Zehn

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Ich erwachte von dem Geruch vom Speck. Noch immer fühlte ich mich wie in einem Traum, so als würde ich noch immer im Schloss, in meinem Bett liegen und diese Reise hätte nur in meinem Kopf statt gefunden.

Ein wenig fürchtete ich die Augen zu öffnen, aus Furcht wirklich in meinem Zimmer aufzuwachen. Doch ich sah nur fröhliche Kinder, die sich lachend hinterher jagten.

Ich konnte mich nur noch verschwommen erinnern, wie ich mich hingelegt hatte, dennoch war ich mir sicher mich nicht zugedeckt zu haben. Dann erkannte ich den Umhang von Jared.

"Guten Morgen, ewig Schlafende. Hier, frühstücke solange es noch warm ist, danach gibt's erst mal gar nichts."

"Brechen wir schon auf?" Es wurde zwar gepackte, aber es sah noch lange nicht so aus als würde die Gruppe los wollen. Shea lachte und deutete mir weiter sitzen zu bleiben.

"Keine Eile, wir haben mehr als genug Zeit." Mit diesen Worten ging sie. Ich zweifelte nicht daran, dass sie viel Zeit hätten, aber dann fand ich Jared und mir wurde klar, dass er keine Zeit hatte. Er wollte mich so schnell wie nur möglich abliefern.

Er bemerkte, dass ich auf war und schon aß, weshalb er auf mich zu kam. Erst stand er da, nicht ganz sicher was er als nächstes tun sollte, dann entschloss er sich in die Hocke zu gehen.
"Wenn Ihr fertig seid, kommt mit mir." Dann war er weg.

Fragend sah ich ihm nach. Was wollte er von mir? Nun hatte ich auch keinen Hunger mehr, schnell stellte ich den Teller ab und lief Jared nach.

Ich fand ihn ein Stück weiter im Wald. Zu seinen Füßen einen Köcher mit Pfeilen, in den Händen einen Bogen, den er zu prüfen schien. Als er mich sah hielt er kurz inne.

"Ihr seid aber schnell fertig geworden." Es war als würde er mich dafür tadeln, dass ich schnell zu ihm gekommen bin. Während ich den Bogen bestaunte antwortete ich ihm.

"Na ja, ich wollte unbedingt wissen was Ihr von mir wollt."
"Ihr dürft keine Mahlzeit überspringen oder nur zum Teil zu euch nehmen. Nahrung ist wichtig, damit Ihr bei Kräften bleibt." Sprach er barsch.

Bei seinen Worten konnte man vermuten er würde sich sorgen, doch seine Tonlage widerlegte alles. Mit einen Seufzen schüttelte er seinen Kopf und winkte mich zu sich.
"Der Bogen wird für euch etwas zu gespannt sein, deshalb werde ich euch leicht beim ziehen helfen."

Nur langsam ratterten seine Worte durch meinen Kopf bis sich ein ungläubiges Lächeln auf mein Gesicht stahl. "Ich darf schieße?" Hakte ich nach, nur um sicher zu gehen nichts missverstanden zu haben.

"Wollt Ihr jetzt Bogenschießen lernen oder nicht?" Brummte er. Schnell überbrückte ich den letzten Abstand zwischen uns.
"Natürlich, danke!" Ich musste mich zurückhalten um nicht übermütig herum zu springen.

Noch wollte ich nicht nach dem Grund fragen, schließlich war unser Deal nur im Schloss gültig gewesen. Er dirigierte wie ich zu stehen hatte und sollte erst mal alleine versuchen die Schnur des Bogens zu ziehen. Es funktionierte eher schlecht als recht, weshalb er sich kurzerhand hinter mich stellte.

Seine warmen Hände legten sich um meine und ich konnte ein Schaudern nicht verhindern. Sein Duft durchströmte mich, eine Mischung aus Erde und Rauch. Als er mich aufforderte, den Baum mit den Augen zu fixieren, kam ich endlich wieder zur Besinnung.

