Kapitel 54 - Entschluss

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Wieder war eine Woche vergangen, in der wir uns über das Baby gefreut haben. Etwas anderes hatten wir kaum gemacht, wir hatten ja auch nicht wirklich viel zu tun.

Doch heute hatte ich etwas vor. Ich wollte zu meinen Eltern fahren. Also zu meinen Eltern, bei denen ich meine 18 Jahre gelebt hatte, bevor ich entführt wurde.

Ich wollte die Wahrheit wissen. Über alles. Jede kleine Einzelheit wollte ich erklärt bekommen.

Von meiner Schwangerschaft wollte ich eigentlich noch nichts sagen. Ich wusste nicht, ob ich meinen Eltern das sagen sollte. Klar waren sie meine Eltern, aber sie hatten mir so viel verschwiegen und mich so oft angelogen.

Ich könnte Ihnen nicht mehr vertrauen, und wollte ich das denn auch überhaupt?

Ich würde mich vor Ort entscheiden, ob ich es sagen würde. Wenn die mir endlich die Wahrheit erzählen würden, würde ich es mir überlegen, sonst eben nicht.

Nur Justin hatte ich noch nicht in meinen Plan für heute eingeweiht. Ich wusste nicht, wie er reagieren würde, aber eigentlich wusste ich ganz genau, dass er es alles andere als gut finden wird.

Ich musste es ihm aber sagen. Ich musste nur gucken, wann er wieder da war. Er war gerade eben weggefahren, ich hatte aber keine Ahnung wohin. Er hatte mir nichts gesagt. Aber ich vertraute ihm und wusste, dass er mir wichtige Sachen schon mitteilen würde.

Genau auf die Sekunde hörte ich, wie unten die Haustür zugemacht wurde. Justin musste wohl wieder da sein.

Ich ging aus dem Raum und zu den Treppen, welche ich dann auch hinunterging.

Justin schaute zu mir auf, als er bemerkte, das sich die Treppe hinunter kam.

"Wie geht's dir?", fragte er und spielte damit auf meine ständige Übelkeit an, die seit über einer Woche konstant zu spüren war.

"Soweit ganz gut. Es geht wirklich gerade.", sagte ich, damit Justin merkte, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte. Er fragte mich in den letzten Tagen andauernd, ob alles ok wäre und ob ich mich wirklich gut fühlte. Er konnte sich wohl nicht sicher genug sein, aber ich fand es irgendwie auch total süß.

Jetzt blieb mir nur noch die Aufgabe, ihm zu sagen, was ich heute machen werde.

"Justin?", fragte ich, damit ich seine Aufmerksamkeit bekam.

"Ja?"

"Ich wollte heute zu meinen Eltern fahren.", sagte ich einfach und rückte damit direkt mit der Sprache raus. Ich wollte nicht noch ewig herumdrucksen, bis ich ihm sagte, was ich vor hatte. Außerdem konnte er es mir eh nicht verbieten, ich würde es trotzdem machen.

"Zu deinen Eltern?", fragte Justin perplex, der wohl gar nicht wusste, wie ich auf diese Idee gekommen war.

War die Idee denn so abwegig, dass man sich fragen musste, ob ich noch ganz normal im Kopf war?

Ich nickte."Ja, ich wollte Ihnen mal meine Meinung sagen und endlich die Wahrheit über alles hören."

"Denkst du wirklich, dass das eine gute Idee ist? Ich meine, du kannst das gerne machen, ich will dir das nicht verbieten, und das ist auch keineswegs gefährlich, ich will nur nicht, dass sie dich verletzen, oder so."

Ich lächelte leicht, da er wieder so fürsorglich zu mir war. Es war so schön zu spüren, dass er sich um mich kümmerte und er sich für mich und das Baby interessierte.

Ich war einfach glücklich, ihn zu haben.

"Ich will nur sehen, wie sie sich mir gegenüber verhalten. Ob sie mich immer noch anlügen, oder ob sie mit der Wahrheit rausrücken."

Diesmal nickte Justin.

"Weißt du eigentlich die Wahrheit? Also warum ich entführt wurde und so?"

"So halb. Ich denke, du willst das von deinen Eltern hören, deswegen sage ich nichts. Aber William hat mir nicht wirklich vertraut. Er hat mir fast nichts über all seine Geschäfte gesagt. Ich habe keine Ahnung über die genauen Hintergründe."

"Ok. Ist das schlimm? Also das was du weißt?"

"Ich weiß nicht. Das was ich weiß alleine, ist nicht schlimm. Aber in Verbindung mit den Sachen, die nur William weiß.. Ach ich hab keine Ahnung. Aber wenn du zu deinen Eltern fährst, pass auf dich auf, und lass dich nicht von denen klein machen. Das hast du nicht nötig."

Ich lächelte erneut bei seinen Worten, ging ein paar Schritte auf ihn zu und schloss ihn in eine innige Umarmung, die sich später zu einem leidenschaftlichen und intimen Kuss entwickelte, der voller Gefühle füreinander war.

Als wir uns Wonder voneinander gelöst hatten, lächelte ich ihn noch einmal liebevoll an und ging dann zur Garderobe, um mir meine Schuhe und Jacke anzuziehen und um meine Tasche zu holen.

Ehrlich gesagt war ich ein bisschen aufgeregt. Ich wollte wissen, wie sie gleich reagieren würden, wenn sie mich sahen. Ob sie sich freuen, oder sie nichts sagen würden.

Konnte ich sie überhaupt noch 'meine Eltern' nennen? Sie hatten mich entführen lassen und hatten mich jahrelang belogen.

Ich meine, vor Justin und so sagte ich halt immer noch 'meine Eltern'. Er wusste wer damit gemeint war. Wie sollte ich die beiden denn sonst nennen?

Aber mir wurde bewusst, dass ich sie eigentlich kein bisschen mehr ehrte oder so, was man als Kind doch eigentlich sollte. Man sollte Respekt vor seinen Eltern haben, wurde immer gesagt, aber was war, wenn sie dich anlogen und dich wie Dreck behandelten?

Ich konnte meinen Fragen selbst nicht ganz nachkommen, weshalb ich entschloss, alles einfach auf mich zukommen zu lassen. Was anderes blieb mir eh nicht übrig.

Ich verabschiedete mich von Justin und machte mich auf den Weg zu meinen Eltern. Ich durfte Justin's Auto fahren, was ein Wunder war. Es war ihm heilig, und ich könnte es ja zu Schrott fahren.

Den Weg zu meinem eigentlichen Elternhaus wusste ich, weshalb ich eine halbe Stunde später davor stand und nochmal darüber nachdachte, ob ich jetzt wirklich klingeln sollte, oder nicht.

Aber ganz ehrlich, was würde es mir bringen, wenn ich es nicht probieren würde? Ich wäre den Weg umsonst gefahren, und vielleicht würde ich ja doch die Wahrheit über alles erfahren.

Also drückte ich mit einem gewissen Mut die Klingel und wartete darauf, dass jemand öffnen würde.

Out of ControlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt