Kapitel 29 - Schock

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Ich war geschockt. Was zur Hölle sollte das bedeuten?

Aber ich erkannte das Bild nur zu gut. Die Bilder wurden damals im Kindergarten gemacht. Ich war da vielleicht 5 Jahre alt. Auf dem Bild habe ich ein breites Lächeln auf den Lippen und bin überglücklich, weil ich zuvor Süßigkeiten von meiner Mutter bekommen hatte. Oh man. Das waren noch Zeiten. Aber warum hatte William dieses Bild in seinem Flur stehen?

Ich hoffte, dass William den Aufprall der Flasche nicht gehört hat. Ich würde ihn morgen mal nach dem Bild fragen. Dazu hatte ich jetzt echt keinen Nerv mehr.

Ich ging zurück in das Zimmer, in dem ich diese Nacht schlafen würde. Ich trank einen Schluck und versuchte endlich das zu tun, was ich schon seit mehreren Stunden tun wollte. Schlafen.

Nur leider hatte ich mich zu früh gefreut. Ich konnte einfach nicht einschlafen. Zu viele Gedanken schwirrten mir durch meinen Kopf. Einmal wegen Ryder, wegen Justin und jetzt auch noch wegen diesem bescheuerten Bild. Jetzt stellte ich mir auch die Frage, ob es nicht vielleicht einen besonderen Hintergrund für meine Entführung gab. Irgendwie musste das alles einen Zusammenhang ergeben. Aber ich konnte ihn nicht erkennen. Also musste ich wohl alle Puzzleteile, die ich bekam einzeln zusammenbauen. 

Immer wieder kam dieses ekelige Gefühl auf, weil Ryder mich angefasst hatte. Immer wieder tauhte vor meinen Augen das Bild auf, wie Justin mit dieser Barbie rummachte. Immer wieder dachte ich darüber nach, wie ich das Foto von mir im Flur entdeckt hatte.

Für mich machte das alles keinen Sinn. Bevor ich es bemerken konnte, kullerten auch schon die ersten Tränen aus meinen Augen meine Schläfen hinunter. Ich konnte nicht mehr. Konnte mich nicht jemand einfach aufklären? Dann wäre doch alles ok.

Ich verbachte die gesamte Nacht damit, nachzudenken. Immer wieder schaute ich auf den Wecker, der auf dem Tisch stand, um zu schauen, ob ich wieder aufstehen konnte. Ich hatte bestimmt riesige Augenringe, aber das störte mich nicht im geringsten. Mir ging es halt scheiße, das wusste jeder. 

Als es endlich sieben Uhr war, hielt ich es nicht mehr aus. Ich stand auf und ging als erstes in das Bad. Ich wusch mein Gesicht, putzte mir die Zähne, die übliche Routine also. Andere Klamotten und Schminke hatte ich ja nicht, weswegen ich mich direkt danach auf den Weg nach unten machte.

Ich hatte zwar keine Ahnung, ob ich hier überhaupt alleine herumrennen durfte, aber das war mir herzlich egal. Ich hatte keine Lust mehr, mich zu rechtfertigen und Angst vor allem und jedem zu haben. 

Als ich in der Küche ankam, sah ich eine Frau, die sich gerade etwas zu Essen machte. War sie William's Frau? Wie konnte man es mit so einem Typen aushalten?

Auf jeden Fall hatte ich sie gestern nicht gesehen. Es war aber auch ziemlich spät, sie hatte wohl schon geschlafen. 

"Guten Morgen, Ich bin Olivia, William's Frau", sagte sie fröhlich, als sie mich erblickte.

"Guten Morgen, ich bin Evelyn", erwiderte ich nett. Ich wollte nicht so unfreundlich rüberkommen, zu mal sie wahrscheinlich noch nicht mal wusste, wer ich war. Ich konnte froh sein, dass sie mich nicht für einen Einbrecher hielt.Aber da ähnelte ich eher einer Vogelschaue als einem Einbrecher.

