Kapitel 63 - Unschlüssig

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"Willst du denn jetzt noch zu deinen Eltern?", fragte mich Justin, als wir uns wieder ins Auto gesetzt hatten.

Ich war mir ja allgemein noch unschlüssig gewesen, ob ich zu meinen Eltern wollte oder nicht, aber die Shoppingtour war echt anstrengend, was mir meine Entscheidung ehrlich gesagt etwas leichter machte.

"Ich weiß nicht. Ehrlich gesagt, bin ich ziemlich müde. Andererseits möchte ich meine Eltern schon irgendwie sehen. Ach, ich weiß doch auch nicht. Entscheide du."

Ich wollte echt, dass Justin entschied. Wenn er meine Eltern kennenlernen wollte, sollte er das. Wenn er es nicht wollte, dann eben nicht.

"Ich würde deine Eltern schon gerne kennenlernen, aber wenn du müde bist, können wir auch nach Hause."

"Dann lass uns doch zu ihnen fahren. Mir geht's gut."

"Wirklich?"

"Ich bin halt nur ein bisschen müde und irgendwie bin ich jetzt ein bisschen nervös. Ich hab meine Eltern jetzt erst einmal nach der Entführung gesehen und für mich waren sie irgendwie wie Fremde. Ich weiß nicht, wie das gleich sein wird."

"Ich bin doch dabei. Das wird schon. Aber wenn du echt zu müde bist, können wir das auch ein anderes mal machen."

Ich schüttelte den Kopf. Es war jetzt nicht so, dass ich gleich einschlafen würde oder so. Ich war nur etwas erschöpft von dem ganzen gehen gerade eben. Und ehrlich gesagt war ich auch gespannt darauf, wie ich meinen Eltern gegenüber fühlen würde und was sie zu Justin sagen würden.

Justin nahm meine halbherzige Antwort so hin, startete den Motor, um zu meinen Eltern zu fahren. Allerdings musste ich ihm ja den Weg zeigen, da er nicht wusste, wohin sie gezogen waren.

Nach einer Weile kamen wir an dem Haus an, welches mir immer noch kein bisschen bekannt vorkam. Meine Nervosität war natürlich ins unermessliche gestiegen, was ich nicht wirklich kontrollieren konnte.

Ich wollte meinen Eltern gegenüber nicht nichts fühlen. Denn sie kamen mir vor wie Fremde. Ich fühlte nichts für sie. Ich konnte das nicht aushalten. Deswegen war ich so verdammt nervös und hoffte, dass es gleich anders sein würde, weil ich nun die Wahrheit über alles wusste.

Außerdem war ich gespannt, wie sie Justin so fanden. Ich ging mal davon aus, dass sie ihn nett fanden, wenn nicht, war mir das eigentlich scheißegal, weil ich liebte ihn und er liebte mich. Da konnten mir meine Eltern dann auch egal sein, ich würde immer an Justin's Seite bleiben.

Wir stiegen aus und gingen zu Haustür. Eigentlich mussten meine Eltern auch da sein, da ihr Auto in der Einfahrt stand und ich nicht wusste, wo sie sonst hin wollten oder sollten.

Keiner machte auf.

Justin klingelte ein zweites Mal, vielleicht haben sie es einfach überhört oder sie schliefen. Was auch immer, so etwas in der Art halt.

Auch jetzt öffnete niemand die Tür.

Wir wollten uns gerade wieder umdrehen, als mein Vater die Tür öffnete und uns erstaunt musterte.

"Evelyn! Und du bist wahrscheinlich Justin. Kommt rein!"

Ich fing an zu lächeln und beruhigte mich ein wenig. Es würde schon alles gut werden. Wir folgten im in das Wohnzimmer, in dem wir auch gesessen hatten, als sie mir die Wahrheit gesagt hatten.

Nun kam aus meine Mutter in den Raum und fing an zu lächeln als sie uns beide sah.

"Schön, dass ihr da seid.", sagte sie, und gab die Justin die Hand, welche er freundlich schüttelte. Aber sie wusste nicht, wie sie sich mir gegenüber verhalten sollte, weshalb sie mich leicht fragend an schaute.

Ich wollte einen Versuch starten und möglichst nett sein, weshalb ich lächelnd einen Schritt auf sie zu ging, und sie umarmte. Währenddessen machten sich auch mein Vater und Justin etwas bekannter miteinander.

Ich fühlte immer noch nichts. Ich fühlte mich nicht wie ihre Tochter, und empfand sie nicht wirklich als Eltern. Das klingt bescheuert, aber ich hab keine Ahnung, wie ich das ausdrücken sollte. Und genau davor hatte ich Angst gehabt. Auch, wenn ich meine Eltern lieben wollte, konnte ich es nicht. Mein Körper wehrte sich dagegen, auch wenn ich das nicht wollte.

Danach ging ich trotzdem zu meinem Vater und umarmte ihn auch kurz. Jedoch war es hier genau das gleiche. Ich konnte es mir nicht erklären. Ich wollte es so nicht, aber was konnte ich tun?

Ich ließ mir nicht anmerken und wir setzten uns auf das Sofa, auf dem ich auch letztes mal gesessen hatte. Für eine kurze Zeit war es einfach nur leise und auch ich wusste nicht ob, und was ich sagen sollte.

"Ihr seid ein schönes Paar.", bemerkte meine Mutter und brachte uns beide zum lächeln.

"Aber jetzt erzähl mir doch mal einer, wie ihr zusammen gekommen seid."

Ich schaute fragend zu Justin, da ich nicht wusste, ob ich das sagen sollte oder ob er lieber wollte. Er nickte lächelnd zu mir, was wohl bedeuten sollte, dass er das machen könnte, sodass ich nichts tun musste, außer ab und zu zu nicken.

Das klingt so, als wenn es eine Last wäre, aber in irgendeiner Weise war es das auch. Das lag aber nicht daran, dass ich nicht der mich und Justin reden wollte, sondern dass ich möglichst wenig mit meinen Eltern kommunizieren wollte. Ich hatte dann nämlich irgendwie das Gefühl, dass meine Stimme immer weiter brechen würde, wovor ich ziemlich Angst hatte.

Justin erzählte davon, dass er die Schießerei organisiert hatte, und was sich dadurch verändert hatte, sodass ich nicht als Prostituierte arbeiten musste. Er erzählte, wie wir uns näher gekommen waren. Bei jedem Satz, den er sagte wurde mir wärmer ums Herz.

Bei meiner Entführung hatte ich gedacht, dass dies wohl die schlimmste Zeit meines Lebens, und vielleicht auch die letzte sein wird. Ich hatte gedacht, dass sie mich umbringen würden.

Und im Endeffekt wurde es vielleicht nicht gerade schön, wenn man die Sache mit Ryder und so bedenkt, aber durch diese Zeit hatte ich meinen Freund, und Vater meines Babys kennengelernt, den ich über alles liebte.

Er erzählte noch weiter doch irgendwann hielt er inne. Er hörte genau das, was ich vor wenigen Sekunden schon bemerkt hatte. Meine Eltern hatten es auch gehört und fragten sich, wer oder was das war, doch Justin und ich wussten es.

Draußen hämmerte jemand gewaltig gegen die Tür. Es war klar, wer das war. Justin und ich schauten uns panisch an und überlegten, wie wir uns jetzt verhalten sollten.

Das konnte ja spannend werden.

Out of ControlWhere stories live. Discover now