Kapitel 9 - Versteckspiel

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"Wie lange brauchst du noch?", fragte Justin gespielt genervt. Wir waren jetzt schon seit einer halben Stunde in dem selben Laden. Ich konnte mich einfach nicht entscheiden, und er wollte mir nicht helfen, also könnten wir hier noch lange sitzen. Oder stehen.

Ich entschied mich nach langem Kampf für das dunkelrote Oberteil, und nicht für das rote. Und ich nahm eine dunkle, statt eine graue Jeans.

Justin atmete erleichtert auf, als er sah, das ich mit zwei Tüten auf ihn zuging. Für ihn kann es gar nicht so grauenhaft gewesen sein, weil er fast die ganze Zeit auf sein Handy geguckt hatte. Irgendwie machte er das immer. Ich glaube, sein Handy war sein bester Freund. Neben Daniel und Jaden natürlich.

Ich war soweit fertig mit shoppen. Ich hatte jetzt relativ viel zum anziehen. Aber Justin musste einfach zugeben: Es war echt nötig. Ich kann doch nicht noch auf unbestimmte Zeit in seiner Jogginghose und seinem T-Shirt durch die Gegend wandern.

Wir wollten uns gerade einen Weg durch die Menschenmassen bahnen, um zum Auto zu kommen, als Justin mich am Arm nimmt, und mit sich zieht.

Ich bekam Panik. Ich war ein kleiner Angsthase geworden, aber wen wundert es? Aber Justin sah nicht so aus, als wenn er wütend auf mich wäre, oder mir irgendetwas antun wollte. Er bahnte sich nur schleunigst einen Weg in die andere Richtung.

Ich kam mir wieder vor wie in einem Déjà Vu. Als Justin mich gestern, an einen sicheren Ort gebracht hat, wegen der Schießerei. Aber diesmal kannte ich den Grund für die Flucht nicht. Aber ich würde ihn sofort, wenn wir zum stehen kamen danach fragen.

Und endlich. Hinter einer Hausecke, wo es ziemlich verlassen war, blieb er stehen. Diesmal rannte ich ihm nicht in den Rücken. Ich war nämlich diesmal nicht so benebelt wie gestern.

"Justin..", sagte ich aus der Puste. Wir waren ganz schön schnell gerannt. "Warum bist du plötzlich so schnell weggerannt? Und jetzt gib mir bitte einfach eine vernünftige, wahre Antwort. Nur einmal."

Ich war es Leid, dass mir nie die Wahrheit gesagt werden konnte. Ich war auch nur ein Mensch. Ein Mädchen, die keine Ahnung davon hatte, was in ihrem Leben gerade vorging.

"Da vorne war jemand, den ich kannte. Wenn er mich hier mit dir gesehen hätte, hätte ich Riesen Ärger bekommen. Du auch."

"Jemand von der Mafia?", fragte ich erschrocken. Ich er froh, dass Justin mit mir weggerannt war.

Wie scheiße es sich wohl für ihn angefühlt haben muss. Die ganze Zeig über musste er gucken, ob jemand von der Mafia hier in der Gegend war. Wieso war das so schlimm? Ich musste definitiv mehr über die ganze Sache hier erfahren.

"Ja. Und ich darf nirgendwo mit dir hin. William hat es mir verboten. Was William sagt ist eigentlich Gesetz, und wenn mich jemand sieht, würde er es sofort petzen. Das geht für uns beide nicht gut aus."

"Und du machst es trotzdem?", fragte ich entsetzt. Eigentlich hielt ich mich relativ selten an Regeln, aber bei so etwas... Die Strafen hier waren doch hart, und das würde man doch nicht einfach so riskieren.

"Ja. Ich kann dich ja verstehen. Außerdem sollst du nicht 2 Monate oder so bei mir eingesperrt sein. Ich bin nicht so einer wie William oder John. Sie sind erbarmungslos, ihnen sind Gefühle egal. Mir nicht. Das sehe das alles anders. Nur ich kann mich nicht so offiziell dagegen wehren."

"Warum kannst du dich nicht dagegen wehren?"

Wenn Justin jetzt schon mal so offen redete, musste ich das auch ausnutzen. Wann gab er mir denn solch offene Antworten auf all meine Fragen?

Richtig. Nämlich nie. Außer jetzt. Also war jetzt die einzige Chance.

Justin atmete hörbar ein und aus. Er schien nach einer Antwort auf meine Frage zu suchen.

"Ich glaube....Sie..Sie würden mich töten. Oder foltern, bis ich sterbe. Man darf sich ihnen einfach nicht widersetzen. Erst, wenn William und John tot sind, übernehmen Daniel, Jaden und ich die Verantwortung für alles, was mit unsere Gruppe zu tun hat. Dann können wir entscheiden. Aber bis dahin, müssen wir uns an ihre Regeln halten. Klingt unfair, aber ist so."

Ich war überrascht, dass er mir echt eine ehrliche Antwort darauf gab. Seine Stimme, die war so ehrlich und lieb, das sich mir gar nicht vorstellen könnte, dass er echt in einer Mafia in New York arbeiten würde. Niemand würde das so auf den ersten Blick denken. Ich, auf Lily's Party wäre auch nie auf diese Idee gekommen.

Aber so war es im Leben nun mal. Man könnte nie wissen, was für eine Person man vor einem hatte. Die Person konnte nett sein, aber total oberflächlich nach außen hin.
Genauso könnte eine Person hässlich sein, aber im inneren die netteste Person überhaupt sein. Deswegen hasste ich Personen, die immer nur nach dem Äußeren gingen.

Nur Justin konnte man von vorne rein kein bisschen einschätzen. Er war einfach nur ein Junge, der nett sein könnte, aber im Endeffekt in einer Mafia arbeitete. Ich war mir sicher, dass es nicht gerade einfach für ihn war, wenn er sich immer umschauen musste, weil er irgendwas "falsch" machte. Sich nicht an die Regeln von William und John hielt.

Ich nickte und lächelte ihn an. Justin blickte zu mir. In seinem Blick lag etwas Fürsorgliches und er lächelte ebenfalls.Ich mochte es, dass er sich so um mich kümmerte. Wer weiß, was passiert wäre, wenn er das alles nicht getan hätte.

"Ich glaube, wir können wieder gehen." Er blickte um die Ecke und suchte alles ab. Wir machten uns also wieder auf den Weg zum Auto, um zurück zur Villa zu fahren.

Nach einer dreißig-minütigen Fährt kamen wir wieder an. Diesmal war es voller auf den Straßen, weswegen wir auch länger brauchten. Aber die Stille im Auto war nicht mehr so unangenehm, wie sie es am Anfang war.

Wir gingen hinein, und ich brachte meine neuen Sachen nach oben. Es war bereits halb 8, weswegen ich mich entschied ins Bad zu gehen, und zu Duschen. Ich fühlte mich immer noch nicht so ganz sauber.

Danach legte ich mich in mein Bett und fiel relativ schnell in den Schlaf.

Out of ControlWhere stories live. Discover now