Prolog

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Ich habe eine ... eine was eigentlich?

Meine Eltern und die Weisen nennen es Gabe.

Die Bediensteten, die ich einmal belauscht hatte, nannten es Fluch. Sie hatten Angst vor mir. Ich erkannte es an ihrem Blick.

Dabei war ich einfach zu jung gewesen um achtsam zu sein. Ich hatte nie was Böses gewollt.

Trotzdem hinderte es niemanden daran über mich zu urteilen.

Ich habe zwei Schwestern und drei Brüder. Alle jünger. Ich durfte niemals mit ihnen alleine sein.

Noch nie hatte ich einen Schritt außerhalb der Mauern gemacht. Ich war auch noch nie auf einem Ball. Ich hatte Tanzunterricht bekommen und ich liebte das Tanzen.

Dennoch würde ich wohl nie heiraten. Denn ich würde niemals mein Debüt abhalten und nie mit jungen Männern sprechen.

Ich liebte das Klavierspielen, aber niemand außer den Schlossbewohnern bekam es zu hören.

Die meiste Zeit war meine Amme mein Gesprächspartner. Die Einzige, die sich auch alleine in meiner Nähe aufhalten wollte und die Einzige, die mit mir die Tage im Zimmer verbrachte.

Ich war dazu verdammt auf ewig im Schloss zu leben.

Dabei wollte ich mehr von der Welt sehen, die Welt aus meinen Büchern lockte mich.

Ich wollte endlich frei sein.

Als ich einen Hund haben wollte bekam ich einen kleinen Vogel. Er hatte den ganzen Tag in seinem Käfig gezwitschert, bis ich ihm die Tür auf ließ.

Er hatte mir leid getan. Niemand wusste besser als ich wie es war nicht hinaus zu dürfen. Es hatte keine fünf Minuten gedauert und er war aus dem offenem Fenster raus.

Meine Amme hatte mich gescholten. Doch ich fühlte mich gut. Als wäre der Vogel mit einem kleinen Stück von mir davon geflogen.

Mein Zimmer war immer voller Spielzeug gewesen, so dass ich mein Zimmer nur zu gemeinsamen Mahlzeiten verlassen musste.

Wenn Gäste kamen durfte ich nicht raus. Ich hatte nie mit anderen Kindern gespielt.

Manchmal kamen meine Geschwister ins Schloss gerannt, mit verschmutzten Gesichtern und strahlenden Augen.

Ein anderes mal wurden sie vom Regen überrascht und trotzdem sprangen sie vergnügt durch die Pfützen.

Neben Klavier spielen und tanzen begann ich mich mit weiteren Fertigkeiten zu beschäftigen.

Ich lernte Sticken. Ich lernte malen.
In beidem wurde ich so gut, dass es mich nicht mehr reizte mich den ganzen Tag nur damit zu beschäftigen.

Also widmete ich meine Aufmerksamkeit verschiedenen Sprachen.

Es wurde für mich zur Herausforderung meine Tage zu gestalten. Schließlich interessiert man sich irgendwann nicht mehr für Spielsachen. Die Bibliothek wurde mein zweites Zimmer.

Niemand betrat mehr den Raum solange ich da war.

Irgendwann wurden meine Geschwister vorsichtiger mit mir. Es war nicht schwer zu bemerken, dass etwas nicht stimmte.

Sie kopierten einfach das Verhalten der Bediensteten.

Ich hatte einmal gewollt, dass man mir das Bogenschießen beibrachte. Vater hat gelacht und beteuert, ich würde es niemals brauchen.

Weshalb ich gar nicht erst fragte, ob ich mit dem Schwert lernen dürfte.

Zum Trost gestattete er mir zu reiten. Ich bekam sogar ein eigenes Pferd.

Diese eine wahre Liebe kannte ich nur aus den Büchern. Ich fragte meine Amme ob sie je verliebt gewesen war?

Sie war es wohl mal. Sie hatte sogar geheiratet und lange Zeit als Hebamme gearbeitet, ehe ihr Mann starb und sie eine Anstellung als meine Amme bekam.

Ich hatte sie gefragt, wie sie gemerkt hatte, dass sie verliebt war?

Ihre Beschreibung hatte ich nicht nachvollziehen können. Sie hätte es wohl schon vom ersten Augenblick gewusst.

Sie hatte nicht einen Tag ohne ihn sein wollen. Es ging ihr immer besser wenn sie ihn sah.

Ich verstand es nicht. Sie versicherte mir, ich würde es auch irgendwann merken.

Doch sie wusste genauso gut wie ich, dass genau dies nie passieren würde.

Wie ich schon sagte:

Ich war dazu verdammt auf ewig im Schloss zu leben und mich nach etwas zu sehnen, was ich nie haben könnte.

Frühlingsfrost Where stories live. Discover now