt, wo ich wohne und wartete nun darauf, dass ich zu Hause abgesetzt wurde.

Es war still. Er hatte noch nicht mal Radio an oder so, was das ganze schon ziemlich peinlich machte. Es war eine unangenehme Stille. Aber was sollte ich denn sagen? Ich hatte keine Lust mit ihm eine Konversation zu führen.

"Wie heißt du eigentlich?", fragte er mich nach 5 Minuten der Stille. "Was interessiert dich das?"

"Du bist auch 'ne ganz hartnäckige, ne?", sagte er amüsiert und lächelte dabei. Es war ein süßes Lächeln. Ehrlich irgendwie. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er mich irgendwie für irgendwas ausnutzen würde.

"Evelyn", meinte ich leise "und du?"

Immer noch konzentriert auf die Straße guckend sagte er "Schöner Name. Ich heiße Justin".

Ich lächelte einmal kurz, und schaute zu ihm. Eine Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen. Er schien nachzudenken. Es war wieder leise. Diesmal war die Stille nicht ganz so erdrückend, aber trotzdem war sie nicht gerade schön.

Ich würde gerne wissen, worüber Justin gerade nachdenkt. Aber ich traue mich nicht, ihn zu fragen. Ich will nicht aufdringlich sein, und ich wollte ihm ja auch erst nicht meinen Namen sagen.

Nach einer Weile, in der ich selbst nachgedacht hatte, und zwar über Justin, bemerkte ich, dass wir gar nicht in die Richtung fuhren, in die ich musste.

"Ähh, Justin?", traute ich mich schließlich leise zu sagen.

"Ja?"

"Wir fahren in die falsche Richtung."

Erst schaute er mich nochmal nachdenklich an, bevor er antwortete. "Oh. Stimmt. Sorry"

Und damit drehte er, und wir fuhren in die richtige Richtung. Vielleicht hat er einfach zu viel nachgedacht, und hat nicht darauf geachtet, wo er hinfährt. Kann passieren. Und trotzdem sah er immer noch so nachdenklich aus, wie 5 Minuten zuvor.

Justin setzte mich nach ein paar weiteren Minuten bei mir Zuhause ab. Ich ging zur Tür und wollte gerade aufschließen, als ich mich noch mal umdrehte. Eigentlich hatte ich erwartet, dass Justin bereits weggefahren war, doch sein Auto stand da noch. Er guckte konzentriert auf sein Handy und schien beschäftigt zu sein.

Er ist komisch. Er spricht mich an, scheint mir zu folgen, bringt mich nach Hause, verfährt sich, ist sehr nachdenklich, guckt auf sein Handy, ach was weiß ich noch alles.

Plötzlich guckte er nochmal hoch, direkt in mein Gesicht. Ich muss ihn wohl noch etwas länger angegafft zu haben. Er lächelte mich warm an, und winkte mir zu. Ich winkte wie mechanisch zurück, und schloss endlich die Haustür auf.

Meine Eltern schliefen natürlich schon, weswegen ich mich leise in mein Zimmer schlich. Sie wussten, dass ich nach Party's immer spät nach Hause kam, aber ich möchte sie nicht wecken.

Ich schminkte mich ab, zog mich um und legte mich schließlich in mein Bett.

Plötzlich lagen meine Gedanken wieder bei Justin. Er ist komisch. Ich habe keine spezielle Meinung von ihm, weder positiv noch negativ. Aber gerade eben, als ich bei ihm im Auto saß fühlte ich mich sicher. Auch wenn wir nicht viel geredet haben, und Justin wirklich merkwürdig war, habe ich mich geborgen gefühlt. Als hätte nichts passieren können. Ich weiß nicht, ob bei mir noch alles normal ist, aber das ist momentan einfach meine Meinung und Empfindung.

Schließlich schlief ich mit diesen Gedanken ein, und fiel in einen tiefen und ruhigen Schlaf.

❁❁❁
Am nächsten Morgen werde ich von meinem nervtötenden Wecker geweckt. Stöhnend schalte ich ihn aus. Shit. Warum hatte ich gestern überhaupt getrunken? Ich hab höllische Kopfschmerzen. Und warum hatte ich mir denn bitte einen Wecker gestellt?