Sie war eigentlich ziemlich hübsch. Dunkelbraune, lange Haare, braune Augen. Ich konnte nicht verstehen, wie sie es mit William aushalten konnte, und mit ihm leben wollte.

"Möchtest du etwas essen?"

Ich schüttelte den Kopf. "Nein, danke."

Ich hatte echt keinen Hunger. Ich würde nichts herunter bekommen. Das alles setzte mir echt zu. Vielleicht merkte man es mir nicht so stark an, wie ich vermutete, aber das tat es. Und ich war mir nicht sicher, wie lange ich das noch standhalten konnte.

Plötzlich bemerkte ich, wie William den Raum betrat. 

Sollte ich ihn jetzt schon fragen, was es mit dem Bild von mir auf sich hatte?

Ich entschied mich dafür, und überlegte, wie ich jetzt am besten anfing.

"Ähm..", begann ich. Beide schauen zu mir, worauf ich weiter redete. "Ich habe gestern Abend das Kinderfoto von mir oben gesehen. Warum steht das hier?"

Ich hatte Angst, dass ich jetzt etwas Falsches gesagt hatte. Aber er war mir definitiv eine Antwort schuldig. Man hatte nämlich nicht einfach so ein Foto von einem Kind in seinem Haus, welches man nicht kannte. Das war absurd.

Ich schaute zu William und Olivia, deren Blicke ziemlich schlecht zu deuten waren. Beide waren erschrocken, während sich in William's Gesicht aber auch etwas Wut spiegelte. Was zur Hölle steckte dahinter? Ich wollte gefälligst eine Antwort.

"Sag ihr die Wahrheit.", sagte Olivia noch zu William, bevor sie den Raum verlies und die Treppe hoch ging. 

Jetzt waren William und ich alleine in der Küche. Er sollte mir jetzt einfach diese Wahrheit sagen.

"Was für eine Wahrheit?", fragte ich leicht wütend. Wahrscheinlich würde ich jetzt den nächsten Schock kriegen. Das, wovor ich Angst hatte.

"Du wurdest nicht einfach so entführt. Du...Wir hatten...Oder eher ich hatte einen Grund dafür...", stotterte William sehr nervös. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Und auch nie hätte ich gedacht, dass er so sein konnte. Was war hier los? Was wusste ich nicht? 

"Sag jetzt einfach, was hier los ist. So schlimm kann es nicht sein. Ich habe die letzten Wochen viel schlimmes erlebt. Das wird mich auch nicht mehr schocken.", meinte ich wütend. 

Jedoch wusste ich nicht, dass mich seine Worte doch schocken werden. Und wie. Dass ich mein ganzes Leben etwas falsches geglaubt hatte. Dass ich die ganze Zeit angelogen wurde.

Seine Worte schockten mich so sehr. Ich wollte das, was er sagte nicht wahrhaben, aber so war es. So langsam machte es Sinn. Ich hatte ein Puzzleteil mehr.

"Du...Du bist meine Tochter.", 

Also hatte diese Entführung eine Begründung? Alles wurde vorher geplant? Ich hatte eine verkorkste Familie, von der ich bisher aber noch nicht wusste? Und.. Warum hatte man mir all das verschwiegen?

All diese Situationen, in denen ich mich in den letzten Tagen befunden hatte, alle Sachen, die ich erlebt hatte, spielten sich immer wieder in meinem Kopf ab. Ich hielt es nicht mehr aus. Was sollte denn noch kommen?

Ich merkte, wie es langsam schwarz wurde. Ich versuchte mich, irgendwo festhalten, da es vielleicht wieder verging. Aber schon wenige Sekunden später viel ich in Ohnmacht. Es war doch zu viel.

Es hatte mich doch geschockt. Mehr als alles Andere.

Out of ControlWhere stories live. Discover now