"Es braucht nicht viel um Pfeile zu schießen, solange Ihr einen guten Bogen habt und ein gutes Auge für das Ziel. Ihr müsst vor dem Abschuss eure Atmung verlangsamen. Lasst einfach den Pfeil mit der Sehne los sobald ihr euch sicher seid."

Es ist nicht einfach seine Atmung zu beruhigen, wenn das Herz bis zum Hals hämmerte. Er machte es mir auch nicht einfacher, durch seinen Atem, der meinen Nacken streifte. Was auch immer gerade mit mir nicht stimmte, ich durfte dem jetzt keine Beachtung schenken.

Ich wollte dass er mir weiter beibrachte wie man schoss. Ich sah nur noch den Baum, der in einiger Entfernung von uns stand, ein letztes mal Atmete ich aus und ließ los.

Ehe ich mich versah sauste der Pfeil los und traf den Baum! Kurz setzte mein Herz aus, es hatte funktioniert! Schnell wurde ich wieder nüchtern, natürlich hatte es funktioniert, schließlich hatte Jared die meiste Arbeit getan.

"Ihr scheint ein Auge fürs Ziel zu haben. Wollt Ihr es noch mal versuchen?" Ehe ich zustimmend nicken konnte, liefen einige Kinder auf uns zu.

"Wir brechen bald auf! Wir brechen bald auf!" Schrien sie immer wieder im Chor. Damit musste ich enttäuscht mein Training beenden. Jared sammelte alles wieder ein und folgte mir in das schon fast abgebaute Lager zurück.

Shea schrie am laufendem Band Befehle, dennoch schaffte sie es noch Jared einen Blick zu zuwerfen, aus dem ich nicht schlau wurde. Wir standen nicht lange in der Gegend rum, schnell hatte man für uns eine Aufgabe gefunden und nach kurzer Zeit war alles gepackt.

Jüngere Kinder und einige Frauen saßen in den Wagen, während der Rest lief. Auch mir wurde ein Platz angeboten, doch ich lehnte ab, seit ich die zahlreichen Röcke abgelegt hatte, fiel mir das Laufen leichter. Außerdem, wozu hatte ich zwei gesunde Beine?

Jared wich nicht von meiner Seite, er hatte wohl gehofft ich würde bei den Frauen und Kindern mitfahren. Ich dagegen genoss die Landschaft und die ungewohnte Bewegung.

Gegen Abend verließen mich meine Kräfte und meine optimistische Laune. Meine Füße brannten bei jedem Schritt, genauso wie meine Beine, aber die Füße waren am schlimmsten betroffen.

Tapfer biss ich die Zähne zusammen, ich würde nicht das Tempo der anderen drosseln, die sich freundlicherweise unserer angenommen hatten. Ich versuchte mich abzulenken in dem ich mich noch mehr auf meine Umgebung konzentrierte.

Da bemerkte ich etwas zwischen den Bäumen. Erst dachte ich mich vertan zu haben, doch als ich mir sicher war was ich da erblickt hatte, zog ich leicht an Jareds Jacke.

"Schaut, dort sind Hütten." Flüsterte ich ihm zu. Sein Blick folgte meinem und er erstarrte. Seine Augenbrauen fuhren zusammen, als er mit lauter Stimme sprach.
"Ich dachte es gäbe kein Dorf auf dem Weg zur Stadt?"

Er hatte seine Worte an Shea gerichtet. Diese sah gar nicht erst zu uns, sie zeigte in Richtung der Hütten während sie erwiderte.
"Dort lebt schon lange niemand mehr. Das ist nur eines der vielen ausgerotteten Dörfer, denen wir noch über den Weg laufen werden."

"Wieso lebt dort niemand mehr?" Wollte ich wissen. Shea schnaubte nur verächtlich.
"Seit kurzem gibt es eine Hetzjagd nach Rebellen und Auftragsmördern. Wird nur einer irgendwo gefunden wird das ganze Dorf geleert."

"Aber sicher ist nicht jeder ein Rebell oder Mörder, Kinder sind doch auch unter ihnen. Wer würde so etwas grausames zulassen?"

"Der König, meine Liebe."

Frühlingsfrost Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt