Zweiundzwanzig

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"Vienna?"

Ein Zittern erfasste mich beim Klang der Stimme. Würde man mein Innerstes mit einem Faden vergleichen so riss er nicht durch die Anspannung, sondern fiel einfach. Genau so fühlte ich mich, als würde ich fallen.

Einmal war ich von meinem Pferd Jinx gefallen, gerade durchlebte ich den Moment, der sich so anfühlte als würde alles was sich in meinem Körper befand zu Boden gezogen werden.

Ich fühlte mich als würde ich die Kontrolle über mich selbst verlieren. Es war einfach so unreal, beinahe schon absurd. Vor mir stand der Mann mit dem alles begonnen hatte. Jemand der nicht hätte leben sollen, nein können, konnte einfach nicht leben!

Er war nicht mehr ganz so schön wie damals, eine Hälfte seines Gesichts bewegte sich nicht mehr, das Auge auf jener Seite war trüb.

Es wirkte wie einer meiner Alpträume, die ich besonders damals kurz nach dem Vorfall hatte.

Er behielt einen gewissen Abstand, er war darauf bedacht nicht noch einmal den selben Fehler, wie damals zu begehen.

Zora neben mir wurde unruhig, sie konnte die Situation nicht einschätzen. Zum einen schien er mich zu kennen, zum anderen musste meine Reaktion auf sie beunruhigend wirken.

"Willst du mich nicht begrüßen? Es ist schließlich schon so lange her. Weißt du wie lange ich schon auf dich warte? Lass mich mal überlegen du warst damals sieben."

Er ist vor dreizehn Jahren gestorben, durch mich, er konnte hier nicht stehen!

"Ich muss sagen, du bist noch viel schöner geworden und grausamer." Bei seinen letzten Worten verdunkelte sich sein Gesicht. Er spielte auf die Szene Im Wohn- und Schlafzimmer an und selbstverständlich auf das was vor Jahren vorgefallen war.

Ich war damals sieben Jahre alt und er, der engste Freund und Vertrauter meines Vaters, mit seinen sechsundzwanzig Jahren war er recht jung um einen König so gut zur Seite zu stehen, doch als Bruder des Herzogs Gray standen ihm alle Türen offen. Larus war ein sehr schöner junger Mann, der sich seiner Wirkung auf Frauen sehr bewusst war, blondes Haar mit blau grünen Augen, groß und schlank, niemand widerstand seinem Charme.

Damals durfte ich noch ohne Scheu im Garten spielen, niemand schenkte mir einen bösen Blick oder hatte Angst vor mir. Niemand wusste über meine Grausamkeit, nicht einmal ich selbst. Larus nährte sich mir in einem Moment, wo meine Amme für kurz ins Schloss zurück kehrte.

Wir plauderten, schließlich kannte ich ihn schon seit ich denken konnte, doch mir war nie die Veränderung in seinen Augen aufgefallen, bis zu diesem Augenblick. Sie schienen trüber zu werden, je länger er in meine sah, seine Stimme wurde immer weicher und seine Körperhaltung immer fordernder.

Als er dann auch noch, wie aus dem nichts, mein Gesicht berührte ging es mit mir durch, aus purer Angst schrie ich los, da war es auch schon passiert. Larus viel erschlafft zusammen und rührte sich nicht mehr. Zuerst war die Amme bei mir, dann mein Vater und schließlich der Heiler.

An diesem Tag ging es mir schlecht, die Temperatur meines Körpers ging mit mir durch, erst stieg sie an, dann viel sie abrubt so dass ich fror. Egal wer in mein Zimmer kam, es war als würden sie eine Totenwache abhalten. Es fühlte sich an als würde sich jeder nach und nach von mir verabschieden, noch nie hatte ich mich so einsam gefühlt.

Doch dann ging es mir plötzlich besser, nach vier Tagen des hoch und runter wachte ich auf und fühlte mich wie immer. Niemand erklärte mir was mit Larus war, nur dass er nicht mehr kommen würde und dass nichts meine Schuld sei. Doch die Bilder in meinem Kopf konnte ich nicht entfernen.

Ich stellte fragen, wieder und wieder und wieder. Bis ich einmal mit Vater so heftig stritt, dass es wieder geschah, niemand wurde verletzt dennoch war das Eis sichtbar. Erst danach erklärte Vater mir, dass ich eine gefährlich Gabe hätte und dass ich diese vor aller Augen verstecken sollte. Was es mich auch kosten möge niemand, rein niemand durfte davon erfahren, sogar meine Geschwister.

Seit dem lebte ich in meinen Zimmern, seit dem war mein Leben anders als ich es mir als Siebenjährige gewünscht hatte. Damals träumte ich davon auf Bälle zu gehen, mit Herren zu tanzen, mehr von der Welt zu sehen. Mit jedem Jahr gab ich einen meiner Träume auf, die Berge, die Meere, die Sterne, alles begrub ich in einem meiner tiefsten Winkeln und lebte jeden Tag mit der Furcht vor mir selber.

Nun stand ich vor Larus, einem atmenden Larus.

"Du bist tot." Das war das Einzige und das dümmste was ich in diesem Augenblick sagen konnte. Bitter lachte er auf.

"Hat dir das dein toller Vater von König gesagt? Nein, damals hatte es noch nicht gereicht mich zu töten und heute werde ich dir nicht die Gelegenheit bieten." Zu meiner großen Überraschung machte er einen Schritt zur Seite und öffnete uns den Weg nach oben.

"Dachtest du ich stelle mich dir entgegen? Sieh mich an du hast aus mir einen Krüppel gemacht, denkst du wirklich ich würde es noch einmal wagen dich anzufassen?" Mit einer Geste seiner Hand forderte er uns auf zu gehen. Voller Anspannung schob ich Zora vor mir her zur Tür hinauf, ich ließ Larus nicht aus den Augen, bis ich selber kurz vor der Tür war. Ich ahnte dass etwas faul war, in seinen Worten lag zu viel Groll als, dass er mich einfach so hätte laufen lassen. Dennoch musste ich es für Zora versuchen.

Kurz am Türrahmen flüsterte ich ihr noch zu. "Lauf!" Damit schubste ich sie durch die Türe ehe sich ein stechender Schmerz in meinem Rücken bohrte. Ich schloss die Tür zwischen uns und sie verschwand aus meinem Sichtfeld. Natürlich versuchte sie herein zu kommen, doch ich gefror mit letzter Kraft die Tür, ich würde ihr die Zeit geben die sie brauchte um zu fliehen.

Vielleicht fand sie Edwin, womöglich war auch Jared noch bei ihm. Es war mein Kampf, Zora gehörte nicht dazu und auch Jared hatte ich ohne sein Wollen mit hinein gezogen. Dies sollte endlich ein Ende nehmen. Ich hörte sie noch rufen. Wieso lief sie nicht endlich los?

Ein weiteres mal bündelte ich meine Kraft und schrie.

"Lauf endlich! Renn!"

Dann gaben meine Beine nach und alles wurde schwarz.







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