Naja egal. Einschlafen konnte ich jetzt sowieso nicht mehr.Also schlurfte ich ins Bad um Zähne zu putzen, und meine Haare zu kämmen. Ich würde mir dann heute einfach einen entspannten Tag machen. So etwas hatte ich schon lange nicht mehr.

Ich machte mich fertig und ging dann anschließend in die Küche, um nach etwas Essbarem zu gucken. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

Shit.

Shit.Shit.Shit.

Fuck!

Ich hatte meiner Tante versprochen, ihr am Wochenende, also heute, in ihrem Hotel zu helfen. Wie konnte ich das vergessen? Scheiße man.

Ich rannte blitzschnell in mein Zimmer, um mir meine weiße Bluse, und den schwarzen Rock anzuziehen. Sie wird mich umbringen. So was von umbringen. Sie konnte sich immer auf mich verlassen. Und jetzt habe ich einfach verpennt.

Ich rannte ins Bad, und band mir meine Haare zu einem möglichst ordentlichen Dutt. Ich musste akzeptabel aussehen, wenn ich schon über eine Stunde zu spät kam.

Als ich endlich komplett fertig war und meine Kopfschmerzen wieder stärker wurden, ging ich mit schnellen Schritten zur Subway.

Bis ich da sein würde, wäre es schon halb 10. Eigentlich sollte ich um acht Uhr da sein. Oh mein Gott, warum hatte ich das so verpennt?

Endlich angekommen am Hotel, um neun Uhr siebenundzwanzig, wandte ich mich an die Dame an der Rezeption. Ich kannte sie schon. Sie arbeitete hier schon lange. Sie war nur 3 Jahre älter als ich, und wir verstanden uns ziemlich gut.

"Hi. Ich hab verschlafen. Wo ist denn meine Tante?", sagte ich total aus der Puste.

"Hi. Das hab ich auch schon bemerkt", stellte sie mit einem Schmunzeln fest.
"Ich werde ihr mal Bescheid sagen, dass du jetzt doch hier bist."

"Danke."

❁❁❁
Nachdem ich mir eine Predigt von meiner lieben Tante anhören durfte, durfte ich jetzt Zettel sortieren. Tausende Zettel. Und danach hatte ich noch irgendeine Aufgabe. Hab nicht so ganz zugehört. Auf jeden Fall muss ich am Ende anderthalb Stunden länger bleiben als geplant. Also bis 18:00 Uhr. Besser konnte dieser Tag ja nicht werden.

Wenigstens werde ich dafür bezahlt. Auch wenn ich Geld nicht wirklich brauche. Ich bekomme relativ viel Geld von meinen Eltern und komme damit ganz gut klar. Ich bin aber keinesfalls arrogant. Ich hasse überhebliche und arrgante Menschen.

Zurück dazu, warum ich hier bin. Meine Tante brauchte dringend Hilfe hier im Hotel, also hatte ich mich vor 2
Wochen bereit erklärt, zu helfen.

Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass ich verpenne und dann länger bleiben muss.

❁❁❁
Endlich war ich auf dem Weg nach Hause. Natürlich war es schon dunkel, wie sollte es Im Winter um 18:00 Uhr anders sein?

Und wieder ging ich im dunkeln durch die Straßen New Yorks. Aber ich war ja schon fast zu Hause. Ich musste jetzt nur noch von der Subway Haltestelle nach Hause.

Natürlich war wieder niemand zu sehen. Warum war eigentlich keiner mehr unterwegs, obwohl es erst 18:45 Uhr war?

Plötzlich fühlte ich mich wie in einem Deja-Vu, und alles spielte sich ganz schnell ab. Ich hörte ein Auto hinter mir. Allerdings für es jetzt an mir vorbei, hielt jedoch ein paar Meter vor mir am Bürgersteig.

Ich ging nichtsahnend weiter. Ich erkannte den bekannten, schwarzen Range Rover. Jetzt breitete sich Panik in mir aus, und ich ging einen Schritt schneller.

Gerade, als ich an der hinteren Tür des Autos vorbeiging, wurde die Tür aufgerissen, und ich würde mit einem heftigen Ruck hineingezogen.

Out of ControlWhere stories live. Discover now